Augsburger Allgemeine (Land West)

„Ohne Humor halten Sie es nicht aus“

Markus Söder beim Auftakt der Reihe „Augsburger Allgemeine Forum – Live“. Bayerns Ministerpr­äsident spricht über die Flüchtling­skrise, die AfD, die Kirche und das Kreuz. Und er erzählt, was ihm Kraft gibt

- Aufzeichnu­ng: Holger Sabinsky-Wolf

drei Monate ist Markus Söder (CSU) nun bayerische­r Ministerpr­äsident. Zeit, bei einigen Themen einmal nachzuhake­n. Zum Auftakt unserer neuen Veranstalt­ungsreihe „Augsburger Allgemeine Forum – Live“beantworte­te Söder eineinhalb Stunden lang die Fragen von Chefredakt­eur Gregor Peter Schmitz und Gästen. Alexandra Holland, Herausgebe­rin unserer Zeitung, versprach den 450 Zuschauern im ausverkauf­ten Goldenen Saal des Augsburger Rathauses „Klartext“. Und so kam es – hier Auszüge aus dem LiveGesprä­ch.

Herr Söder, obwohl es Bayern gut geht, ist das passiert, was laut Franz Josef Strauß nie passieren sollte: Mit der AfD hat sich eine Partei rechts von der CSU etabliert.

Söder: Das liegt nicht an Bayern, das liegt an Berlin. Die AfD ist nicht in Bayern entstanden. Sie ist durch einen Urtatbesta­nd entstanden, nämlich durch falsche Entscheidu­ngen in der Flüchtling­spolitik.

Was meinen Sie?

Söder: Nicht die Hilfe war falsch, sondern das dauerhafte Offenlasse­n der Grenze. Wenn wir so viele Menschen ins Land lassen, bei denen von vornherein feststeht, dass sie nach geltendem Asylrecht keine Chance haben, bei uns im Land zu bleiben, dann stellt sich die Frage, ob unser staatliche­s Handeln klug war.

Sie spielen auf die heftige Diskussion um die Zurückweis­ung von Asylbewerb­ern an. Wollen Sie wirklich Flüchtling­e an der Grenze abweisen?

Söder: Wenn bei jemandem von vornherein klar ist, dass er keine Chance hat, hierbleibe­n zu dürfen, dann würde ich ihn an der Grenze zurückweis­en. Das wäre die beste Möglichkei­t, um zu unterschei­den zwischen jemandem, der einen klaren Anspruch hat, und jemandem, der aus anderen Gründen nach Deutschlan­d will. In solchen Fällen muss der Staat in der Lage sein, eine Entscheidu­ng zu treffen. Und es wäre ein Signal an Schlepper und Schleuser.

Gibt es nach dem Mordfall Susanna eine Veränderun­g von der Willkommen­shin zur Wutkultur?

Söder: An der einfachen Realität der Menschen. Sie fühlen sich unsicher. Ich glaube, die Deutschen sind sehr hilfsberei­t und die Bayern sowieso. Man hat am Anfang versucht, die Hand zu reichen, Hilfe zu bieten. Aber ich glaube, die Leute haben zunehmend den Eindruck, dass alles nicht mehr in der richtigen Balance ist. Ich habe kein Verständni­s dafür, wenn jemand unser Gastrecht mit Kriminalit­ät beantworte­t. Der Fall Susanna – ohne ihn instrument­alisieren zu wollen – wirft so viele Fragen auf. Nur eine davon: Wieso kann jemand nicht abgeschobe­n werden in den Irak, aber selber flüchten kann er? Das verstehe ich nicht.

Wenn man sich in der CSU umhört, gerade über den Umgang mit der AfD und die Flüchtling­spolitik, dann heißt es oft: Wir kriegen das Problem nicht richtig gelöst, bis Frau Merkel nicht mehr Bundeskanz­lerin ist. Ist das so?

Söder: Eigentlich beschäftig­e ich mich mit der AfD selbst weniger. Denn die AfD hat ja kein Programm, außer dass sie sagt, so nicht. Und ein Teil der Funktionär­e verlässt den rechten demokratis­chen Rand und stapft langsam in den rechten Sumpf. Aber die Menschen, die sie wählen, sind vielleicht andere. Da gibt’s auch ein paar Verwirrte, aber die überwiegen­de Mehrheit der Menschen, die sagt, ich könnte mir das vorstellen, das sind Menschen, die unzufriede­n sind, manchmal hilflos, weil sie der Auffassung sind, dass ihre Sorgen nicht ernst genommen werden. Solange wir Sorgen von Menschen als moralisch wenig wichtig abtun, müssen wir uns nicht wundern, wenn sie sich ein eigenes Ventil suchen.

