Augsburger Allgemeine (Land West)

„Mitten im Schönen“wird’s eng

Neusäß wird 30 Jahre alt und ist ungebroche­n beliebt als Wohnort. Wie die Stadt auf diesen Druck reagiert und warum die Uniklinik das Thema der Zukunft ist

- VON REGINE KAHL

Neusäß Bloß kein Stadtteil Augsburgs werden. In diesem Ziel waren sich die Bewohner der Neusässer Ortsteile in den 70-er Jahren einig, als es um die Gebietsref­orm ging. Aber der Weg zu einer Großgemein­de Neusäß war steinig: Acht Dörfer wurden erst nach langen Debatten zu einer Einheit. In diesem Jahr feiert die Stadt vor den Toren Augsburgs ihren 30. Geburtstag.

Rund 22 000 Einwohner leben in Neusäß. Vier Orte sind links des kleinen Flusses Schmutter angesiedel­t, vier rechts. Neusäß ist seit Jahren ein begehrter Wohnort. Wegen der Nähe zur Großstadt Augsburg, zum Schmuttert­al und den Westlichen Wäldern ist die Nachfrage nach Häusern und Wohnungen größer als das Angebot. „Mitten im Schönen“, dieses Motto hat der Stadtrat für Neusäß vor Jahren gewählt. Gerade die Straßen rund um den Kobel gelten als Top-Lagen, bisher prägten Einfamilie­nhäuser das Bild. Doch das ändert sich. Stehen Grundstück­e zur Bebauung an, gehen bei der Stadt immer häufiger Anträge für Mehrfamili­enhäuser ein. Die Rede ist bereits von einer Goldgräber­stimmung, die in Neusäß ausgebroch­en ist.

Verglichen mit anderen Kommunen ist die finanziell­e Lage im Speckgürte­l der Stadt Augsburg komfortabe­l. Die Einkommens­teuer ist die wichtigste Einnahmenq­uelle. Wie die neue Sozialraum­analyse ergeben hat, ist der Verdienst vieler Neusässer sehr gut. Fast 5000 Euro netto stehen im Schnitt einem Haushalt im Monat zur Verfügung. Damit liegt Neusäß um 700 Euro über dem Landkreiss­chnitt und fast 900 Euro über dem bayerische­n Durchschni­tt. Auffällig ist die Altersstru­ktur: Es gibt im Vergleich zu anderen Gemeinden im Landkreis Augsburg weniger Haushalte mit Kindern, nämlich 27,7 Prozent (Beispiel Ellgau 51,3 Prozent). Dafür leben in Neusäß überdurchs­chnittlich viele Senioren.

Wegen der guten finanziell­en Haushaltsl­age konnte die Stadt der Reihe nach die Schulen sanieren und die Kinderbetr­euung durch Neuund Anbauten erweitern. Für die Musikverei­ne und die Jugend wurde ein modernes und großes Haus ge- von dem andere nur träumen können. Da der Stadt aber ein sofort erkennbare­s Zentrum mit Aufenthalt­squalität fehlt, ist die Umgestaltu­ng der Stadtmitte seit vielen Jahren ein Wunsch auf dem Papier. Die dafür nötigen Grundstück­e im Umfeld von Rathaus und Stadthalle gehören nicht der Stadt. So geht es hier nur langsam voran.

Bekannt ist Neusäß vielen als Schulstadt. Viele Kinder und Jugendlich­e aus dem Großraum Augsburg gehen hier zum Unterricht. Neben Grundschul­en, Mittelschu­le, Realschule und Gymnasium gibt es das große vom Landkreis neu erbaute staatliche Berufliche Schulzentr­um mit mehreren Fachrichtu­ngen. Die Nähe zur Autobahn, zwei Bahnhöfe und die Bundesstra­ße sorgen für eine gute Verkehrsan­bindung. Kritik besonders von El- gibt es allerdings seit Längerem am in einer Kurve liegendem Neusässer Bahnhof, der nicht barrierefr­ei ist und vor allem für die Kinder als gefährlich gilt. Die Bahn hat den seit langem geforderte­n Umbau bisher abgelehnt, weil erst klar sein müsse, ob das dritte Gleis kommen wird. Aktueller ist die Diskussion über eine Verlängeru­ng der Straßenbah­n bis nach Neusäß. Der Stadtrat hat sich dafür ausgesproc­hen, eine Trasse bis zur Westheimer Straße prüfen zu lassen. In unmittelba­rer Nähe entsteht ein großes neues Wohngebiet mitten im Zentrum. Auf dem ehemaligen Saibaut, ler-Areal werden rund 280 Wohnungen gebaut.

Also heile Welt? Natürlich nicht. Enorm unter Druck standen der neu gewählte Stadtrat und Bürgermeis­ter Richard Greiner (CSU) vor ein paar Jahren bei der Krise rund ums Titania-Bad mit dem Legionelle­nbefall und der Trennung von dem Betreiber. Die Stadt nahm das Heft in die Hand und führt bis heute die Therme. Bürgermeis­ter Greiner spricht von einer „Herkulesau­fgabe“, das Bad wieder auf Kurs zu bringen. Die Zahlen geben ihm recht: Auch in den Winter- und Frühjahrsm­onaten dieses Jahres kamen wieder mehr Gäste als erwartet. Mitte Juli soll das Saunahaus im Freien eröffnet werden, für das 1,5 Millionen Euro investiert wurden.

Ein anderes Thema hat sich seit einiger Zeit ganz nach oben geschotern­seite ben: Der Bau der Uniklinik in unmittelba­rer Nachbarsch­aft. Die Nachfrage nach Wohnraum wird dadurch noch mehr steigen. Einigkeit herrscht im Stadtrat, dass man weiterhin nur behutsam neue Wohngebiet­e schaffen will. Erst sollen Lücken und Ortsränder bebaut werden. Im Vergleich zur Nachbarsta­dt Gersthofen will Neusäß behutsamer wachsen. Trotz der Uniklinik vor der Haustür die eigenen Interessen beim Thema Wohnen und Verkehr zu behaupten – das wird die nächste Herkulesau­fgabe sein.

O

Fest Anders als das 25. Jubiläum soll der 30. Geburtstag in diesem Jahr klein gefeiert werden. Am Sonntag hat sich die Stadt mit einem Festakt bei ihren eh renamtlich engagierte­n Bürgern bedankt. Vertreter aller 140 Neusässer Vereine waren eingeladen.

Kritik am gefährlich­en Bahnhof

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Vor den Toren der Großstadt Augsburg und nahe am Grünen: In Neusäß wollen viele Menschen wohnen. Ein neues Angebot entsteht gerade in der Stadtmitte auf einem Areal mit Mehrfamili­enhäusern. Die Kräne der Großbauste­lle sind schon von Weitem zu sehen.
Foto: Marcus Merk Vor den Toren der Großstadt Augsburg und nahe am Grünen: In Neusäß wollen viele Menschen wohnen. Ein neues Angebot entsteht gerade in der Stadtmitte auf einem Areal mit Mehrfamili­enhäusern. Die Kräne der Großbauste­lle sind schon von Weitem zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany