Augsburger Allgemeine (Land West)
Tausche Ronaldo gegen Neymar
Die bekannten Panini-Bilder stehen vor allem bei Kindern hoch im Kurs. Doch das Sammeln geht ins Geld. Drei Jungs erzählen von ihrer Leidenschaft und Augsburger Händler sagen, wie gut sie daran verdienen
Für die Zweitklässler Daniele, Lennart und Lukas aus Hochzoll übersteigen die Transfersummen, die für Fußballprofis wie Ronaldo oder Neymar gezahlt werden, gänzlich ihre Vorstellungskraft. Wenn die drei Fußballmanager spielen, geht es daher nicht um dreistellige Millionenbeträge, sondern um ganz andere Werte. Wer Daniele Ronaldo abnehmen will, muss mindestens drei andere Spieler dafür bieten. Und weil Lukas sehnsüchtig Paul Pogba haben möchte, bekommt er ihn von Kumpel Lennart auch schon mal im Tausch gegen Schokolade aus der Brotzeitbox. Die drei Jungs sammeln und tauschen derzeit – passend zur am 14. Juni startenden WM – die bekannten Panini-Fußball-Bilder.
„Das macht voll Spaß“, erzählt Daniele. „Auch wenn wir mal streiten, weil wir uns nicht einig werden oder jemand einen Aufkleber zurückhaben will“, ergänzt er. Auch Lennart und Lukas sind mit Feuereifer dabei. Ihnen geht es, wie Tausenden anderen Jungs – und auch Erwachsenen. Doch so schön es ist, dass die Sammelleidenschaft die drei Hochzoller Jungs noch enger zusammenschweißt, am Ende geht es doch wieder ums Geld. Denn die Sticker sind nicht gerade billig. Eine Packung mit fünf Aufklebern kostet
90 Cent. Insgesamt passen 682 Sticker in das zugehörige Album. Erst dann ist der Panini-Traum wahr geworden. Mathematikprofessor Paul Harper von der Universität in Cardiff hat ausgerechnet, dass ein Sammler im Schnitt, wenn er keine Karten tauscht oder extra bestellt,
4832 Aufkleber braucht, damit er die 682 Plätze im Album füllen kann. Das kostet den Fan im Schnitt
870,30 Euro. Selbst in Tauschgruppen organisierte Sammler geben laut Harper durchschnittlich 282,27 aus, ehe sie am Ziel sind.
Geld, das Kinder wie Lennart, Daniele und Lukas kaum aufbringen können. Trotzdem geht Daniele nach eigenen Angaben fast täglich zum Lotto-Laden in der Nähe und investiert je 90 Cent. Geld dafür bekommt er immer mal wieder vom Opa. Lennart sagt: „Ich habe Glück und kriege manchmal Geld von Mama, wovon ich Fußballsticker kaufen kann.“Lukas dagegen opfert sein Taschengeld, um an die begehrten Karten zu kommen, und gibt heimlich auch mal mehr dafür aus, als Mama und Papa lieb ist. Denn die meisten Eltern sind ob der Sammelleidenschaft ihres Nachwuchses hin und her gerissen. Das weiß auch die Mama von Daniele: „An sich ist es schön zu sehen, welchen Spaß die Jungs dabei haben. Aber dieser Spaß ist auch ganz schön teuer“, erzählt Marilena Wagner und ergänzt: „Nach der anfänglichen Euphorie liegt das Album am Ende nämlich doch wieder unbeachtet in der Ecke.“
Diese Erfahrung hat auch Sami Baydar gemacht. Er hat in der Curtiusstraße in Lechhausen einen Lottoladen. Rund 200 Päckchen verkauft er pro Woche an Kinder aus der Nachbarschaft. Bis zu 20 Euro pro Einkauf investiert mancher kleiner Kunde, erzählt er. Dann aber greift Baydar ein. „Ich spreche dann die Eltern an, ob sie davon wissen, oder vereinbare mit ihnen ein Limit, das die Kinder beim Kauf nicht überschreiten dürfen“, sagt er. Den Kleinen fehle das Bewusstsein dafür, mit ihrem Geld verantwortungsvoll umzugehen. Das wolle er nicht ausnutzen. „Natürlich freut es mich, wenn ich Umsatz mache. Aber der Mensch geht immer noch vor dem Profit“, so Baydar. Darum hilft er den Kindern auch kostenlos beim Tauschen der Aufkleber. „Es ist ja auch so, dass ich zwar einen ganz guten Umsatz mit den PaniniBildern mache. Aber mehr verdient ist mit anderen Produkten“, beschreibt er.
Ein Argument, das auch der Augsburger Online-Buchhändler Buecher.de in den Ring wirft. Zwar sei die große Sammelbox mit 100 Tüten – Buecher.de bietet keine einzelnen Päckchen, sondern nur Blisterpacks mit 50 oder 60 Bildern und die Sammelbox an – anfangs vergriffen gewesen und jetzt ein Bestseller, aber trotzdem sei Panini nur ein Teil des großen Ganzen. „Das ist nicht unser Hauptgeschäft. Dazu sind die Margen nicht besonders groß. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir generell versandkostenfrei liefern“, so Günter Hilger, Geschäftsführer des Unternehmens. Mit dem Angebot verfolge man eine andere Intention: „Das Angebot gibt uns die Möglichkeit, über die Sticker zusätzlich auf unser Kernsortiment Buch aufmerksam zu machen. In diesem Fall stehen bei uns das Vermitteln eines positiven Einkaufserlebnisses und die Kundenbindung im Vordergrund“, so Hilger weiter.
Unter diesem Aspekt bieten auch viele andere von uns befragte Augsburger Händler die Panini-Sticker an. Sie zögen Kunden in den Laden, aber seien nicht die Umsatzbringer, für die sie viele halten, erzählen sie. Auch der um 50 Prozent gestiegene Preis – zur WM 2014 wurden die Panini-Packungen noch für 60 Cent angeboten – seien ein Grund dafür, dass die Nachfrage, der Umsatz und damit auch die Begeisterung der Händler für die Bildchen sinke. Profiteur sei in erster Linie Panini selbst, heißt es.
Aspekte, mit denen sich Daniele, Lennart und Lukas nicht groß beschäftigen. Sie wollen einfach nur Spaß beim Sammeln und Tauschen haben. Und wenn es ganz gut läuft, möglichst viele der deutschen Spieler ergattern. Denn die holen schließlich bei der Weltmeisterschaft den Titel – darin sind sich die Jungs einig, während sie um eine Glitzerkarte streiten.