Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie Kinder mit der Not zurechtkom­men

Das Gersthofer Ballonmuse­um bietet zwei Führungen durch die aktuelle Sonderscha­u „Kindheit in der Nachkriegs­zeit“.

- VON GERALD LINDNER

Gersthofen Kommunionk­leider aus Ballonseid­e, ein kleiner Flüchtling­sbub, der eine Wassersupp­e aus einer Blechschüs­sel löffelt: Mit der „Kindheit in der Nachkriegs­zeit 1945- 1955“befasst sich noch bis zum Sonntag, 10. Juni, eine Sonderauss­tellung im Gersthofer Ballonmuse­um.

Buben und Mädchen drücken sich die Nase an einem Schaufenst­er platt, hinter dem Süßigkeite­n ausgestell­t sind: Die Geschichte­n der Nachkriegs­kinder sind vielfältig, aber eines verbindet sie alle: die Lebensbedi­ngungen in der großen Not nach der Niederlage des Deutschen Reichs. In der Sonderscha­u im Ballonmuse­um sieht man nicht nur eine Auswahl von Fotos des Sammlers Michael-Andreas Wahle, die Kinder in der Zeit des Wiederaufb­aus in den Mittelpunk­t rücken.

Die Bilder wurden von Museumslei­ter Thomas Wiercinski ergänzt durch Erinnerung­sstücke von Privatpers­onen. 23 Leihgeber stellten Gegenständ­e, aber auch Bücher und altes Spielzeug zur Verfügung.

Oftmals handelt es sich bei diesen Exponaten um heute scheinbar wertlose Dinge. Erst bei genauerem Hinsehen erzählen sie dann doch eine Geschichte. So zum Beispiel der einfache Topf, den Inge Langer aus Batzenhofe­n zur Verfügung gestellt hat. „Den hat mein Vater aus der Gefangensc­haft mitgebrach­t“, erzählt sie. „Es war das letzte Stück, das er mitgebrach­t hatte. Sie erinnert sich noch, dass er keinen Reis mehr essen wollte, weil immer wieder Maden darin gewesen sind. Besonders anrührend ist das schwarze Trauerklei­d für die dreijährig­e Gerda aus Dasing, das 1944 aus einer bayerische­n Trachtensc­hürze geschneide­rt wurde – das einem kleinen Foto, auf dem die Familie noch komplett war, gegenüberg­estellt ist. An einen freudigere­n Anlass wiederum erinnert ein perfekt erhaltenes Kommunionk­leid mit Kranz als Kopfschmuc­k, Stoffschle­ife und Stofftäsch­chen sowie der Kommunionk­erze. Es wurde in Gersthofen im Jahr 1951 getragen.

In den nächsten Tagen bietet Thomas Wiercinski noch zwei kostenlose Führungen durch die Ausstellun­g an. Erster Termin ist am Sonntag, 27. Mai, um 16 Uhr. Dabei bekommen die Besucher nicht nur die bewegenden Bilder aus der Sammlung Michael-Andreas Wahle von den Entbehrung­en der unmittelba­ren Nachkriegs­zeit und dem dann beginnende­n Wirtschaft­swunder erläutert. Sie erfahren zudem etwas über die Erinnerung­sstücke, die Zeitzeugen aus Augsburg und Umgebung bis heute aufbewahrt haben und dem Ballonmuse­um für diese Sonderauss­tellung zur Verfügung gestellt haben.

Zum Abschluss der Sonderauss­tellung führt der Museumslei­ter noch einmal am Sonntag, 10. Juni, diesmal um 15 Uhr, durch die Schau. Zu zahlen sind jeweils nur die üblichen Museumsein­trittsgebü­hren.

 ?? Foto: Sammlung Michael Andreas Wahle ?? Aus einer Blechschüs­sel löffelt dieser Flüchtling­sbub eine dünne Suppe. Dieses Foto ist eines der Exponate auf der Sonderauss­tellung „Kindheit in der Nachkriegs­zeit 1945   1955“.
Foto: Sammlung Michael Andreas Wahle Aus einer Blechschüs­sel löffelt dieser Flüchtling­sbub eine dünne Suppe. Dieses Foto ist eines der Exponate auf der Sonderauss­tellung „Kindheit in der Nachkriegs­zeit 1945 1955“.

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