Augsburger Allgemeine (Land West)
Bewährungsstrafe für ehemaligen Neonazi
Vor zwei Jahren griff ein Mann, der heute in Augsburg lebt, in Dessau einen Polizisten an. Mit seinem früheren Leben habe er gebrochen, sagte der 26-Jährige vor Gericht und erhielt eine milde Strafe
Die Staatsanwältin wurde beinahe pathetisch. „Ich gehe davon aus, dass der Angeklagte den Weg der Tugend wiedergefunden hat“, sagte sie im Plädoyer vorm Amtsgericht Dessau-Roßlau. Gemünzt waren ihre Worte auf einen 26 Jahre alten Augsburger.
Der musste sich wegen gemeinschaftlichen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verantworten. Verübt hatte er die Tat am 22. April 2016 als mutmaßlicher Angehöriger der Neonazi-Szene, von der er sich aber mittlerweile durch seinen Umzug nach Süddeutschland distanzierte.
Während sein damaliger Kumpan eine Gesamtgeldstrafe von 1350 Euro erhielt, verhängte Richter Guido Keiner gegen den Augsburger eine neunmonatige Bewährungsstrafe. Damit scheinen für den jungen Mann die juristischen Auseinandersetzungen in seiner früheren Heimat abgeschlossen zu sein.
Denn wie von Frank Pieper, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, zu erfahren war, verzichtet die Behörde auf weitere Rechtsmittel. Erst am 24. April hatte die 4. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau in einem Berufungsverfahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten ausgesprochen.
Eine knappe Woche später hielt es Amtsrichter Keiner für notwendig, dem Mandanten von Verteidi- ger Holger Gläser für die vierjährige Bewährungszeit eine Bewährungshelferin zur Seite zu stellen. Außerdem muss der gebürtige Leipziger „als spürbare Sanktion“800 Euro an den Malteser Hilfsdienst überweisen. Zu zahlen in zehn Monatsraten. Keiner zur Auflage: „Es soll ja nicht völlig unerträglich sein.“
Dem Übergriff auf die Polizisten, an dem das Gericht nach einer umfassenden Beweisaufnahme keinen Zweifel hegte, ging eine unübersichtliche Situation auf dem Areal zwischen Schlossstraße und Dessauer Rathaus voraus. „Da soll es eine von einer größeren Personengruppe ausgehende Körperverletzung gegeben haben. Doch hier konnte nicht geklärt werden, ob das so war und wer ihr überhaupt zum Opfer fiel“, räumte Guido Keiner ein.
Hingegen stehe fest, dass der Augsburger trotz eines gegen ihn verhängten Platzverweises gegen mehrere Polizisten „immer wieder angerannt“sei, um deren Maßnahmen zu unterbinden.
„Sie wollten selbst entscheiden, was Recht und Ordnung ist“, schätzte die Vertreterin der Anklagebehörde ein, die eine Bewährungsstrafe von zwölf Monaten für angemessen hielt. „Sie haben nicht nachgelassen und durch die Behauptung, ein Polizist hätte die Waffe gezogen, die gereizte Stimmung noch angeheizt“, hielt der Richter dem Mann vor, dessen Freundin im August das zweite gemeinsame Kind zur Welt bringen wird.
Die als Erzieherin arbeitende Frau hatte dem Gericht sehr anschaulich geschildert, dass ihr Part- ner „eine Wandlung vollzogen, einen Schnitt gemacht“habe. „Auch der Bericht der Bewährungshelferin las sich positiv“, meinte der Richter. Verteidiger Holger Gläser ging von einer körperlichen Interaktion aus, die sich „allenfalls an der untersten Schwelle“bewegte. „Das war nur ein geringfügiges Widerstehen“, sagte er.
Zudem warf er insbesondere einem der als Zeugen gehörten Polizeibeamten vor, selbst nur unzureichend deeskalierend aufgetreten zu sein. „Sogar die eigenen Kollegen haben berichtet, dass er immer gern vorne mit dabei ist und keine Auseinandersetzung scheut.“Und wenn dabei Bekleidung beschädigt werde, werde manchmal eben auch mal das Land Sachsen-Anhalt als Arbeitgeber verklagt.