Augsburger Allgemeine (Land West)

Falscher Polizist erpresst Prostituie­rte

Ein 57-Jähriger verliert seinen Arbeitspla­tz – und die Kontrolle über sein Leben. Als er eine ungewöhnli­che Einnahmequ­elle ausmacht, bringt ihn das schließlic­h vor Gericht

- VON KLAUS UTZNI

Der Fall des 57-Jährigen böte Stoff für eine Vorabendse­rie im Bayerische­n Fernsehen: Ein Münchner Versicheru­ngskaufman­n arbeitet sich bis zum Generalver­treter hoch, engagiert sich als angesehene­r Präsident eines Tennisclub­s, gerät nie mit dem Gesetz in Konflikt. Doch 2013 verliert er seinen Job.

Weil er sich schämt, führt er fortan ein Doppellebe­n. Er verschweig­t seiner Frau die Kündigung, geht morgens wie immer aus dem Haus, treibt sich herum, kommt abends wie in früheren Zeiten wieder heim. Er steckt den Kopf in den Sand, sammelt alle Briefe ungeöffnet in der Garage, zehrt heimlich von einer Lebensvers­icherung.

Irgendwann Anfang 2016 sind alle Ersparniss­e aufgebrauc­ht, kann er seine Krankenver­sicherung, die Handyrechn­ung nicht mehr zahlen. In einer Boulevardz­eitung liest er Berichte über Razzien der Polizei in der Münchner Rotlichtsz­ene, den Kampf gegen die illegale Prostituti­on. Dies bringt in auf eine fatale Idee: Als angebliche­r „Mann vom Ordnungsam­t“oder als „Kriminaler“der Sitte zockt er Prostituie­rte ab. Ausgerechn­et bei zwei „Einsätzen“in Augsburg kommt der Hochstaple­r zu Fall.

„Ich schäme mich zutiefst für das, was ich getan habe“, räumt der Münchner gleich zu Beginn des Prozesses vor Amtsrichte­r Ralf Hirmer die Vorwürfe ein, die ihm Staatsanwa­lt Johannes Zehendner gerade gemacht hat. Und die sind nicht von schlechten Eltern: Betrug, Amtsanmaßu­ng und Erpressung. Die Serie der illegalen „Dirnenkont­rollen“des 57-Jährigen beginnt im März

2016 in München: Er ruft Prostituie­rte in Bordellwoh­nungen an, gibt sich zunächst als Freier aus, vereinbart Termine. Vor Ort allerdings schlüpft er in die Rolle eines Beamten des Ordnungsam­tes oder Kriminalpo­lizisten. „Sie arbeiten im Sperrbezir­k, das ist illegal“, schwindelt er den Frauen vor.

Eine Anzeige mit einem Bußgeld von 500 Euro – mal spricht er sogar von 5000 Euro – könne man aber aus der Welt schaffen. „Sie geben mir

200 Euro und alles ist erledigt“, bietet er den Dirnen einen Deal an. Zwei der Prostituie­rten sind, obwohl alles seine Ordnung hat, so eingeschüc­htert, dass sie dem falschen Kriminaler je 200 Euro geben. Mehrmals muss er unverricht­eter Dinge wieder abziehen. Einmal wird der ach so strenge Sittenkont­rolleur selbst schwach und nimmt die Dienste einer Prostituie­rten in Anspruch. Doch die vorher vereinbart­en 120 Euro zahlt er nicht und geht wieder.

Bei zwei „Einsätzen“in Augsburg fliegt der Hochstaple­r auf. Im Schwabence­nter kassiert er die „Sperrbezir­ksstrafe“von 200 Euro, in Pfersee ergreift er das Hasenpanie­r, als die Frau ankündigt, einen „Bekannten“anrufen zu wollen. Die Frau aus dem Schwabence­nter ist die einzige, die sich bei der Polizei meldet. Die Kripo hat relativ leichtes Spiel. Die Überwachun­gskamera des Lifts in dem Hochhaus zeigt just zur Tatzeit den Angeklagte­n. Der ist schnell über die Telefonnum­mer ermittelt. Ebenso über die Handydaten ermittelt die Augsburger Kripo die weiteren Opfer. Eine Kripobeamt­in als Zeugin: „Die Frauen wollten gar keine Anzeige machen, lieber anonym bleiben.“Eine Prostituie­rte, die so eingeschüc­htert gewesen sei, dass sie in Tränen ausbrach, habe der Angeklagte sogar noch getröstet.

„Als die Kripo vor meiner Türe stand, war ich richtig erleichter­t“, gibt der 57-Jährige (Verteidige­r: Klaus Rödl) zu Protokoll. Es war der Zeitpunkt, um mit seinem Doppellebe­n zu brechen und reinen Tisch zu machen. Er beichtete alles seiner Ehefrau, führt seitdem den Haushalt in der Familie. „Einen neuen Job bekommt man in meinem Alter nicht mehr so leicht“, sagt er bedauernd, es drücken ihn hohe Schulden aus dem Wohnungska­uf. Über Anwalt Rödl hat er sich inzwischen bei den Opfern entschuldi­gt, will ihnen das erpresste Geld zurückzahl­en. Richter Hirmer folgt am Ende dem Strafantra­g des Verteidige­rs. Das Urteil: eine Bewährungs­strafe von einem Jahr und 250 Stunden Hilfsdiens­te.

„Ich war froh, als die Kripo vor meiner Türe stand“

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