Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie das Wasser Augsburg in Fluss bringen kann
Auf der aktuellen Ausstellung des Maximilianmuseums ruhen große Hoffnungen. Sie soll erlebbar machen, warum diese Stadt weltweit von Interesse ist. Sie könnte aber auch andere Auswirkungen haben
Zyniker behaupten, wer ungestört sein möchte, sollte in ein Museum gehen. Doch das trifft natürlich nicht auf jedes der 6700 Ausstellungshäuser in Deutschland zu. Die Statistik des Deutschen Museumsbunds verzeichnete 2017 rund 112 Millionen Besucher. Stellt man sie den 13,6 Millionen Fußballfans gegenüber, die in derselben Saison die 18 Bundesliga-Stadien aufsuchten, schneidet die Kultur nicht so schlecht ab.
Allein im Frankfurter Städel sahen rund 160000 Menschen die Rubens-Schau, die vergangene Woche zu Ende ging. Unbestritten ist aber, dass viele der kleineren und weniger renommierten Häuser in Deutschland zu kämpfen haben. Auch den Augsburger Kunstsammlungen geht das bisweilen so. Zwar sind die Besucherzahlen zuletzt leicht gestiegen; 2017 waren es über 312000. Doch allein durch die Dauerausstellungen und kleinere andere Schauen lässt sich die Bilanz
Für Sonderschauen gibt es keinen eigenen Etat mehr
kaum aufhübschen. Damit spürbar mehr Menschen kommen, braucht es Großprojekte. Und die sind teuer.
Genau hier beginnt in Augsburg das Dilemma: Der Etat für Sonderausstellungen wurde den städtischen Häusern vor Jahren gestrichen. Exklusive Schauen – wie die nächste Woche beginnende „Wasser Kunst“im Maximilianmuseum – sind so zum finanziellen Kraftakt geworden. 750 000 Euro kostet das Projekt, die Stadt steuert 250 000 Euro bei. Bleibt eine halbe Million, die über Sponsoren und Eintritte fließen muss. Kein Wunder, dass die Kunstsammlungen diesen Aufwand nur alle paar Jahre betreiben – zumal sie dafür das ganze Haus umbauen müssen, weil es keine Flächen für Sonderausstellungen in dieser Größenordnung gibt.
Doch davon soll ab Freitag nicht mehr die Rede sein. Zum ersten Mal seit 2008, als im Maxmuseum Silber aus dem Moskauer Kreml zu bestaunen war, wird es im Stammhaus der Kunstsammlungen wieder ein richtiges Highlight geben. Die Exponate für „Wasser Kunst Augsburg“kommen aus dem Pariser Louvre, aus dem Grünen Gewölbe in Dresden, aus der Wiener Albertina – aus hochgelobten Museumshäusern also, die mit Augsburg gerne zusammenarbeiten.
Für die Stadt ist diese Ausstellung weit mehr als „nur“ein Museumsprojekt. Sie ist die erste groß angelegte Aktion, die Augsburgs Bewerbung um den Welterbe-Titel begleitet. Zwar gibt es mit den Wassertagen – Führungen durch Wasserwerke und Co. – bereits Angebote. Die Frage, was die historische Wasserkunst weltweit so interessant macht, kann dadurch aber nur punktuell beantwortet werden. Die Wasserausstellung will den großen Bogen spannen und für Besucher mitten in der Stadt erlebbar machen, worum es geht. Insofern sind damit hohe Erwartungen verbunden. Es ist auch höchste Zeit, das Welterbe-Thema unter die Leute zu bringen.
Eine Bewerbung, die von großen Teilen der Gesellschaft unterstützt wird, kommt bei der Unesco erfahrungsgemäß besser an. Und auch in der Stadt kann ein solches Projekt nur für Aufbruchsstimmung sorgen. Spürbar war dies vor 15 Jahren, als Augsburg europäische Kulturhauptstadt werden wollte. Damals wurde Bürgerbeteiligung von Anfang an groß geschrieben. Vereine und Initiativen stimmten ihre Aktionen auf die Bewerbung ab, Höhepunkt war die Kulturpalette auf dem Rathausplatz – ein überdimensionales Podium aus Euro-Paletten, das den Augsburgern wochenlang als Treff und Bühne diente. Verglichen damit kann die Welterbe-Bewerbung durchaus noch Schwung vertragen!
Das Maximilianmuseum verzahnt mit seiner neuen Ausstellung mehrere Themen – Kunsthistorik, Geschichte, Technik und Völkerkunde spielen eine Rolle. Wasser ist ein dankbares „Ausstellungsobjekt“, weil es viele Bereiche des täglichen Lebens betrifft. Die Ausstellungsmacher mussten sich aber auch einer Herausforderung stellen, die eine immer größere Rolle spielen wird: Es reicht heutzutage nicht mehr aus, schöne Objekte in Vitrinen zu stellen. Wer die Besucher erreichen will, muss sie emotional ansprechen. Das ist nicht einfach. Augsburg will sich diesen Anforderungen stellen, derzeit wird ein Museumsentwicklungskonzept erarbeitet. Was sperrig klingt, ist leicht erklärt: Es geht um die Frage, was die Museen bieten müssen, um (mehr) Menschen anzusprechen. Es geht auch um die Frage, auf welche Themen man sich konzentrieren sollte. Dass die einstige römische Provinzhauptstadt diesen Teil ihrer Geschichte seit Jahren in einem Provisorium präsentiert, darf nicht sein. Für diese Erkenntnis bräuchte es kein Konzept. Dennoch könnte es die Legitimation liefern für eine Entscheidung, für die den Politikern bislang der Mut fehlte: den Neubau eines weiteren Ausstellungshauses neben der Dominikanerkirche.
Kommen wir am Ende noch einmal zu den Besucherzahlen. Es gab Projekte, da reichte Augsburg an Ausstellungen renommierter großer deutscher Museen heran – auch qualitativ. Mit den Bronzen von Adriaen de Vries (1999) oder der Ausstellung Zarensilber (2008) erreichten die Kunstsammlungen bis zu 90000 Besucher. Die Regio Augsburg sprach mit ihren Projekten der Klassischen Moderne bis zu 100000 Menschen an. Das Bedürfnis nach solchen Angeboten ist also da. Wie schön wäre es deshalb, wenn man in Augsburg wieder anders über die Kunst nachdenken würde. Denn sie kostet nicht nur, sie „liefert“auch: Museen, die gutes Programm machen (können), haben einen ähnlich hohen Werbeeffekt wie ein Bundesliga-Verein...