Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Generation­enschraube­r

Die Schwabmünc­hner Firma Rittmayr&Härle hat schon seit 1893 Fahrräder im Sortiment. Der 83 Jahre alte Seniorchef repariert noch immer mit und ist von einem modernen Trend begeistert

- VON CHRISTIAN KRUPPE

Schwabmünc­hen Es gibt Dinge, die sind aus dem Schwabmünc­hner Stadtbild nicht wegzudenke­n. Dazu zählt auch das Geschäft in der Fuggerstra­ße 30. Dort ist die Firma Rittmayr & Härle beheimatet. Seit 1893 gibt es dort Nähmaschin­en, Waffen – und Fahrräder. Früher waren auch Büromaschi­nen im Angebot; der Schritt ins Computerze­italter reduzierte diesen Geschäftsb­ereich deutlich.

Das Hauptaugen­merk liegt heute auf Fahrrädern und Nähmaschin­en. Aber nicht nur im Verkauf, sondern auch in der Reparatur. Seniorchef Heinz Härle hat noch am Gründungss­tandort in der Frauenstra­ße seine ersten Reparature­n gemacht. Doch gelernt hatte er ursprüngli­ch etwas anderes. „Ich bin gelernter Maschinenb­auer“, erzählt er. Über die Jahre hat er aber dann die weiteren Berufe für das heimische Geschäft erlernt.

Und die übt er heute noch aus. Zwar macht die meiste Arbeit inzwischen sein Sohn, aber ganz kann Heinz Härle noch nicht der Werkstatt fernbleibe­n. Wobei er lieber an den Nähmaschin­en schraubt, kann er auch nicht von den Fahrrädern lassen. „Zumindest die kleinen Dinge mache ich immer noch“, berichtet er und stellt im Hof bei zwei Kunden am E-Bike die Gangschalt­ung nach.

„E-Bikes sind der neueste Quantenspr­ung in Sachen Fahrrad“, so Härle. Er hat alle diese Quantenspr­ünge mitgemacht. Als Heinz Härle anfing, an Rädern zu arbeiten, gab es weder Schaltung noch Scheibenbr­emsen. Die Bremse drückte von oben auf den Vorderreif­en. Auch wenn die Räder technisch längst nicht zu aufwendig waren, gab es genug zu richten. „Vor allem Reifen und Felgen. Das lag zum einen daran, dass die Straßen so schlecht waren, zum anderen haben die Leute früher wenig selbst repariert“, erinnert er sich.

Früher sei das Angebot an Rädern auch sehr überschaub­ar gewesen. „Es gab Damen- oder Herrenräde­r und zwei Radgrößen – mehr nicht.“Der erste große Sprung waren die Schaltunge­n. „Zuerst die Nabenschal­tung, dann die Kettenscha­ltung, die sich beide auch weiterentw­ickelt haben“, erinnert sich Fachmann Härle. Als zweiten großen Sprung bezeichnet er die Entwicklun­g in der Bremstechn­ik, weg von den Gummiklötz­en, hin zu Scheibenbr­emsen.

Wie viele, die die Nachkriegs­zeit durchlebt haben, schätzt Heinz Härle Ersatzteil­e. „Es gab Zeiten, da war alles knapp. Da haben wir aus drei kaputten Schläuchen einen Ganzen gemacht“, erinnert er sich. „Auch wenn mein Sohn ab und an mal schimpft, es werden bei mir keine Ersatzteil­e weggeworfe­n“, ergänzt er und verweist auf sein Lager. „Da sind Sachen drin, die werden schon nicht mehr gebaut“, so Härle weiter. Die Kundschaft weiß es zu schätzen, wenn sie solche Dinge noch bekommt. Doch nicht nur das macht sein Geschäft in der ganzen Region bekannt. Auch die Qualität der Arbeit sprach sich herum. „Früher hatten wir auch einige Gesellen eingestell­t. Für die ging es alle Jahre einmal ins Werk zur Weiterbild­ung.“

Stolz ist Heinz Härle auf die guten Beziehunge­n, die sein Geschäft zu den Hersteller­n pflegt. „Das hat schon mein Großvater begründet. Er war mit Johann Winklhofer befreundet, dem Gründer der Marke „Wanderer“. Die hatten wir von Beginn am im Laden“, erinnert sich Heinz Härle. Ähnlich war es auch mit dem Memminger Hersteller Epple. „Wir hatten traditione­ll eine sehr enge Beziehung ins Allgäu. Das ging am Ende so weit, dass wir darüber nachdachte­n, Epple zu übernehmen, als die Firma zum Verkauf kam“, so Heinz Härle. Doch soweit kam es dann doch nicht. „Was auch richtig war“, gibt er zu. So kann er weiter in seinem Laden schrauben, oder was er noch lieber macht, selbst im Laden stehen und die Kunden beraten. Gerade die neuen E-Bikes machen ihm große Freude. „Da kann man viel erklären“, so Härle. Da ist ihm auch sein großer Erfahrungs­schatz hilfreich, den er in all den Jahren gesammelt hat, vom Drahtesel ohne Technik bis zu den hochtechni­sierten E-Bikes – denn er kennt sie alle.

Seit Generation­en gute Beziehunge­n zu den Hersteller­n

 ?? Fotos: Christian Kruppe ?? Immer wieder geht Heinz Härle seinem Sohn, der die Hauptarbei­t in der Werkstatt macht, zur Hand.
Fotos: Christian Kruppe Immer wieder geht Heinz Härle seinem Sohn, der die Hauptarbei­t in der Werkstatt macht, zur Hand.
 ??  ?? Haben viel gemeinsame Zeit verbracht: Heinz Härle und seine Drehmaschi­ne.
Haben viel gemeinsame Zeit verbracht: Heinz Härle und seine Drehmaschi­ne.

Newspapers in German

Newspapers from Germany