Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Eitelkeit einer Schwangeren
Muss man sich über Ernährung bereits Gedanken machen, bevor das Kind geboren ist?
Werdende Mütter erkennt man häufig an einer ganz bestimmten Geste: Liebevoll streichen sie sich über den Bauch, meist mit versonnenem Gesichtsausdruck. Auch bei mir gehörte der Bauchstreichler von Anfang an zu meinem täglichen Ritual, auch wenn die Extraportion Zärtlichkeit zunächst mehr meiner kleinen Wohlstandsrundung zugutekam, die zuvor eher mit missbilligenden Blicken von mir gestraft wurde.
Mein Arzt hatte eine ganz klare Meinung zum Thema Gewichtszunahme: Bloß nicht zu viel! Neun bis zwölf Kilo reichen. Alles darüber hinaus ist nur angefuttert und führt zu frustrierten Müttern und dicken Kindern! Ich setzte also brav Fisch (die guten Omega-3-Fettsäuren!), Rote Bete (toller Eisenlieferant!) und natürlich ganz viel Gemüse auf meinen Speiseplan. Im Gegenzug verzichtete ich auf Kekse, Kuchen und Schokolade – also meistens. Mein Kind entwickelte sich lehrbuchmäßig, die Gewichtszunahme hielt sich in Grenzen, der Arzt war überaus zufrieden. Doch dann kam der Schock. Ultraschall im achten Monat: Das Kind ist zu dick! „Haben Sie abends zu viele Kohlenhydrate gegessen? Oder Trauben?“, rügte mich mein sonst so einfühlsamer Arzt. Ich fühlte mich ertappt, nickte schuldbewusst und gestand die Traubenfressorgien der letzten Abende. „Das ist Zucker pur!“, setzte er nach. Er riet mir zu einer Nahrungsumstellung – sonst müsste ich einen Vier-Kilo-Brocken rausquetschen – und verpasste meinem Baby den Namen Specki. Zwar musste ich lachen, dennoch verließ ich etwas verschnupft die Praxis. Ein Baby, das schon von Geburt an mit Übergewicht kämpft, will ich nicht. Die Eitelkeit stirbt zuletzt!
Das Thema ließ mich nicht los. Ich fragte meine Hebamme um Rat. Sie hatte etwas anderes im Verdacht: die Nahrungsergänzungsmittel, die ich auf Anraten meines Arztes nehme. Viele Schwangere seien schlichtweg überversorgt, denn die meisten achten eh auf eine bewusste Ernährung. Ich solle das mal weglassen. Gesagt, getan. Zudem setzte ich abends nur auf Salat, manchmal. Vier Wochen vor dem Geburtstermin brachte ich zwar zwei Kilo mehr auf die Waage, mein Kind dagegen war rank und schlank oder: „zeitgerecht entwickelt“, wie der Arzt sagte. Na also! Wie es dazu kam, behielt ich für mich.