Augsburger Allgemeine (Land West)
Straßenausbaubeitrag: Zwei Regelungen in einem Ort
Die aktuelle Rechtslage stellt in Wehringen Bürger der Dorfstraße anders als die Anwohner des Gässele. Ein Stichtag entscheidet
Wehringen Die sogenannten Straßenausbaubeiträge waren in den vergangenen Monaten bayernweit ein großer Aufreger. Einst lasch gehandhabt, wurde der Vollzug später per Mustersatzung bayernweit durchgesetzt. Das schuf zunehmend Unruhe in den Gemeinden. In einzelnen Fällen erreichten Anlieger einen Stopp von Ausbauplänen – eine schlechte Straße erschien ihnen besser als eine Rechnung über Tausende Euro für einzelne Haushalte. Andere gründeten eine Bürgerinitiative. Beides erlebte beispielsweise Bobingen in der Schnitter- und in der Herbststraße. Die Freien Wähler (FW) reagierten auf den öffentlichen Druck mit einem Volksbegehren zur Abschaffung der ungeliebten Extrasteuer. Die CSU reagierte mit einer eigenen Gesetzesvorlage und schuf den Beitrag ab. Das Problem sind nun Straßenausbauten vergangener Jahre, die abgeschlossen, aber noch nicht abgerechnet sind.
Wehringen könnte dafür Paradebeispiel werden. Denn die Freien Wähler im Augsburger Land wollen die Gemeinde zum Anlass für eine Korrektur der aktuellen Rechtslage machen.
Hintergrund: Im vergangenen Oktober berichtete unsere Zeitung über die Zwangslage der Gemeinde, jüngste Straßenausbauten abzurechnen. Es ging um Verjährungsfristen für die Abrechnung der 2013 erneuerten Dorfstraße einerseits und derzeitiger Unklarheit bei der künftigen Handhabung des Straßenausbaubeitrags in Bayern andererseits. einer vollen Gemeindekasse werde die Höhe des Kostenanteils der Anlieger so moderat wie möglich angesetzt, versicherte damals Bürgermeister Manfred Nerlinger. Dennoch bekamen zum Jahreswechsel betroffene Haushalte die angekündigten Beitragsabrechnungen zugestellt. Das droht ihnen ein großes Loch in den Sparstrumpf zu reißen.
Anwohner der Dorfstraße haben sich inzwischen an FW-Kreistagsfraktionschef Fabian Mehring gewandt. Sie hatten zum 31. Dezember Beitragsbescheide erhalten, empfinden es jedoch als ungerecht, wenn sie nachträglich zahlen müssten, obwohl der Straßenausbaubeitrag inzwischen rückwirkend ab 1. Januar abgeschafft ist.
Geht es nach den Freien Wählern, wäre das alles kein Problem, da ihr Gesetzesentwurf ohnedies eine rückwirkende Befreiung für frühere Projekte vorsieht. Zwischenzeitlich hat die CSU-Landtagsfraktion jedoch mit ihrer Mehrheit beschlossen, den 1. Januar des aktuellen Jahres als Stichtag für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge festzusetzen. In Wehringen führt dies nun laut Mehring dazu, dass die betroffenen Anwohner der Dorfstraße die letzten zahlungspflichtigen Bürger im gesamten Freistaat sein dürften, während ihre Nachbarn an der inzwischen ebenfalls sanierten Bahnstraße und „Im Gässele“bereits in den Genuss der Neuregelung kommen.
Mit diesem Beispiel hängt die CSU trotz ihrer schnellen Reaktion auf die Initiative gegen den Straßenausbaubeitrag weiterhin am Haken der Freien Wähler. Fabian Mehring lässt auch nicht locker: „Am Beispiel von Wehringen zeigt sich nun, dass wir richtig lagen und die Mehrheitsfraktion dringend nachsteuern muss.“
Die gleiche Meinung vertrete inAngesichts des auch Wehringens Bürgermeister Manfred Nerlinger (CSU), der Mehring schriftlich „auch im Namen der Anwohner in der Dorfstraße“um Unterstützung gebeten haben soll. Tatsächlich gibt es einen Brief Nerlingers, in dem er auf Anfrage die rechtliche Situation in Wehringen erläuterte und auch um eine Nachbesserung der Rechtslage bat.
Mehring bat deshalb den FWLandtagsabgeordneten Johann Häusler um Schützenhilfe, der zu den Initiatoren des FW-Volksbegehrens galt und federführend am Gesetzesentwurf der FW-Fraktion mitgearbeitet hatte. Häusler sieht die „ärgerliche Konstellation“in Wehringen als Beleg für seine Kritik am Gesetzesentwurf der Staatsregierung und hat sich an Innenminister Herrmann gewandt.
In seinem Schreiben verweist der FW-Parlamentarier auf eine „nachvollziehbar verärgerte Bürgerschaft“in Wehringen und spricht von „nicht vermittelbarer Ungerechtigkeit“. Bei Staatsminister Herrmann wirbt Häusler deshalb für eine Ergänzung des Kommunalabgabengesetzes. Geht es nach Häusler, sollen Kommunen angesichts der geänderten Rechtslage im eigenen Ermessen entscheiden dürfen, ob sie bereits fällige, aber noch nicht eingehobene Beiträge erhebt oder hierauf verzichtet. Er argumentiert: „Nun muss aber dringend nachgesteuert werden, um die Akzeptanz der Bürgerschaft nicht durch kleinkarierte Stichtagsdebatten zu konterkarieren.“