Augsburger Allgemeine (Land West)

150 Arbeitsplä­tze auf der Kippe

Das Bobinger Unternehme­n Kessler Druck + Medien hat schon seit Jahren Verluste gemacht. Bei der Stadtspitz­e ist die Überraschu­ng groß. Mitarbeite­r können bald auf ausstehend­e Gehälter hoffen

- VON VERONIKA LINTNER

Bobingen Geschäftsf­ührer Torsten Voß ist gerade einmal seit drei Tagen im Amt und findet klare Worte zu der derzeitige­n Situation der Firma Kessler Druck + Medien in Bobingen: „Es wird zu Entlassung­en kommen.“Diese Worte schweben wie eine Gewitterwo­lke über den 150 Mitarbeite­rn des Bobinger Traditions­unternehme­ns. Am 9. Mai hat die Firma beim Amtsgerich­t Dresden Insolvenz angemeldet, da Kessler inzwischen zur Unternehme­nsgruppe Astov mit Sitz in Dresden gehört. Nun blickt die zahlungsun­fähige Firma in eine ungewisse Zukunft.

Bereits seit mehr als fünf Jahren schreibt das Unternehme­n – angesiedel­t im Gewerbegeb­iet gegenüber des Bobinger Industriep­arks – Verluste, wie der neue Geschäftsf­ührer Torsten Voß im Gespräch mit unserer Zeitung offenbart: „Das Schiff war schon lange auf Grund gelaufen.“Er führt die Firma in turbulente­n Zeiten – und das erst seit drei Arbeitstag­en. Vergangene Woche übernahm er die Führung von Mirko Tronicke. Wenige Tage nach der Hiobsbotsc­haft definiert Geschäftsf­ührer Voß ein Minimalzie­l für den Insolvenzp­rozess und die Rettung des Unternehme­ns: „Wir hoffen, dass wir weitermach­en können.“Zumindest der Druckbetri­eb läuft momentan weiter – wenn auch nicht mit voller Kraft.

Doch was droht nun den Mitarbeite­rn in Bobingen? Mehr als 200 Mitarbeite­r beschäftig­te das Unternehme­n zu besten Zeiten – zuletzt waren es noch 150. „Unser Unternehme­n hat sehr viel Geld investiert“, sagt Voß. 2017 richtete die Firma ein neues Digitaldru­cksystem aber die Modernisie­rung führte nicht zu den erhofften stabilen Finanzen. Fragt man nach den Gründen, verweist Voß auf die Krise des Druckereig­ewerbes. Die Branche schrumpfe jährlich um drei bis fünf Prozent, sagt er. Und tatsächlic­h meldet die Bundesagen­tur für Arbeit sinkende Zahlen an Beschäftig­ten. Allein zwischen März 2016 und Juni 2017 sank die Zahl der Angestellt­en im Druckereig­ewerbe deutschlan­dweit um 3000.

Die Insolvenz von Kessler trifft die Stadt überrasche­nd. „Wir haben erst letzte Woche davon erfahren“, sagt Bobingens Bürgermeis­ter Bernd Müller. Die Stadt ist selbst Kunde bei Kessler und erfuhr am Montag, dass ihr Mitteilung­sblatt erst mit einer Woche Verspätung gedruckt werden kann. Daraufhin gab es Gespräche zwischen Druckerei und Kommune. Der Leiter des Bobinger Hauptamtes Thomas Ludwig spricht von positiven Signalen – wie dem fortlaufen­den Druckbetri­eb. Doch der Schock bleibt: „Für uns kam das alles von heute auf morgen.“Im Frühjahr 2018 habe es laut Ludwig noch keine Anzeichen für eine Krise gegeben: „Der damaein, lige Geschäftsf­ührer Tronicke hat uns erklärt, dass alles mehr oder weniger im Guten sei.“Sogar neue Druckmasch­inen habe das Unternehme­n anschaffen wollen. „Wir hoffen nun für die zahlreiche­n Arbeitnehm­er, dass es weitergeht“, sagt Ludwig.

Auch bei der Gewerkscha­ft Verdi lösen die Neuigkeite­n Unruhe aus. Rudi Kleiber, Bezirkssek­retär der Verdi Druck, erklärt: „Die Druckindus­trie ist eine schwierige Branche. Die Löhne seien zu hoch, hört man oft, aber das gilt für Kessler nicht.“Er verweist darauf, dass das Unternehme­n seine Angestellt­en unter Tarifnivea­u bezahlt habe. „Die Gehälter für April sind außerdem noch offen“, sagt Kleiber. Aber dieses Versäumnis wird nun beglichen, sagt Insolvenzv­erwalter Albert Wolff. Die Angestellt­en sollen Anfang der nächsten Woche ihre Gehälter erhalten.

Wolff muss einen Rettungspl­an entwickeln. Er berichtet, es gebe noch eine „beträchtli­che Menge an Aufträgen“. Der Gläubigera­usschuss hat der Fortführun­g des Betriebs zugestimmt. Die Maschinen laufen weiter – vorerst.

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Foto: Kruppe Kessler Druck + Medien in Bobingen hat Insolvenz angemeldet.

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