Augsburger Allgemeine (Land West)

Vom bösen Sergio und guten Loris

- VON MILAN SAKO ms@augsburger allgemeine.de

Die Welt der Märchen ist auch deshalb so beliebt, weil sie Gut und Böse trennt. Hier die Oma, dort der Räuber, hier das Rotkäppche­n, dort der Wolf. Am Ende siegt meist das Gute und alle leben glücklich und zufrieden bis an das Ende ihrer Tage. Der Sport kommt am liebsten als modernes Märchen daher, erzählt Geschichte­n von Helden und Versagern. Das Champions-League-Finale zwischen dem FC Liverpool und Real Madrid liefert alle Zutaten sowohl für ein Heldenepos wie für eine Tragödie. Der zweifache Torschütze Gareth Bale steigt zum umjubelten Sieger auf, Torwart Loris Karius wird zur tragischen Figur. Weil der deutsche Torwart des FC Liverpool einmal ohne Not Benzema den Ball in die Füße wirft und zudem nach einem Bale-Weitschuss wie ein Anfänger daneben greift.

Der Buhmann, der Schuldige für die Pleite ist der Deutsche, bis, ja bis amerikanis­che Ärzte herausfind­en, dass der arme Tropf gar nichts dafür kann. Karius ist unschuldig. Real-Verteidige­r Sergio Ramos, die spanische Version vom Räuber Hotzenplot­z, hatte den Torwart zuvor am Kopf getroffen und ihm eine Gehirnersc­hütterung zugefügt.

Sofort schlägt sich Bild, das Zentralorg­an für deutsche Märchen, auf die Seite des zu Unrecht Gescholten­en und nimmt die zuvor vergebene Note Sechs zurück. Den blonden Engel im Liverpool-Tor trifft keine Schuld. Aber wie ist es zu erklären, dass Karius zwischen seinen beiden Klöpsen wie ein junger Prinz durch den Strafraum segelt. Hätte er nicht nach dem RamosSchla­g sofort ausgewechs­elt werden sollen? Nachvollzi­ehbar: In dem Spiel der Spiele geht keiner so schnell vom Feld. Wer aber weiterspie­lt, sollte im Vollbesitz seiner Kräfte sein und die Konsequenz­en für sein Handeln tragen. Die nachträgli­chen Atteste klingen nicht eindeutig, es ist von „prinzipiel­l möglich“und „möglicherw­eise“die Rede.

Die bessere Alternativ­e: Zu den Fehlern stehen, Mund abputzen und sich den nächsten Herausford­erungen stellen. Aber die Geschichte vom bösen Sergio und guten Loris bietet einfach zu unterhalts­amen Lesestoff.

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Foto: dpa Spanischer Räuber Hotzenplot­z: Real Verteidige­r Sergio Ramos.
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