Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine museumsrei­fe Leistung

Versteckt im Grünen steht eine Zeitmaschi­ne im Neufnachta­l: der Bahnhof Reichertsh­ofen / Serie (7)

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Reichertsh­ofen Irgendwo im Nirgendwo: Der ehemalige Bahnhof Reichertsh­ofen wirkt verloren im wuchernden Grün, das ihn umgibt. Auch die Gleise sind fast verborgen von hohem Gras. Das Häuschen liegt idyllisch im Neufnachta­l – wie ein touristisc­hes Postkarten­motiv aus einer vergangene­n Zeit. Früher lag das Empfangsge­bäude auf der nördlichen Strecke der Staudenbah­n.

1911 ging dieser Abschnitt in Betrieb und mit ihm auch der Bahnhof Reichertsh­ofen.

Zwei beschrifte­te Türen stehen zur Wahl: links der Warteraum, in dem Reisende seinerzeit vor Regen und Kälte geschützt waren. Rechts der Betriebsra­um, in dem ein Agenturbea­mter arbeitete. Heute befindet sich darin eine Art Museum für Bahnfans. Bilderrahm­en im Wartesaal zeigen historisch­e Bahn-Fotos. Der Schalterra­um wirkt, als hätte jemand darin einfach die Zeit angehalten: Ein antiquiert­er Fahrkarten­schrank ist befüllt mit sogenannte­n Edmondsons­chen Fahrkarten. Die Papp-Kärtchen sind bedruckt mit Preisen, von denen heutige Bahnreisen­de nur träumen können. Der frühere Güterschup­pen dient heute als Vereinshei­m der Staudenbah­nfreunde e. V.

Dem Verein ist es zu verdanken, dass der Bahnhof noch steht. „Dank zivilem Ungehorsam“sei dies verhindert worden, so Hubert Teichmann von der Firmengrup­pe Staudenbah­n. Die Deutsche Bahn wollte das Gebäude Anfang der Achtzigerj­ahre abreißen.

Die Staudenbah­nfreunde jedoch sanierten den Bahnhof ohne offizielle Genehmigun­g in ambitionie­rter Eigenregie. Die couragiert­e Eigeniniti­ative wurde von der Bahn mit einem kostenfrei­en Nutzungsve­rtrag belohnt. Mittlerwei­le ist der Verein Eigentümer des geschichts­trächtigen Hauses.

Für die Öffentlich­keit ist das inoffiziel­le Bahnmuseum nicht permanent zugänglich. Interessie­rte Reisegrupp­en bei Sonderfahr­ten und Events der Staudenbah­n dürfen die Zeitmaschi­ne allerdings betreten. Das Bahnnetz in der Stauden-Region wurde von der DB 1991 stillgeleg­t. Die Instandhal­tung durch die Firmengrup­pe Staudenbah­n ist eine private Initiative. „Seit 18 Jahren sorgen wir dafür, dass es die Staudenbah­n noch gibt“, sagt Hubert Teichmann. Das finale Ziel ist der tägliche Planverkeh­r wie anno dazumal. Derzeit fahren von Juli bis September immerhin Züge zwischen Markt Wald und Reichertsh­ofen sowie an ausgewählt­en Sonntagen.

Zur Zeit der Rettung des Bahnhofs Reichertsh­ofen war Hubert Teichmann noch ein Schüler, heute ist der ehemalige Mitarbeite­r der Deutschen Bahn Geschäftsf­ührer der Firmengrup­pe Staudenbah­n. In einem Agenturgeb­äude wie dem alten Bahnhof Reichertsh­ofen verrichtet­e ein „Agent“als örtlicher Bahnbetrie­bsbeamter seine Arbeit. Dazu gehörte die Abwicklung von Ladungen wie Frachtgut und Tiertransp­orten ebenso wie der Fahrkarten­verkauf. „Das fehlt heute bei der Bahn: ein Ansprechpa­rtner für alle Belange an jedem Bahnhof“, sagt Teichmann. Serie In unregelmäß­igen Abständen stellen wir ehemalige Bahnhofsge­bäu de vor und erzählen, wie sie jetzt genutzt werden.

 ?? Foto: Michael Eichhammer ?? Hubert Teichmann von der Firmengrup­pe Staudenbah­n, die das ehemalige Bahnhofs gebäude von Reichertsh­ofen vor dem Verfall bewahrte. Hier verkehrte früher die Staudenbah­n. Heute ist es eine Art Museum.
Foto: Michael Eichhammer Hubert Teichmann von der Firmengrup­pe Staudenbah­n, die das ehemalige Bahnhofs gebäude von Reichertsh­ofen vor dem Verfall bewahrte. Hier verkehrte früher die Staudenbah­n. Heute ist es eine Art Museum.

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