Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn säumige Zahler ohne Strom leben müssen
Die Stadtwerke Augsburg stellen jedes Jahr über 2000 Kunden wegen unbezahlter Rechnungen den Strom ab. Eine Betroffene berichtet, wie ihr Alltag zusammenbrach
„Es war ein Schock, als ich nach Hause kam und der Strom weg war“, sagt Rosita R. aus Augsburg über den Beginn der zwei schwierigen Wochen im vergangenen November und Dezember. Da sie ihre Rechnungen nicht bezahlt hatte, sperrten die Stadtwerke Augsburg ihr den Anschluss – so wie bei über
2000 säumigen Zahlern in jedem Jahr. Rosita R. befand sich in einer Notlage: „Meine Mutter war krank und brauchte Pflege, mein Auto ging kaputt, ich musste Schulden zurückzahlen – es ist einfach alles ineinandergefallen“, berichtet die
34-Jährige. Die Stromrechnung sei zu diesem Zeitpunkt nicht das Wichtigste gewesen, sodass sie dieses Problem aus den Augen verloren habe. Bis der Strom auf einmal weg war.
Kein Licht, kein warmes Wasser, kein Herd zum Kochen: „Der ganze Alltag war nicht mehr möglich – man merkt erst ohne Strom, wie viel davon abhängt“, sagt die Augsburgerin über diese zwei Wochen. Das habe schon damit angefangen, dass sie nicht ihr Handy aufladen oder sich die Haare föhnen konnte. Dramatisch sei es aber durch ihre Fußbodenheizung geworden, die nicht mehr funktioniert habe. Und das im Winter.
„Eine Woche habe ich es in der Wohnung ausgehalten, viele Kerzen angezündet und gelesen – dann wurde es mir zu kalt“, berichtet R. In der zweiten Woche sei sie zu ihrer Mutter gezogen, bis sie sich Geld von einem Bekannten leihen und damit ihre Stromrechnung bezahlen konnte.
Unterstützung fand die 34-Jährige auch bei der Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas in Augsburg, die sich jedes Jahr um viele Betroffene kümmert. Regina Hinterleuthner von der rechtlichen Betreuung sagt: „Geringverdiener, Rentner, Auszubildende und Studenten sind aufgrund ihrer Einkommenssituation vielfach betroffen.“Es könne nichts angespart werden und größere Anschaffungen ließen sich nur über Raten finanzieren. Wenn dann Krisen dazukämen oder Gläubiger Druck machten, werde es kritisch. „Es kommt auch vor, dass die Betroffenen den Überblick verlieren und dann den Kopf in den Sand stecken“, sagt Hinterleuthner. Bei der Beratung zeige sich, dass Menschen unter anderem wegen ihres hohen Alters, psychischer Probleme oder Suchtkrankheiten wie gelähmt seien. Wenn dann der Strom abgestellt werde, sei auch noch die Wohnung regelrecht unbewohnbar. „Das ist schon alles sehr heftig und löst schwere persönliche Krisen aus.“
Die Caritas hilft Betroffenen, die Rechtmäßigkeit der Sperre zu prüfen und Wege zu finden, die Rech- nung doch zu bezahlen. Die Stadtwerke seien dabei sehr kooperativ, was auch Rosita R. als Betroffene bestätigt. Stadtwerke-Sprecher Jürgen Fergg sagt: „Uns ist sehr wichtig, mit den Betroffenen und Sozialbehörden schnelle Lösungen zu finden.“Es müsse der Spagat zwischen Härte gegen säumige Zahler und Hilfestellungen für Menschen in Notlagen geschafft werden. Dafür sei es wichtig, die Situation der Betroffenen zu verstehen.
Manche ließen es bewusst immer wieder auf eine Sperrung ankommen, viele andere befänden sich aber in einer Notsituation. „Wenn Menschen ihre Rechnung nicht bezahlen, ist das ein Hilfeschrei in einer schwierigen Lage, der von den Stromversorgern wahrgenommen wird“, sagt Fergg. Diese Menschen sollten sich unbedingt bei den Stadtwerken melden, damit ihnen Angebote wie eine Ratenzahlung gemacht werden könnten.
Der Ablauf einer Sperrung des Stromanschlusses ist gesetzlich geregelt: Wenn ein Kunde die Rechnung nicht bezahlt, erhält er nach vier Wochen eine Mahnung. Weitere vier Wochen später kann der Strom abgestellt werden, was zuvor schriftlich angekündigt werden muss.
Die Stadtwerke Augsburg verschicken jedes Jahr rund 10000 solcher Sperrandrohungen. Viele Kunden zahlen dann. Zwischen 2000 und 2600 Anschlüsse jährlich werden tatsächlich gesperrt – nicht nur von Privathaushalten, sondern auch von Firmen. „Die meisten Sperren dauern aber nur zwei Tage oder kürzer“, betont Fergg. Von der Caritas heißt es: „Eine Energiesperre zu verhindern, ist leichter zu bewerkstelligen, als einen gesperrten Anschluss wieder freizuschalten.“Es fallen für Sperrung und Entsperrung schließlich rund 100 Euro Gebühren an.
Wie lässt sich bei finanziellen Problemen vermeiden, dass der Strom abgestellt wird? Die Stadtwerke empfehlen Prepaid-Systeme, bei denen Kunden Guthaben aufladen und damit die Übersicht über die Kosten behalten. Außerdem könnten Energieberatungen beim Sparen helfen. Rosita R. sagt: „Es ist wichtig, die Stromrechnung auch bei Schicksalsschlägen nicht aus den Augen zu verlieren.“Sie möchte nie wieder in die Situation kommen, ohne Strom leben zu müssen.
Helfer: Am besten die Sperre verhindern