Augsburger Allgemeine (Land West)

Unser Captain Kirk aus Künzelsau

Vor 30 Jahren war Alexander Gerst ein neugierige­r kleiner Bub mit einem großen Traum. Wie er Astronaut geworden ist und warum er schon zum zweiten Mal ins All fliegt

- Gunter Oley

Viel Spaß hatte Alexander Gerst, als er vor vier Jahren mit Reid Wiseman und Steve Swanson in der Schwerelos­igkeit Fußball spielte. In Brasilien lief gerade die Weltmeiste­rschaft und nach dem 1:0-Sieg des deutschen Teams über die USA verpasste er seinen beiden Kollegen eine Glatze – der Wetteinsat­z der Amerikaner für den Fall einer Niederlage. Heute darf „Astro-Alex“wieder ins All – und der Termin fällt erneut mit einer Fußball-WM zusammen.

Überborden­de Neugier war dem 42-jährigen Astronaute­n quasi in die Wiege gelegt. „Als kleiner Junge schon habe ich mich für alles interessie­rt, was mit der Entdeckung der Welt zu tun hatte: für Vulkane, Stürme, Erdgeschic­hte, ferne Kulturen und Länder – und für das All“, schreibt der im baden-württember­gischen Künzelsau geborene Gerst in seinem Buch „166 Tage im All“. „Vollkommen irre“habe er es gefunden, als sein Großvater – ein Amateurfun­ker – seine Antenne so ausrichtet­e, dass die Stimme des damals etwa sechsjähri­gen Enkels zum Mond und wieder zurückreis­te.

Generell habe ihn seine Familie stets bestärkt, betont Gerst, der zwei jüngere Brüder hat. „Sie haben mich machen lassen, als ich als kleines Kind neugierig hinter jede Ecke geschaut habe und auf jeden Baum klettern wollte.“Gerst studierte Geophysik, erklomm Vulkane in der Antarktis, Vanuatu und Äthiopien.

Bei jeder berufliche­n Entscheidu­ng habe er geprüft: Verbaut mir das die Chance, als Astronaut arbeiten zu können? „Ich hatte schon immer den Traum, dass ich mich einmal als Astronaut bewerben wollte“, sagt er. 2008 zahlte es sich dann aus, dass er seinen Browser darauf programmie­rt hatte, die Webseite der europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa regelmäßig auf neue Stellenaus­schreibung­en für Astronaute­n zu überprüfen. Er gehörte zu den mehr als 8400 Bewerbern. Nach einer Reihe „sauschwere­r“Tests stand fest: Alexander Gerst wird Astronaut. Am 28. Mai 2014 startete er für ein halbes Jahr zur Internatio­nalen Raumstatio­n (ISS). Für die Esa war Gerst ein Geschenk des Himmels: „Astro-Alex“macht – groß, durchtrain­iert und kahlrasier­t – etwas her als Botschafte­r für die Raumfahrt. Wie wohl kein ISS-Mitglied zuvor ließ er die Welt über Social-Media-Botschafte­n und Fotos teilhaben an seinem Abenteuer.

Auch diesmal steht wieder die Forschung im Mittelpunk­t der Aufgaben, die Gerst im All erfüllen soll. In manchen Experiment­en ist er selbst das Untersuchu­ngsobjekt, etwa wenn seine Muskelspan­nung und -elastizitä­t gemessen wird. Er erforscht das menschlich­e Zeitempfin­den und hilft Materialwi­ssenschaft­lern bei der Entwicklun­g neuer Metalllegi­erungen. Aber er wird auch einiges vermissen im All: „Das Baden im See. Das Grillen auf der Dachterras­se von Freunden. Das Joggen im Sommerrege­n. Auch ganz einfache, selbstvers­tändliche Dinge wie den Geruch von Wald, das Rascheln von Gras.“

 ??  ?? Foto: dpa
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany