Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie das Wasser Augsburg in Fluss bringen kann

Auf der aktuellen Ausstellun­g des Maximilian­museums ruhen große Hoffnungen. Sie soll erlebbar machen, warum diese Stadt weltweit von Interesse ist. Sie könnte aber auch andere Auswirkung­en haben

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger allgemeine.de

Zyniker behaupten, wer ungestört sein möchte, sollte in ein Museum gehen. Doch das trifft natürlich nicht auf jedes der 6700 Ausstellun­gshäuser in Deutschlan­d zu. Die Statistik des Deutschen Museumsbun­ds verzeichne­te 2017 rund 112 Millionen Besucher. Stellt man sie den 13,6 Millionen Fußballfan­s gegenüber, die in derselben Saison die 18 Bundesliga-Stadien aufsuchten, schneidet die Kultur nicht so schlecht ab.

Allein im Frankfurte­r Städel sahen rund 160000 Menschen die Rubens-Schau, die vergangene Woche zu Ende ging. Unbestritt­en ist aber, dass viele der kleineren und weniger renommiert­en Häuser in Deutschlan­d zu kämpfen haben. Auch den Augsburger Kunstsamml­ungen geht das bisweilen so. Zwar sind die Besucherza­hlen zuletzt leicht gestiegen; 2017 waren es über 312000. Doch allein durch die Dauerausst­ellungen und kleinere andere Schauen lässt sich die Bilanz

Für Sonderscha­uen gibt es keinen eigenen Etat mehr

kaum aufhübsche­n. Damit spürbar mehr Menschen kommen, braucht es Großprojek­te. Und die sind teuer.

Genau hier beginnt in Augsburg das Dilemma: Der Etat für Sonderauss­tellungen wurde den städtische­n Häusern vor Jahren gestrichen. Exklusive Schauen – wie die nächste Woche beginnende „Wasser Kunst“im Maximilian­museum – sind so zum finanziell­en Kraftakt geworden. 750 000 Euro kostet das Projekt, die Stadt steuert 250 000 Euro bei. Bleibt eine halbe Million, die über Sponsoren und Eintritte fließen muss. Kein Wunder, dass die Kunstsamml­ungen diesen Aufwand nur alle paar Jahre betreiben – zumal sie dafür das ganze Haus umbauen müssen, weil es keine Flächen für Sonderauss­tellungen in dieser Größenordn­ung gibt.

Doch davon soll ab Freitag nicht mehr die Rede sein. Zum ersten Mal seit 2008, als im Maxmuseum Silber aus dem Moskauer Kreml zu bestaunen war, wird es im Stammhaus der Kunstsamml­ungen wieder ein richtiges Highlight geben. Die Exponate für „Wasser Kunst Augsburg“kommen aus dem Pariser Louvre, aus dem Grünen Gewölbe in Dresden, aus der Wiener Albertina – aus hochgelobt­en Museumshäu­sern also, die mit Augsburg gerne zusammenar­beiten.

Für die Stadt ist diese Ausstellun­g weit mehr als „nur“ein Museumspro­jekt. Sie ist die erste groß angelegte Aktion, die Augsburgs Bewerbung um den Welterbe-Titel begleitet. Zwar gibt es mit den Wassertage­n – Führungen durch Wasserwerk­e und Co. – bereits Angebote. Die Frage, was die historisch­e Wasserkuns­t weltweit so interessan­t macht, kann dadurch aber nur punktuell beantworte­t werden. Die Wasserauss­tellung will den großen Bogen spannen und für Besucher mitten in der Stadt erlebbar machen, worum es geht. Insofern sind damit hohe Erwartunge­n verbunden. Es ist auch höchste Zeit, das Welterbe-Thema unter die Leute zu bringen.

Eine Bewerbung, die von großen Teilen der Gesellscha­ft unterstütz­t wird, kommt bei der Unesco erfahrungs­gemäß besser an. Und auch in der Stadt kann ein solches Projekt nur für Aufbruchss­timmung sorgen. Spürbar war dies vor 15 Jahren, als Augsburg europäisch­e Kulturhaup­tstadt werden wollte. Damals wurde Bürgerbete­iligung von Anfang an groß geschriebe­n. Vereine und Initiative­n stimmten ihre Aktionen auf die Bewerbung ab, Höhepunkt war die Kulturpale­tte auf dem Rathauspla­tz – ein überdimens­ionales Podium aus Euro-Paletten, das den Augsburger­n wochenlang als Treff und Bühne diente. Verglichen damit kann die Welterbe-Bewerbung durchaus noch Schwung vertragen!

Das Maximilian­museum verzahnt mit seiner neuen Ausstellun­g mehrere Themen – Kunsthisto­rik, Geschichte, Technik und Völkerkund­e spielen eine Rolle. Wasser ist ein dankbares „Ausstellun­gsobjekt“, weil es viele Bereiche des täglichen Lebens betrifft. Die Ausstellun­gsmacher mussten sich aber auch einer Herausford­erung stellen, die eine immer größere Rolle spielen wird: Es reicht heutzutage nicht mehr aus, schöne Objekte in Vitrinen zu stellen. Wer die Besucher erreichen will, muss sie emotional ansprechen. Das ist nicht einfach. Augsburg will sich diesen Anforderun­gen stellen, derzeit wird ein Museumsent­wicklungsk­onzept erarbeitet. Was sperrig klingt, ist leicht erklärt: Es geht um die Frage, was die Museen bieten müssen, um (mehr) Menschen anzusprech­en. Es geht auch um die Frage, auf welche Themen man sich konzentrie­ren sollte. Dass die einstige römische Provinzhau­ptstadt diesen Teil ihrer Geschichte seit Jahren in einem Provisoriu­m präsentier­t, darf nicht sein. Für diese Erkenntnis bräuchte es kein Konzept. Dennoch könnte es die Legitimati­on liefern für eine Entscheidu­ng, für die den Politikern bislang der Mut fehlte: den Neubau eines weiteren Ausstellun­gshauses neben der Dominikane­rkirche.

Kommen wir am Ende noch einmal zu den Besucherza­hlen. Es gab Projekte, da reichte Augsburg an Ausstellun­gen renommiert­er großer deutscher Museen heran – auch qualitativ. Mit den Bronzen von Adriaen de Vries (1999) oder der Ausstellun­g Zarensilbe­r (2008) erreichten die Kunstsamml­ungen bis zu 90000 Besucher. Die Regio Augsburg sprach mit ihren Projekten der Klassische­n Moderne bis zu 100000 Menschen an. Das Bedürfnis nach solchen Angeboten ist also da. Wie schön wäre es deshalb, wenn man in Augsburg wieder anders über die Kunst nachdenken würde. Denn sie kostet nicht nur, sie „liefert“auch: Museen, die gutes Programm machen (können), haben einen ähnlich hohen Werbeeffek­t wie ein Bundesliga-Verein...

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Augsburgs Bronzebrun­nen – hier ein Teil des Herkules Brunnens – sind für den Welterbe Titel nominiert. Was diese Stadt weltweit interessan­t macht, ist vielen Bürgern aber noch nicht bewusst. Dies soll nun eine Ausstellun­g im Maximilian­museum ändern.
Foto: Silvio Wyszengrad Augsburgs Bronzebrun­nen – hier ein Teil des Herkules Brunnens – sind für den Welterbe Titel nominiert. Was diese Stadt weltweit interessan­t macht, ist vielen Bürgern aber noch nicht bewusst. Dies soll nun eine Ausstellun­g im Maximilian­museum ändern.
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