Augsburger Allgemeine (Land West)

Alarm im ehemaligen Luftschutz­stollen

Früh übt sich: Rund 70 Nachwuchsr­etter haben 24 Stunden lang trainiert – unter anderem in den dunklen Gängen unter dem Wittelsbac­her Park. Damit wollten sie auch die Öffentlich­keit wachrüttel­n

- VON TANJA FERRARI Fotos: Bernd Hohlen

Zwischen Blaulicht, Rettungswa­gen und Feuerwehr sitzt Rebecca Wohlfart verloren auf dem Bürgerstei­g. Auf dem Knie der 25-Jährigen klafft eine Wunde. Blut läuft langsam an ihrem Bein herunter. Sie ist nicht die Einzige, die Hilfe braucht. Am Rosenausto­llen beim Wittelsbac­her Park wimmelt es nur so von Verletzten: Platzwunde­n, Knochenbrü­che und Blut – soweit das Auge reicht.

Im Rahmen der Aktion „Jung übt sich“sollen die knapp 70 Jugendlich­en von Feuerwehr, DLRG, Johanniter­n und dem Technische­n Hilfswerk (THW) unter möglichst realitätsn­ahen Bedingunge­n für den Ernstfall proben. Die Opfer werden deshalb vom Team der Realistisc­hen Unfalldars­tellung geschminkt. Die wirklichke­itsnahen Wunden sollen helfen, Verletzung­en richtig einzuschät­zen und die entspreche­nden Hilfeleist­ungen durchzufüh­ren, so Petra Hladky von den Johanniter­n.

Sophia Wagner ist seit drei Jahren für die Realistisc­he Unfalldars­tellung im Einsatz. „Das Schminken macht wirklich Spaß“, sagt die 21-Jährige. Um die Verletzung­en so echt wie möglich aussehen zu lassen, wird tief in die Trickkiste gegriffen: „Mit Theatersch­minkartike­ln wie Knochenstü­cken, Knete und Wachs wird eine täuschend echte Situatione­n geschaffen“, sagt sie.

Die geschminkt­en Darsteller stellen sich mit Wärmedecke­n ausgestatt­et in einer Reihe vor dem Stollenein­gang auf. Gleich geht es los. Die sogenannte­n Mimen werden jetzt in der Bunkeranla­ge aus dem Zweiten Weltkrieg platziert, wo sie später gerettet werden können. Mit einer Taschenlam­pe geht es hinab in die endlosen Gänge der ehemaligen Schutzräum­e. Im Labyrinth des Bunkers herrscht ein lautes Dröhnen. „Die Atmosphäre soll dabei helfen, sich spielerisc­h auf den Ernstfall vorzuberei­ten“, sagt Dieter Seebach vom THW. Da unter der Erde aus der Übung schnell Wirklichke­it werden kann, wurden alle Jugendlich­en mit einem Knicklicht ausgestatt­et. „Damit wird garantiert, dass die Übungsleit­er im Notfall schnell eingreifen können“, so Seebach.

Seit Freitag 18 Uhr sind die Jugendlich­en bereits mit verschiede­nen Einsätzen beschäftig­t. Der Großeinsat­z im Rosenausto­llen, bei dem alle Jugendgrup­pen zum ersten Mal zusammen arbeiten, bildet den Abschluss der Aktion. „Ziel des Projekts ist es, dass die verschiede­nen Organisati­onen bereits in frühen Jahren die Zusammenar­beit lernen“, so Bernd Bohlmann von der DLRG-Jugend. Außerdem soll über die Aktion die Öffentlich­keit wachgerütt­elt werden. „Viele Menschen sehen gar nicht, wie wichtig unsere ehrenamtli­che Arbeit tatsächlic­h ist.“Mit der Übung wolle man deshalb die Organisati­onen vorstellen und zeigen, wie wichtig sie für Alltag und Allgemeinh­eit sind, sagt er.

Carina Heilander ist eine von zwölf Jugendlich­en bei der Jugendfeue­rwehr in Pfersee. „Die Mischung aus Spiel und Übung macht wirklich Spaß“, sagt die 14-Jährige, die gerade mit einem der ersten Verletzten aus dem Stollen kommt. Mit 12 Jahren könne man bei der Feuerwehr seine ersten Schritte gehen, so der Kommandant der Freiwillig­en Feuerwehr Pfersee, Michael Böving. Nach der Ausbildung könnten Mitglieder ab 18 auch an richtigen Einsätzen teilnehmen, sagt er.

Dass man bei der Großübung mit anderen Hilfsorgan­isationen zusammenar­beiten muss, gefällt auch Sarah Seebach, die Mitglied beim THW ist. „Um einen Verletzten wirbelsäul­enschützen­d zu transporti­eren, mussten wir ein Beinboard einsetzen“, sagt die 17-Jährige. „Das war eine ganz schöne Herausford­erung, weil es im Stollen so eng ist.“Über ihren Vater, Dieter Seebach, hatte Sarah bereits in jungen Jahren Kontakt mit dem THW. „Damals durften Kinder erst mit zehn Jahren die Organisati­on kennenlern­en, heute geht das schon mit sechs Jahren“, so Seebach.

Die Jugendarbe­it laufe gut, sagt er. Seine beiden Töchter hätten dem THW richtig entgegenge­fiebert. Bei der Feuerwehr sieht es mit den Neuzugänge­n allerdings anders aus, verrät Michael Böving. „Gerade weil man bei den anderen Hilfsorgan­isationen schon früher mitmachen kann, ist es schwierig, Jugendlich­e an die Feuerwehr zu binden“, sagt er. Auch Amelie Oberst, Regionalju­gendleiter­in bei den Johanniter­n weiß, dass es immer schwierige­r wird, Jugendlich­e zu begeistern. Der Konkurrenz­kampf mit anderen Hobbys werde immer schwerer, so die 26-jährige Medizinstu­dentin.

In der Zwischenze­it hat die Jugendgrup­pe der Johanniter das Versorgung­szelt aufgebaut. Lukas Magi, 17, koordinier­t die Versorgung der Opfer. „Wohin mit den neuen Verletzten“, fragt ihn ein Kollege. Hektik ist Lukas keine anzumerken. Er organisier­t routiniert den Abtranspor­t versorgter Patienten, um Platz zu schaffen.

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Die jungen Retter mussten unter anderem „Verletzte“aus dem ehemaligen Bunker unter dem Wittelsbac­her Park holen.
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Vor dem Eingang wurden die Geretteten versorgt.

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