Augsburger Allgemeine (Land West)
Polizist greift Flüchtling an: Wie hart ist das Urteil?
Ein 43-jähriger Oberkommissar soll ins Gefängnis, weil er bei einem feucht-fröhlichen Ausflug einen Asylbewerber beleidigt und attackiert hat. Wie es zu dieser Strafe kommt und was das für den Beamten jetzt bedeutet
Zwei Polizisten haben bei einem Ausflug nach Augsburg einen Asylbewerber beleidigt und attackiert. Ein 43-jähriger Oberkommissar ist deswegen jetzt vom Amtsgericht zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden – ohne Bewährung. Ein hartes Urteil?
Ja. Milde ließ der Richter jedenfalls keine walten. Allerdings: Es ist auch eine ganze Reihe strafrechtlich relevanter Vorwürfe, mit denen der Polizist konfrontiert war. Er soll den Flüchtling im Streit um einen Sitzplatz in der Mc-Donald’s-Filiale am Kö beleidigt und ihm einen Hamburger ins Gesicht gedrückt haben. Er verfolgte ihn mit einem Kollegen nach draußen und versuchte, ihn mit einem Tablett zu schlagen. Er verpasste dem 25-jährigen Senegalesen einen Faustschlag ins Gesicht und versuchte, ihm von hinten in die Beine zu treten. Rechtlich ist das laut Urteil als Beleidigung, vorsätzliche Körperverletzung sowie als versuchte gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen zu werten. Bei der Strafe lässt das Gesetz den Gerichten einen relativ großen Spielraum. Bei gefährlicher Körperverletzung sieht das Gesetz aber als Standard eine Freiheitsstrafe vor. Nur bei einer Strafmilderung ist auch eine Geldstrafe möglich.
Der Polizeibeamte ist nicht vorbestraft. Warum hat er trotzdem keine Bewährungsstrafe bekommen?
Generell können die Gerichte Haftstrafen von bis zu zwei Jahren noch auf Bewährung aussetzen. Aber gibt es eine weitere wichtige Grenze: Ab einer Strafe von einem Jahr sind „besondere Umstände“nötig, damit noch eine Bewährung möglich ist. Der Augsburger Strafverteidiger Werner Ruisinger erklärt: „In aller Regel gibt es eine Bewährung dann nur noch bei einem reuigen und umfassenden Geständnis.“Der Beamte liegt mit 14 Monaten Haft über die- Grenze. Nach Ansicht des Gerichtes legte er nur ein Teilgeständnis ab und beschönigte den Vorfall.
Polizisten mussten in diesem Fall gegen Polizisten ermitteln. Wie läuft das in der Praxis ab?
In diesem Fall handelte es sich bei den Beschuldigten um Beamte aus Giengen an der Brenz in BadenWürttemberg. Deshalb konnte die Augsburger Polizei selbst ermitteln, sagt Polizeisprecher Markus Trieb. Zunächst kümmerte sich die örtlich zuständige Inspektion Mitte um den Fall, dann übernahm die Kripo. Leistet sich ein Augsburger Polizist einen Fehltritt, ist der Ablauf ein anderer. Dann übernehmen interne Ermittler des Münchner Landeskriminalamts den Fall. Damit soll verhindert werden, dass es eine zu gro- ße Nähe zwischen den Ermittlern und den Beschuldigten gibt.
Wie ist die Ermittlungsarbeit der Augsburger Polizei in diesem Fall einzuschätzen?
Die Beamten haben gründlich gearbeitet. Unmittelbar am Tatort waren nicht nur mehrere Polizeistreifen im Einsatz, sondern auch der Außendienstleiter. Das ist ein Beamter, der ebenfalls draußen unterwegs ist und als Chef aller Streifen fungiert. Auch die Staatsanwaltschaft wurde schnell informiert. Außerdem gelang es den Polizisten, mehrere neutrale Zeugen ausfindig zu machen – darunter zwei Taxifahrer. Ihre Aussagen waren für den Prozess wichtig. Die in die Auseinandersetzung verwickelten Polizisten haben nach Polizeiangaben verser sucht, nach dem Vorfall zu flüchten. Sie wurden von ihren Augsburger Kollegen aber noch im Umfeld des Königsplatzes aufgehalten.
Was bedeutet die nun verhängte Haftstrafe für den Polizeibeamten?
Er muss damit rechnen, seinen Job zu verlieren. Beamte werden ab einer Freiheitsstrafe von einem Jahr automatisch entlassen – unabhängig davon, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht. Allerdings passiert das erst, wenn ein Urteil rechtskräftig wird. Der Beamte hat noch die Möglichkeit, in Berufung zu gehen. Dann wird der Fall vor dem Landgericht neu verhandelt. Sollte sich der Beamte in der zweiten Instanz zu einem umfassenden Geständnis durchringen, hat er nach Einschätzung von Rechtsanwalt Werner Ruisinger wohl ganz gute Chancen, mit einer milderen Bewährungsstrafe davonzukommen. Theoretisch ist eine Entlassung auch bei einer Strafe von unter einem Jahr möglich, wenn sich der Beamte nach Ansicht des Dienstherrn für den Dienst bei der Polizei disqualifiziert hat. Für das Disziplinarverfahren ist in diesem Fall das Polizeipräsidium in Ulm zuständig. Kurz nach dem Vorfall wurden die beteiligten Beamten versetzt. Der Oberkommissar, der auch stellvertretender Schichtleiter war, übt keine Leitungsfunktion mehr aus. Auch befördert werden kann er bis auf Weiteres nicht.
Sind die Gerichte bei Polizeibeamten besonders streng?
Es ist schwierig, das generell zu sagen. Jeder Richter urteilt unabhängig. Gerade bei Beamten, die sich im Dienst strafbar gemacht haben, sprechen Richter aber immer wieder die Vorbildfunktion an, die Polizeibeamte haben. In den Urteilen wird auch regelmäßig erwähnt, dass straffällige Beamte dem guten Ruf der Polizei insgesamt schaden. Die Erfahrung von Anwalt Werner Ruisinger ist: „Die Gerichte legen hier durchaus einen strengen Maßstab an.“Er hält das auch für richtig. Das aktuelle Urteil gegen die pöbelnden Polizisten zeige: „Die Mechanismen unseres Rechtsstaats funktionieren, auch bei Polizeibeamten.“