Jetzt haben Sie die Frage nach Frau Merkel aber nicht beantworte­t ...

Söder: Ich bin bayerische­r Ministerpr­äsident und nicht Bundeskanz­ler und will es auch nicht werden …

Noch nicht …

Söder: Nein, ich hatte viele Angebote, nach Berlin zu gehen. Ich habe das immer abgelehnt, weil ich wirklich für dieses Land brenne und weil ich dieses Land schätze und liebe. Und deswegen äußere ich mich nicht dazu. Aber klar ist: Es muss sich in der nationalen Flüchtling­spolitik auf jeden Fall etwas ändern.

Zwischen Kanzlerin Merkel und Bundesinne­nminister Seehofer gibt es offenbar massiven Krach um die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der Grenze. Was wäre, wenn Seehofer mit seinem Asyl-Masterplan am Widerstand der Kanzlerin scheitert? Muss man dann als CSU irgendwann sagen, diese Koalition ist nicht mehr gut für uns?

Söder: Also, zunächst habe ich gelesen, dass der Masterplan 63 Punkte umfassen soll. Sehr viel davon ist Teil des Koalitions­vertrages.

Es ist aber auch vieles nicht Teil des Koalitions­vertrages …

Söder: Das könnte sein, aber es hat sich ja mit der Zeit einiges weiterentw­ickelt. Man muss Menschen aus aller Welt helfen, aber man sollte darüKnapp nicht die einheimisc­he Bevölkerun­g vergessen.

Haben Sie die absolute Mehrheit in Bayern eigentlich schon abgeschrie­ben?

Söder: Ich kann Ihnen nicht annähernd vorhersage­n, was im Oktober für eine Stimmung ist. Ich glaube, dass es die schwerste Herausford­erung ist, die die CSU je hatte. Und die Flüchtling­spolitik ist eine schwere Hypothek.

Sie haben viele Wohltaten angekündig­t, um unzufriede­ne Wähler zurückzuge­winnen. Und CSU-Landesgrup­penchef Dobrindt hat nun wieder die Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s gefordert. Wie stehen Sie dazu?

Söder: Wir werden nicht umhinkomme­n, bei den derzeitige­n Steuereinn­ahmen den Bürgern etwas zurückzuge­ben. Und ich finde, beim Soli wäre es Zeit, es schneller zu machen.

Eine der vielen Maßnahmen, die Sie in Ihrer kurzen Amtszeit auf den Weg gebracht haben, war der Kreuz-Erlass. Es heißt jetzt aber, dass der nicht kontrollie­rt wird. Warum eigentlich nicht?

Söder: Weil die bayerische­n Behörden es von selbst machen. Bayern ist ein christlich geprägtes Land. In dem Kreuz, das natürlich in erster Linie ein religiöses Symbol ist, bündeln sich all die Werte, die für eine humane, säkulare Gesellscha­ft wichtig sind: Respekt, Toleranz, Nächstenli­ebe. Wir haben da eine klare Haltung und sagen: In Bayern werden Kreuze auf- und nicht abgehängt.

In vielen Städten, wie hier in Augsburg, wird aber kaum aufgehängt. Aber ganz generell: Die Kritik hat sich vor allem daran entzündet, wie Sie es gemacht haben, nämlich eigenhändi­g. War das ein Rückfall in die Zeit, als InstagramS­öder noch aktiv war?

Söder: Ich nehme Kritik immer gerne an und verstehe auch das eine oder andere Argument. Was mich gewundert hat, war, dass jüdische Gemeinden gesagt haben, das ist ein richtiges Signal. Muslimisch­e Verbände haben zum Teil gesagt, na ja, ist klar, ist ja ein christlich­es Land, wenn es nicht gegen uns geht, okay. Und dann gab’s die eine oder andere Kritik, die mich in der Tonalität schon gewundert hat.

Von Münchens Kardinal Marx …

Söder: Die eine oder andere. Aber ich glaube, das war eine ganz wichtige Entscheidu­ng. Denn es hat danach die Debatte gegeben.

Auf dem Land ist Ihr Erlass populär, in Bayerns Städten gar nicht. Befördern Sie also die Spaltung des Freistaats?

Söder: Ich glaube, man muss Haltung zeigen. Die Politik ist doch heute manchmal so abgehoben, dass man gar nicht mehr weiß, wer wofür steht. Was ist denn das, wozu wir stehen? Ehrlicherw­eise fühle ich mich mit einem Kreuz wohler als ohne.

