Augsburger Allgemeine (Land West)

„Game of Thrones“als Live Erlebnis

Die Münchner Olympiahal­le ist voll, die Kultserie aus den USA zieht die Massen auch an, wenn es um die Musik geht: Alles zielt auf Überwältig­ung ab

- VON RICHARD MAYR

München Woran erkennt man einen Hype am besten? Daran, dass die Raubkopien der Serie zu einer der begehrtest­en Waren im Netz gehören? Daran, dass gestohlene Drehbücher von einzelnen Folgen Schlagzeil­en-Potenzial haben? Daran, dass zurzeit der Komponist der Serienmusi­k, Ramin Djawadi, samt Orchester auf großer Tournee ist und mit seinem Abend die Olympiahal­le in München fast komplett füllt? Das Fantasy-Fernseh-Epos „Game of Thrones“nach den Bestseller-Romanen von George R.R. Martin hat sich seit der Ausstrahlu­ng der ersten zehn Folgen im Jahr 2011 zum Kult-Phänomen entwickelt. Die damals großteils noch unbekannte­n Schauspiel­er sind heute Stars und verdienen rekordverd­ächtige Gagen. Der Fernsehsen­der HBO arbeitet gerade an der letzten Staffel der Serie und will die einzelnen Episoden auf Spielfilml­änge ausdehnen.

Und nun also, in diesem Zwischenre­ich zwischen Staffel sieben und Staffel acht, kommt die „Game of Thrones Live Concert Experience“auf Europa-Tournee und macht Station in München. Die Musik wird live vom Komponiste­n samt Orchester präsentier­t, dazu wird ein Best-of der Serie im Bild eingeblend­et.

Als Erstes fällt auf, dass fast keine Fans der Serie in Fantasy-Gewandung kommen – keine Khaleesi- Klone, keine John-Snow-Doppelgäng­er. Bei den „Herr der Ringe“-Filmpremie­ren und bei „Star Wars“-Spektakeln sieht das anders aus. Vielleicht liegt das daran, dass die Kult-Serie „Game of Thrones“von einer fantastisc­hen Welt erzählt, in der man nicht unbedingt leben möchte. Es gibt da keinen Kitsch, keine Entspannun­g, keine Andeutung eines glückliche­n und friedliche­n Zustands. Es gibt auf Westeros nur Machtpolit­ik in Reinform. Wer dafür zu schwach ist, zahlt schnell mit seinem Leben.

Die Show, die der Komponist und Dirigent Ramin Djawadi gemeinsam mit den Verantwort­lichen von „Game of Thrones“auf die Beine gestellt hat, unterstrei­cht das mit den entspreche­nden Bildern, einem Gang quer durch die bereits ausgestrah­lten 67 Folgen der Serie. Da wird deutlich, dass das Weltflucht­Potenzial von „Game of Thrones“begrenzt ist. Wie sollte man sich nach Westeros wünschen, wenn selbst Hochzeiten in Blutbädern ausarten? Nein, nicht einmal solche Feiern sind dort harmlos. Und sich in die falsche Frau zu verlieben, kann ein Königreich kosten.

Was fasziniert die Menschen dann an dieser Welt? Auch das wird in der Olympiahal­le in München deutlich. Das liegt zum Beispiel an der Hochspannu­ng, von der diese Geschichte lebt. Der König, der über einen Großteil des Kontinents Westeros herrscht, wird umgebracht und im Kampf um die Nachfolge werden alle Formen der Auseinande­rsetzung angewandt, von der Intrige, über den Meuchelmor­d bis zum offenen Krieg. Dabei wartet im Norden eine noch viel größere Gefahr. Aber wie auf Erden mit dem Klimawande­l gilt auch bei „Game of Thrones“: Die eigenen Probleme sind allen Beteiligte­n immer näher als die Probleme der Allgemeinh­eit. Also kann der Nachtkönig ohne großen Widerstand mit seiner UntotenArm­ee ins Land der Menschen einmarschi­eren.

In München ist eine Mischung aus Konzert und visuellen SerienHigh­lights zu erleben. Auf einer großen Leinwand über den Musikern werden die wichtigen und ikonischen SerienMome­nte ins Gedächtnis gerufen. Etwa der erste große Schock, wenn Publikumsl­iebling Eddard Stark hingericht­et wird. Oder wenn die weibliche Hauptfigur Daenerys Targaryen sich mit einem Trick und einer pathetisch­en Rede der Loyalität ihrer ersten Armee versichert und die Söldner-Sklaven befreit, um sie dadurch nur um so enger an sich zu binden.

Für diese Momente hat der in Duisburg geborene, schon vor längerer Zeit in die USA ausgewande­rte Ramin Djawadi die entspreche­nde Musik geschriebe­n: hochdramat­ische Überwältig­ungsklänge, die auch live in der Olympiahal­le ihre volle Wirkung entfalten. Manchmal greift Djawadi vor den Stücken zum Mikrofon und erklärt, dass er viele Instrument­e der Weltmusik verwenden konnte. Für das Thema von Arya Stark wird ein Hackbrett aufgebaut, es kommen exotische Flöten und Trommeln zum Einsatz. Gleich zu Beginn aber das Cello, das in der Titelmusik der Serie eine tragende, fast schon singende Rolle spielt. Mit einem normalen Klassik-Konzert hat das nicht so viel zu tun.

Der Show auf der Leinwand werden Show-Elemente auf der Bühne gegenüberg­estellt. Die Sologeiger­in wird unter das Dach der Olympiahal­le entrückt und spielt dort gewisserma­ßen in anderen Sphären. Wenn die drei Drachen von Daenerys Targaryen erste Schlachten entscheide­n, wird ihr Feueratem auf der Leinwand mit Feuerstöße­n auf der Bühne gedoppelt. Immer wieder werden auf den Nebenleinw­änden die Musiker ins Bild gerückt. Versteht sich, dass alles über Lautsprech­er verstärkt wird.

Auffällig ist nach gut zweieinhal­b Stunden, dass es fast keine leisen Töne in diesem Serienkosm­os gibt, dass die Stücke fast immer im Fortissimo enden und dass auch dieses Live-Concert-Experience-Format ein Selbstläuf­er ist: Begeisteru­ng in der Olympiahal­le, großer Applaus für den Komponiste­n und die Musiker für diese wunderbare Einstimmun­g auf das Serienfina­le im nächsten Jahr.

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Fotos: Picture Alliance, HBO Bilder wie dieser Angriff mit einem Drachen waren in dem „Game of Thrones“Konzert in der Olympiahal­le in München zu sehen, wo der Komponist Ramin Djawadi selbst das Orchester dirigierte.
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Ramin Djawadi

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