Augsburger Allgemeine (Land West)
Streit mit Merkel: Seehofer vertagt die Asyl Reform
Wann darf der Staat Menschen an der Grenze zurückweisen?
Augsburg/Berlin In der Union eskaliert der Streit um die Flüchtlingspolitik neu: Nach heftigen Differenzen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) die für diesen Dienstag geplante Vorstellung seines „Masterplans Migration“mit 63 Maßnahmen zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung abgesagt. „Einige Punkte müssen noch abgestimmt werden“, sagte ein Ministeriumssprecher. Nach Informationen unserer Zeitung geht es vor allem um eine Frage: Dürfen Flüchtlinge an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden?
Wie es in der CSU-Landesgruppe heißt, sieht das Seehofer-Papier die Zurückweisung von Asylbewerbern, die bereits in anderen EULändern registriert sind, an den Grenzen vor. Das will die Kanzlerin bislang nicht mittragen – und löst damit „großes Unverständnis“in der CSU aus, wie Georg Nüßlein, stellvertretender Vorsitzender der Unions-Fraktion, am Abend bestätigte. „Wir sind wild entschlossen, das Thema durchzukämpfen und zudem überzeugt, dass die Entscheidung in Seehofers Ressortverantwortung fällt – und nicht in die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin“, sagte der Neu-Ulmer CSUBundestagsabgeordnete.
Hintergrund des Streits: Ist eine Person bereits in der sogenannten Eurodac-Datei, dem europäischen Fingerabdruck-Register für Asylbewerber, erfasst, bedeutet dies, dass bereits ein Asylverfahren in einem anderen EU-Land läuft. Diese Flüchtlinge will Seehofer schon an der Grenze zurückweisen. Merkel strebt stattdessen eine europäische Lösung an. Doch in der CSU ist man es leid, darauf zu warten. Ein Kompromiss könnte lauten, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt Zurückweisungen an den Grenzen möglich werden, wenn bis dahin keine europäische Lösung gefunden ist. Nüßlein sieht darin ein legitimes Mittel, um Druck auf die Nachbarn auszuüben. Noch habe Seehofer die Hoffnung, die Kanzlerin zu überzeugen. Hinter verschlossenen Türen sprach er in der CSU-Landesgruppe von einer „Systemkrise“.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder unterstützt den Innenminister. „Wenn bei jemandem von vornherein klar ist, dass er keine Chance hat, hierbleiben zu dürfen, würde ich ihn an der Grenze zurückweisen“, sagte Söder beim
„Augsburger Allgemeine Forum – Live“in Augsburg. „Das wäre die beste Möglichkeit, um zu unterscheiden zwischen jemandem, der einen klaren Anspruch hat, und jemandem, der aus anderen Gründen nach Deutschland will.“In solchen Fällen, so Söder, „muss der Staat in der Lage sein, eine Entscheidung zu treffen“. Und es wäre „ein Signal an Schlepper und Schleuser“.
Die SPD reagiert erstaunt: „Seehofers Masterplan wird zum Desasterplan der Union“, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Burkhard Lischka. „Die SPD fordert seit Wochen vom Bundesinnenminister, endlich seine konkreten Vorstellungen zu präsentieren. Jetzt ist er mit seinen Ideen offensichtlich nicht einmal bei der Kanzlerin durchgedrungen.“FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae sagte: „Die Union steht mal wieder vor einer Zerreißprobe.“
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„Das wäre ein Signal an Schlepper und Schleuser.“ Markus Söder