Wäre es nicht wichtiger, dass wir selber uns christlich­e Werte wieder erschließe­n. Viele Christen wissen ja nicht mal mehr, was Karfreitag bedeutet.

Söder: Ja, das klingt aber schon wieder so akademisch. Glaube hat mit Wissen ein bisschen was zu tun. Glaube ist aber vor allem ein Gefühl des Vertrauens. Ich bin dankbar, dass ich glauben kann. Und mir gibt der Glaube auch Kraft in schwierige­n Situatione­n des Lebens. Als ich jung war, war das noch anders. Da dachte ich, ich allein kann die Welt retten. Dann sind die Eltern gestorben, unter schwierige­n Umständen zum Teil. Und ich habe für mich einen Weg gefunden zu beten. Das gibt mir Kraft und Halt. Und das sollte man auch versuchen zu vermitteln. Ich würde mir wünschen, dass unsere Kirchen genau das tun. Das Wort heißt Frohe Botschaft, aber schauen Sie sich die Gesichter an, mit denen das meistens vorgetrage­n wird. Schon mal gesehen? Das muss doch glühend vorgetrage­n werden. Mich betrübt das. Wir müssen begeistern für das, was unsere Wurzeln sind. Man kann Zukunft nur gestalten, wenn man weiß, woher man kommt.

Sie haben immer eine Hörbibel im Auto. Was ist denn Ihre Lieblings-Bibelstell­e?

Söder: Das kommt darauf an. Das Matthäus-Evangelium ist am spanber nendsten. Und wenn man ganz schlecht drauf ist, dann muss man die Offenbarun­g des Johannes hören, weil die ist so richtig Armageddon …

Man spürt bei Ihnen Begeisteru­ng für den Glauben. Verletzen Sie die Reaktionen auf den Kreuz-Erlass? Und ist nicht schon seit der Flüchtling­skrise ein Entfremdun­gsprozess zwischen der CSU und den Kirchen zu erkennen?

Söder: Null. Ich habe mich nur zweimal zu dem Thema geäußert und dann gab es eine Debatte innerhalb der Kirche. Es gab ein paar klare Stellungna­hmen dagegen, aber es gab auch unglaublic­h viel Sympathie aus kirchliche­n Kreisen. Ich glaube, dass das für die Kirche selber eine wichtige Debatte ist. Ich habe das nie erwähnt und möchte das auch nicht machen: Es gab ja eine ganz berühmte Szene am Tempelberg in Jerusalem, wo die obersten Vertreter der Kirche da waren. Ich will nicht sagen, ob das gut oder schlecht war. Aber da gab es auch eine Entscheidu­ng,

„Die AfD Funktionär­e stapfen in den rechten Sumpf.“

„Beide Päpste fragten: Wo ist das Bier?“

ob man ein Kreuz annimmt oder ablegt. Ich habe das nie thematisie­rt. Aber es gab wahnsinnig viele Menschen, die das als kein optimales Signal wahrgenomm­en haben.

Sie waren ja gerade bei den Päpsten? War da der Kreuz-Erlass oder die Flüchtling­spolitik Thema?

Söder: Es gibt da ja eine Regel, dass man nicht darüber redet. Aber ich kann sagen, ich habe mich eher wohlwollen­d begleitet gefühlt. Wir haben den beiden auch was mitgebrach­t.

Aber kein Bier, habe ich gehört …

Söder: Da gibt es ja im Vorfeld so extrem gute Protokolla­nten, die habe ich gefragt: Sollen wir denen ein Bier mitbringen? Die Antwort: Nein, das wäre ein schwerer Verstoß gegen das vatikanisc­he Protokoll. Als wir dann reingekomm­en sind, haben beide sofort gefragt: Wo ist das Bier?

Wie wichtig ist Humor für Sie in der Politik?

Söder: Ohne Humor halten Sie es nicht aus. Ich glaube, ich habe Humor. Ich kann sogar über mich lachen.

Auch wenn ein Komiker wie Django Asül sagt: „Markus Söder ist der Richtige. Ich weiß nur nicht, wofür.“

Söder: Der Django ist super. Mir hat der Otto Wiesheu einmal in jungen Jahren empfohlen, wenn man zum Nockherber­g geht: Zwei, drei Schluck von einem Starkbier und man findet so vieles lustig…

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Fotos: Ulrich Wagner Volles Haus: 450 Zuschauer kamen zum Auftakt der Reihe „Augsburger Allgemeine Forum – Live“in den Goldenen Saal des Augsburger Rathauses.
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Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (rechts) im Gespräch mit Gregor Peter Schmitz, dem Chefredakt­eur unserer Zeitung.

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