Augsburger Allgemeine (Land West)
Dieser Kneipenwirt ist hart, aber herzlich
Früher gehörte ihm die Disco „Jerome“, inzwischen betreibt Egon Bork seit 25 Jahren die „Sackpfeife“. Der 65-Jährige hat viel erlebt und manche seiner Geschichten erinnern an alte Bud-Spencer-Filme
Egon Bork ist die Personifizierung eines Kneipenwirts, der seinen Job viele Jahre mit Herzblut macht. Seine Gäste sind ein wichtiger Teil seines Lebens. An der Nase herumführen lässt er sich aber nicht. Wer sich bei ihm daneben benimmt, fliegt. Das war in den 80er Jahren in seiner Disco Jerome so. Und so handhabt es Bork auch in der Sackpfeife. Seit
25 Jahren betreibt der Augsburger mit Ehefrau Birgitt die Kneipe in der Bäckergasse. Er kann viele Geschichten erzählen, in manchen geht es ziemlich handfest zu. Und dann ist da noch der Vorfall mit Roy Black und der zerstörten Frisur.
Egon Bork hat einige Fotoalben auf einen der Holztische gepackt und blättert darin. Jedes Bild weckt Erinnerungen, lässt ihn Anekdoten erzählen. Wie etwa das SchwarzWeiß-Foto eines alten HeckflossenMercedes. Bork denkt an seine Kindheit zurück, als nämlich das mit Roy Black passierte. Als kleiner Junge wuchs er mit seinen Geschwistern in der Wertachstraße auf. Seine Mutter war Hausfrau. Der Vater betrieb, wie Bork erzählt, den ersten Gebrauchtwagenhandel Augsburgs. Eines Tages war Roy Black als Kunde angekündigt. Der Sänger wollte sich einen schicken Mercedes mit Heckflosse zulegen. „Meine Mutter hat sich extra hergerichtet“, erinnert er sich. Ausgerechnet an diesem Tag aber hatte Bork, damals elf Jahre alt, eine Wasserfalle oben an die Tür seines Kinderzimmers gebaut. Dass die Konstruktion funktionierte, bekam der Bub bestätigt, als seine Mutter das Zimmer betrat.
„Ihre Hochfrisur war komplett zerstört“, erinnert sich der 65-Jährige. Noch heute kann er darüber lachen. Die Frisur war nicht mehr zu retten, die Laune der Mutter auch nicht. Aber Roy Black war offenbar begeistert. Er hat sich die Wasserfalle genau angesehen, erzählt der Wirt. Bork fand es dann lustig, als er neulich einen alten Film mit Roy Black sah, in dem solch eine Wasserfalle vorkam.
Egon Bork erzählt gerne aus seinem Leben. Der Mann mit dem grauen Bart und dem schwarzen Rocker-T-Shirt, auf dem der Sensenmann auf einem Drachen reitet, mag es bodenständig. Die Sackpfeife ist schlicht und gemütlich. Viel Holzvertäfelung, eine Holztheke, Tische und Stühle. In die Kneipe kommen alteingesessene Stammgäste, aber auch viele Studenten. Hier kostet das Bier noch 2,70 Euro. Donnerstags kochen Egon Bork und seine „Biggi“auf Vorbestellung. Dann gibts eine Sulz oder frischen Schweinsbraten. Manche Gäste spielen Schafkopf und Skat. Bei einigen Augsburgern ist die Sackpfeife eine Kult-Kneipe, was sicherlich an den Wirtsleuten liegt.
60 bis 70 Stunden arbeiten Egon und Birgitt Bork pro Woche. Die Sackpfeife ist ihr Wohnzimmer. Klar, dass ihnen eine angenehme Atmosphäre wichtig ist. Bork fackelt nicht lange herum, wenn sich jemand daneben benimmt. Der sieht die Kneipe dann nur noch von außen. Damit ist er schon immer gut gefahren, sagt er. Auch als er das Jerome in den 80er Jahren betrieb, das damals als In-Disco galt. Wo heute in der Philippine-Welser-Straße in der Innenstadt ein Modegeschäft und ein Friseur ihr Domizil haben, tanzten früher bis zu 400 Augsburger in die Morgenstunden hinein. Egon Bork hatte Türsteher engagiert. „Aber wenn es richtig Ärger gab, haben sie immer nach mir gerufen“, erzählt er und grinst. Sie wussten, dass ihr Chef Kampfsportler war und kurz vor dem schwarzen Gurt im Taekwondo stand. Lustige Sachen habe er im Jerome erlebt, sagt Bork. Er erzählt von drei Männern, die einen Barhocker klauten. Borg rannte hinterher, verlangte den Hocker zurück. Sechsmal ließ er sich von den Dreien beschimpfen. „Dann habe ich ihnen eine geschnalzt.“Am nächsten Abend sei einer der Übeltäter in die Disco zurückgekehrt. „Magst noch eine fangen?“, habe der Gastronom ihn gefragt. Nein, der junge Mann wollte sich nur entschuldigen. „Er gab einen Whisky aus und wir haben zusammen getrunken.“Bork hat sich seine Gäste erzogen. Weil, „die Braven sind nachts nicht unterwegs.“Eine ganz besondere Tanzeinlage wird er auch nicht vergessen.
„Einmal kam ein Gast aufgeregt zu mir. Er sagte, da ist eine Frau auf der Tanzfläche, die macht sich gerade oben frei.“Was? Egon Bork wollte die Barbusige eigentlich rauswerfen. „Aber dann sah ich, dass alle begeistert waren und ich dachte mir, okay, lass sie tanzen.“Unter der Woche lief im Jerome Rockmusik, am Wochenende eher Depeche Mode oder Simple Minds. Als der Techno immer beliebter wurde, war das nicht mehr die Musik von Egon Bork und seiner „Biggi“. Zu der Zeit eröffnete das Ostwerk neu. „Irgendeiner schrieb im Jerome auf dem Klo alles voll mit ,Ostwerk
Er fuhr den Clan von Boxstar Ali nach München
raus‘“, erzählt Bork. Den Schmierfink machte der Discobetreiber draußen auf der Straße schnell ausfindig – er hatte noch Farbspuren an den Händen. „Ich packte ihn am Genick, nahm ihn mit rein und drohte ihm mit einer Anzeige.“Das wirkte. Am Tag darauf strich der junge Mann kleinlaut die Toiletten. „Seinen Ausweis bekam er erst danach zurück. Den hatte ich einbehalten.“
Eine tolle Zeit hätten sie mit dem Jerome gehabt, sagen die beiden. Aber mit dem Einzug des Technos waren sie froh, als sich die Übernahme der Sackpfeife ergab. Egon Bork im Rocker-Shirt („von denen habe ich 100 Stück“) blättert weiter in den Alben. So viel könnte er noch erzählen. Von seinem Vater, der von der Autobranche in den Schmuckhandel wechselte, weil ihm eines Tages ein Ungar Smaragde aus einer kolumbianischen Mine anbot. Oder vom weltberühmten Boxer Muhammad Ali, der im Rahmen eines Kampfes in München auch in Augsburg zu Gast war.
Bork chauffierte als junger Mann einen Teil des Clans. „Mit Tempo 230 fuhren wir nach München. Die sind ganz bleich geworden und haben sich im Sitz festgekrallt,“meint er feixend. Er klappt die Bücher zu. Die Sackpfeife macht gleich auf. „Biggi“und er müssen noch ein paar Vorbereitungen treffen. Ihren Gästen soll es schließlich an nichts fehlen.