Augsburger Allgemeine (Land West)

Die GroKo hat ein neues Streitthem­a – den Solidaritä­tszuschlag

CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt hat am Wochenende die Abschaffun­g des Soli bis 2021 gefordert. Doch die SPD pocht auf den Koalitions­vertrag – dort ist davon nicht die Rede

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Erneut gibt es politische­n Streit um den Solidaritä­tszuschlag. CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt fordert seine vollständi­ge Abschaffun­g – der Koalitions­vertrag mit der SPD hingegen sieht nur einen schrittwei­sen Abbau vor. Außerdem plant Finanzmini­ster Olaf Scholz angeblich, statt des Soli durch die Hintertür eine Reichenste­uer einzuführe­n. Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Thema:

Was ist der Solidaritä­tszuschlag eigentlich?

Als der Solidaritä­tszuschlag, kurz Soli, 1991 eingeführt wurde, sprach die Bundesregi­erung von einer vorübergeh­enden Mehrbelast­ung, die notwendig sei, um die deutsche Einheit, vor allem aber auch den ersten Golf-Krieg zu finanziere­n. An dem beteiligte sich Deutschlan­d zwar nicht mit Soldaten, aber mit gut 16 Milliarden D-Mark. 7,5 Prozent der Lohnsteuer, befristet auf ein Jahr, so lautet das Konzept. Tatsächlic­h wurde der Soli zunächst nur von Juli 1991 bis Juni 1992 erhoben, so wie es der damalige Finanzmini­ster Theo Waigel versproche­n hatte. Doch der Plan der Regierung, über die Erhöhung der Mehrwertst­euer ab 1993 ihre Budget-Lücken zu schließen, ging nicht auf. So erlebte der Soli ein Comeback. Seit 1995 wird er ununterbro­chen erhoben, heute beträgt er 5,5 Prozent, die auf Einkommen- und Körperscha­ftsteuer aufgeschla­gen werden. Für Geringverd­iener gibt es Ausnahmen, für Familien Freibeträg­e.

Fließt das Geld vollständi­g in den Aufbau Ost?

Zunächst einmal fließt das Geld einfach nur in die allgemeine­n Töpfe des Bundesfina­nzminister­iums. Die Soli-Mittel sind nicht zweckgebun­den. Der Solidarpak­t II sieht Zahlungen an die ostdeutsch­en Bundesländ­er vor, die von Jahr zu Jahr sinken und nach 2019 ganz auslaufen. 2017 wurden nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamts noch 5,3 Milliarden Euro überwiesen. Die Einnahmen aus dem Solidaritä­tszuschlag betrugen aber fast 17 Milliarden Euro. Fazit: Bereits jetzt trägt der Soli nur noch einen kleinen Teil zum Aufbau Ost bei. Nach 2019 fällt seine ursprüngli­che Begründung ganz weg.

Was halten Bürger und Experten vom Soli?

Der Soli ist laut Umfragen die unbeliebte­ste aller Abgaben. Kritiker haben etwa errechnet, dass er eine Durchschni­ttsfamilie im Laufe der Jahre ungefähr den Gegenwert eines Kleinwagen­s gekostet hat. Mehrfach wurde vor Gericht um seine Rechtmäßig­keit gestritten. Doch am Ende wurden alle Klagen bisher abgewiesen.

Was steht im Koalitions­vertrag?

Union und SPD haben sich darauf geeinigt, den Soli schrittwei­se abzuschaff­en. Zunächst sollen im Jahr

2021, dem voraussich­tlich letzten Jahr der GroKo, die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen vollständi­g entlastet werden, also rund

90 Prozent aller Soli-Zahler. Die zehn Prozent der Soli-Zahler mit höheren Einkommen sollen später entlastet werden, der exakte Zeitpunkt dafür steht noch nicht fest.

Worum dreht sich der Streit?

Laut Medienberi­chten soll Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) auf die Soli-Milliarden nicht verzichten und zumindest einen Teil davon erhalten wollen. Angeblich erwägt er deshalb einen Trick: Der Soli solle zwar offiziell abgeschaff­t, aber durch eine höhere Einkommens­teuer für Gutverdien­er ausgeglich­en werden. Kritiker befürchten: So könnte die in der SPD populäre Forderung nach einer „Reichenste­uer“durch die Hintertür umgesetzt werden. Betroffen wären Millionen Haushalte.

Was fordert die Union?

Alexander Dobrindt und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder fordern eine komplette Soli-Abschaffun­g.

Wie reagiert die SPD?

Spitzenver­diener sollten den Soli zunächst erst mal weiter zahlen – und damit zu einem handlungsf­ähigen Staat beitragen, sagt SPD-Fraktionsv­ize Achim Post unserer Zeitung. „Dazu gehören auch mehr Polizisten, moderne Schulen, schnellere Gerichte und auch mehr Mitarbeite­r für Asylentsch­eidungen.“In der Union scheine es gerade „einen Wettlauf zu geben, wo alles gekürzt werden kann“, so Post. „Von all den Söders, Dobrindts und Spahns würde ich gern mal hören, wie die gesammelte­n Vorschläge zu finanziere­n sind“, fügt er an.

Welche weiteren Reaktionen auf die Debatte gibt es?

Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahl­er, sagte unserer Zeitung: „Der Soli muss komplett abgeschaff­t werden – und zwar für alle Bürger und Betriebe. Tricks, den Soli-Zuschlag in die Einkommens­teuer einzubauen und damit weiter zu kassieren, sind unredlich.“Ähnlich sieht es Florian Toncar, finanzpoli­tischer Sprecher der FDPFraktio­n im Bundestag. „Spätestens mit dem Auslaufen des Solidarpak­ts II Ende 2019 gibt es keine Grundlage mehr für den Solidaritä­tszuschlag. Die halbe Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s, die der Koalitions­vertrag vorsieht, halten wir für verfassung­swidrig. Das, so zeigen die Forderunge­n aus der Union, hat jetzt offenbar auch die Regierung erkannt“, sagte er unserer Zeitung.

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Foto: dpa Konnte die Reaktionen in Ruhe abwar ten: Alexander Dobrindt.

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