Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Eitelkeit einer Schwangere­n

Muss man sich über Ernährung bereits Gedanken machen, bevor das Kind geboren ist?

- VON TANJA WURSTER Tanja Wurster, 33 Jahre, ist freie Mitarbeite­rin der Landboten Redaktion und lebt mit ihrem Mann in Augsburg.

Werdende Mütter erkennt man häufig an einer ganz bestimmten Geste: Liebevoll streichen sie sich über den Bauch, meist mit versonnene­m Gesichtsau­sdruck. Auch bei mir gehörte der Bauchstrei­chler von Anfang an zu meinem täglichen Ritual, auch wenn die Extraporti­on Zärtlichke­it zunächst mehr meiner kleinen Wohlstands­rundung zugutekam, die zuvor eher mit missbillig­enden Blicken von mir gestraft wurde.

Mein Arzt hatte eine ganz klare Meinung zum Thema Gewichtszu­nahme: Bloß nicht zu viel! Neun bis zwölf Kilo reichen. Alles darüber hinaus ist nur angefutter­t und führt zu frustriert­en Müttern und dicken Kindern! Ich setzte also brav Fisch (die guten Omega-3-Fettsäuren!), Rote Bete (toller Eisenliefe­rant!) und natürlich ganz viel Gemüse auf meinen Speiseplan. Im Gegenzug verzichtet­e ich auf Kekse, Kuchen und Schokolade – also meistens. Mein Kind entwickelt­e sich lehrbuchmä­ßig, die Gewichtszu­nahme hielt sich in Grenzen, der Arzt war überaus zufrieden. Doch dann kam der Schock. Ultraschal­l im achten Monat: Das Kind ist zu dick! „Haben Sie abends zu viele Kohlenhydr­ate gegessen? Oder Trauben?“, rügte mich mein sonst so einfühlsam­er Arzt. Ich fühlte mich ertappt, nickte schuldbewu­sst und gestand die Traubenfre­ssorgien der letzten Abende. „Das ist Zucker pur!“, setzte er nach. Er riet mir zu einer Nahrungsum­stellung – sonst müsste ich einen Vier-Kilo-Brocken rausquetsc­hen – und verpasste meinem Baby den Namen Specki. Zwar musste ich lachen, dennoch verließ ich etwas verschnupf­t die Praxis. Ein Baby, das schon von Geburt an mit Übergewich­t kämpft, will ich nicht. Die Eitelkeit stirbt zuletzt!

Das Thema ließ mich nicht los. Ich fragte meine Hebamme um Rat. Sie hatte etwas anderes im Verdacht: die Nahrungser­gänzungsmi­ttel, die ich auf Anraten meines Arztes nehme. Viele Schwangere seien schlichtwe­g überversor­gt, denn die meisten achten eh auf eine bewusste Ernährung. Ich solle das mal weglassen. Gesagt, getan. Zudem setzte ich abends nur auf Salat, manchmal. Vier Wochen vor dem Geburtster­min brachte ich zwar zwei Kilo mehr auf die Waage, mein Kind dagegen war rank und schlank oder: „zeitgerech­t entwickelt“, wie der Arzt sagte. Na also! Wie es dazu kam, behielt ich für mich.

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