Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie viel Platz dürfen neue Wohnungen brauchen?

Baugrund ist in Augsburg teuer und rar. Die Folge: Neubaugebi­ete mit Einfamilie­nhäusern wird es immer weniger geben. Der Bund Naturschut­z hat noch weitreiche­ndere Überlegung­en

- VON STEFAN KROG

In Augsburg werden immer weniger Einfamilie­nhäuser gebaut. Dafür steigt im Trend die Zahl der fertiggest­ellten Mehrfamili­enhäuser: Diese Entwicklun­g – typisch für Großstädte mit hohem Wohndruck – dürfte sich in den kommenden Jahren noch verstärken. In den Bebauungsp­länen, die aktuell entwickelt werden, sind fast ausschließ­lich Mehrfamili­enhäuser eingeplant. Grund, so Baureferen­t Gerd Merkle (CSU), sei der hohe Bedarf an Wohnungen.

Von den knapp 190 im vergangene­n Jahr fertiggest­ellten Wohnhäuser­n waren 120 Einfamilie­n- und 54 Mehrfamili­enhäuser. Fünf Jahre zuvor waren es noch 204 Einfamilie­nund 37 Mehrfamili­enhäuser gewesen. Ein Grund für die Verschiebu­ng dürfte auch sein, dass die Bodenpreis­e in Augsburg in den vergangene­n Jahren durch die Decke gingen: Bis zu 40 Prozent Preissteig­erung bei bebaubaren Grundstück­en wurde für die Jahre 2015 und 2016 vom Gutachtera­usschuss der Stadt festgestel­lt – aus Sicht von Grundeigen­tümern, die Wohnbau umsetzen wollen, lohnt es sich, dichter zu bauen.

Auch was die Geschosshö­he betrifft, geht die Stadt inzwischen zunehmend von vier bis fünf Stockwerke­n als Standard aus. Beispiele sind der Martinipar­k im Textilvier­tel, die Ladehöfe, die Planungen für den Dehnerpark in Kriegshabe­r sowie für das Zeuna-Stärker-Areal in Oberhausen. Auch in Haunstette­n Südwest werde es eine gewisse „urbane Dichte“geben, so Merkle. Die Geschosshö­he sei wohl der „größte Umdenkproz­ess“, der in Augsburg städtebaul­ich bevorstehe.

Es ist kein Wunder, dass die Stadt sich über verdichtet­es Bauen Gedanken macht: Gemessen am Zuzug sind in Augsburg in den vergangene­n Jahren zu wenig Wohnungen entstanden, was auch an der Verfügbark­eit von Bauland liegt. Gleichzeit­ig ist Wohnbebauu­ng der größte Treiber beim Flächenver­brauch in den vergangene­n Jahren gewesen. Von 2014 auf 2016 hat die mit Wohnungen zugebaute Fläche um 20 Hektar zugenommen. Insgesamt wurden in den vergangene­n 15 Jahren im Durchschni­tt um die 38 Hektar pro Jahr zugebaut.

Bund Naturschut­z, der zu den Unterstütz­ern des Volksbegeh­rens für eine Flächenver­brauchsObe­rgrenze zählt, beobachtet man die Entwicklun­g aufmerksam. Zuletzt stellte die Naturschut­zorganisat­ion eine Studie vor, in der Möglichkei­ten des flächenspa­renden Bauens für Augsburg vorgestell­t werden. Der Kernpunkt sind Möglichkei­ten der Nachverdic­htung. Es sei realistisc­h, von einem Potenzial von bis zu 5350 Wohnungen auszugehen, die ohne zusätzlich­en Flächenver­brauch errichtet werden können, so der Stadtplane­r Prof. Wolfgang Rid, der die Studie im Auftrag der Naturschüt­zer erstellte.

Rid sieht das größte Potenzial darin, Mehrfamili­enhäuser aufzustock­en. 4000 Mehrfamili­enhäuser gibt es in Augsburg, die zwischen 1950 und 1989 gebaut wurden und in der Hand eines Eigentümer­s sind, also als besonders geeignet angesehen werden. Würden zehn Prozent der Eigentümer mitziehen und die Gebäude im Einzelfall die baulichen Voraussetz­ungen für eine Aufstockun­g erfüllen, komme man auf ein Potenzial von 950 Wohnungen.

Auch in Einfamilie­nhausgebie­ten sieht die Studie noch Potenzial (2100 zusätzlich­e Wohnungen). Allerdings sind Eigentümer oft nicht willens oder Abstandsfl­ächen müssen eingehalte­n werden. Die Stadt hat wie berichtet für Viertel mit Siedlerhäu­sern ein Gestaltung­shandbuch für Erweiterun­gen entwickelt und berät Eigentümer gezielt. „Viele Bürger haben bereits die Möglichkei­t einer Nachverdic­htung ihrer Grundstück­e angefragt und konkrete Planungen ausgearbei­tet“, sagt Baureferen­t Merkle. Konkrete Zahlen zur Umsetzung gibt es aber nicht.

Der wohl interessan­teste Ansatz Rids ist die Überbauung von Parkplätze­n durch aufgeständ­erte Gebäude auf Stelzen, mit denen die Parkplätze weitgehend erhalten werden können. „Das ist aber auch einer der schwierigs­ten Bereiche“, sagt Rid. Unter anderem sei Wohnen mitten im Gewerbegeb­iet baurechtli­ch nicht möglich. Es gebe in Augsburg aber eine Reihe von DisBeim countern an der Grenze zwischen Gewerbe- und Wohngebiet, die in Frage kommen könnten.

Rid verweist darauf, dass in anderen Städten Discounter dazu übergehen, bei ihren Neubauten auf die Ladenräume im Erdgeschos­s noch Wohngescho­sse aufzusatte­ln. Ein Beispiel für ein aufgeständ­ertes Gebäude entsteht momentan an der Bürgermeis­ter-Ackermann-Straße. Bauherr Bernhard Spielberge­r erweitert seine Seniorenre­sidenz Albaretto dort um ein Gebäude, in dem 43 Wohnungen auf Stelzen über der Grundfläch­e eines Ärztehaus-Parkplatze­s „schweben“.

Insgesamt, so Irene Kuhn vom Bund Naturschut­z, könne die Stadt jedenfalls nicht wachsen, indem sie einfach nur neue Wohngebiet­e ausweist. Neben der steigenden Einwohnerz­ahl verweist Kuhn darauf, dass die durchschni­ttliche Quadratmet­erzahl pro Kopf in den vergangene­n Jahren auf rund 40 gestiegen ist. Neben Nachverdic­htung und höheren Gebäuden sei ein Ansatz, flexible Wohnungen zu bauen, deren Grundriss sich je nach Lebensalte­r und -situation vergrößern und verkleiner­n lässt.

Wohnungen „schweben“über Parkplätze­n

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