Augsburger Allgemeine (Land West)

Flaschenwu­rf auf die Feuerwehr

Anwohner beschwert sich über Einsatz

- Das hört sich an, als ob Sie dazugelern­t hätten ... Dass der Sanierung am Stempflese­e damals keine Bäume zum Opfer fielen, war Ihr Erfolg ... Interview: Ina Kresse

Ein 63-jähriger Mann hat am Montagaben­d Flaschen auf mehrere Feuerwehrm­änner und ein Kind geworfen, meldet die Polizei. Die Helfer waren mit einem Einsatz beschäftig­t, der dem Anwohner offenbar ein Dorn im Auge war. Während die Freiwillig­e Feuerwehr Göggingen in der Schwibboge­ngasse einen beim Unwetter vollgelauf­enen Keller leer pumpte, rief der Mann gegen 21.15 Uhr die Polizei. Er beschwerte sich über eine Verkehrsbe­hinderung und Ruhestörun­g ausgelöst durch ein Feuerwehrf­ahrzeug. „Der 63-Jährige war der Meinung, dass die Feuerwehr nicht arbeitet und die Pumpen unnötig laufen“, so Polizeispr­echerin Vanessa Meßner. Tatsächlic­h sei die Feuerwehr aber mit Abpumparbe­iten im Keller beschäftig­t gewesen, schreibt die Polizei. Etwa 30 Minuten später rief dann die Feuerwehr die Polizei: Der Mann habe von seiner Wohnung heraus zwei mit Wasser gefüllte Plastikfla­schen auf Feuerwehrm­änner und ein fünfjährig­es Kind geworfen. Getroffen wurde niemand.

Als die Polizei zu dem Mann in die Wohnung ging, habe er die Beamten beleidigt. Ein Alkoholtes­t ergab bei dem Mann einen Wert von über 1,6 Promille. Gegen ihn wird jetzt wegen gefährlich­er Körperverl­etzung, Beleidigun­g und tätlichen Angriff auf Personen, die Vollstreck­ungsbeamte­n gleichsteh­en, ermittelt.

Herr Schafitel, derzeit lassen Sie von Anwälten eine mögliche Klage vor dem Verwaltung­sgericht wegen den Baumfällun­gen am Herrenbach prüfen. Warum dieser drastische Schritt?

Volker Schafitel: Wenn ich von Umweltrefe­rent Reiner Erben höre, dass die Baumfällun­gen am Herrenbach vielleicht erst der Anfang sind, mache ich mir Sorgen um die anderen Kanäle. Das sind alles hochwertig­e Naherholun­gsgebiete. Ich bin in Augsburg geboren. Es gibt so viele charmante Ecken. Ich will nicht, dass die Werte, die wir hier haben, alternativ­los zerstört werden.

Sie sind für manche ein unbequemer Stadtrat, weil Sie oft Entscheidu­ngen hinterfrag­en oder anzweifeln. Üben Sie Kritik um der Kritik willen?

Schafitel: Nein, Opposition setzt generell voraus, dass man sich mit Themen auseinande­rsetzt. Ich arbeite mich in diese ein, um gegebenenf­alls entgegenha­lten zu können. Schließlic­h ist die Referenten­riege weit im Voraus über Sachverhal­te informiert. Diesen Vorsprung will ich aufholen. Einfach nur so Opposition betreiben, geht nicht. Ich checke erst alle Positionen ab, um zu wissen, ob und welche besseren Möglichkei­ten es gibt.

So wie bei den umstritten­en Baumfällun­gen am Herrenbach?

Schafitel: Es ist ja nicht so, dass ich mich immer vordränge. Aber Umweltrefe­rent

„Man kann Kanäle sanieren und die Bäume erhalten.“

Reiner Erben trug das Thema am 17. Mai im Stadtrat das erste Mal vor. Da hieß es, dass die Fällungen erst im Herbst beginnen. Ich ging davon aus, noch genügend Zeit zu haben, mich mit der Abholzung auseinande­rzusetzen. Drei Tage später kam der Schnellsch­uss und die Fällungen sollten noch im Mai beginnen. Mir blieb wenig Zeit, mir die nötigen Unterlagen zu beschaffen. Obwohl ich diese umgehend angeforder­t habe, wurden sie mir bis heute nicht zugestellt.

Wie lautet Ihr Vorschlag, um den Hochwasser­schutz an den Kanälen zu gewährleis­ten?

Schafitel: Man kann die Kanäle sanieren und die Bäume erhalten. Aber mit der umfangreic­hen Fällung der Bäume will die Stadt die Kosten dafür sparen. Es ist eine billige Lösung ohne Weitblick für Bürger und Natur.

Erfahren Sie Rückhalt in der Ausschussg­emeinschaf­t bezüglich Ihrer angestrebt­en Klage?

Schafitel: Die Kollegen haben Bedenken. Manche fürchten, man könne sich eine Gegenklage wegen Rufschädig­ung einhandeln. Aber ich lasse das alles gerade prüfen.

Stehen die Kollegen von ÖDP, Linke und Polit-WG generell hinter Ihnen?

Schafitel: Das machen sie schon. Aber ich kann nicht immer auf alle warten. Wenn es mir zu langsam geht, presche ich vor. Vermutlich arbeite ich mich in manche Themen intensiver ein.

Wann geraten Sie in Fahrt?

Schafitel: Wenn es um Stadtentwi­cklung geht. Das liegt an meinem Beruf als Architekt. Aktiv werde ich vor allem, wenn ich merke, dass ein Thema die Bürger bewegt und sie sich nicht gehört fühlen.

Wie bekommen Sie das mit?

Schafitel: Ich beobachte viel, rede mit den Menschen. Ich erhalte viele Mails. Aber die Bürgerschi­cht, die um ihre Stadt kämpft, wird dünner. Es gibt immer weniger Alteingese­ssene und die neuen Bewohner können sich vielleicht noch nicht so mit Augsburg identifizi­eren.

Spiegelt sich die gesellscha­ftliche Veränderun­g im Augsburger Stadtrat wider?

Schafitel: Zumindest ist er anders besetzt als früher. In der Stadt gibt es inzwischen weniger eigentumsg­eführte Geschäfte. Früher aber saßen genau diese Ladeninhab­er im Stadtrat. Ich glaube, sie hatten mehr Leidenscha­ft für Augsburg, waren näher dran an den Menschen.

Arbeitet der Stadtrat am Bürger vorbei?

Schafitel: Ich will nicht despektier­lich sein. Jeder engagiert sich. Aber manchmal fehlt unserem Stadtrat der Weitblick und die Möglichkei­t, sich persönlich einzubring­en. Es sind zu wenig Menschen dabei, die die Stadt und ihre Entwicklun­g im Fokus haben. Da wird zu oft hingenomme­n, was der Oberbürger­meister oder die Verwaltung vorgeben.

Warum sind Sie mit der Stadtregie­rung unzufriede­n?

Schafitel: Wie in der Bundespoli­tik gibt es keine richtige schwarze, rote oder grüne Partei mehr. Es ist nur noch ein Mischmasch. Wenn ich sehe, dass Reiner Erben als Grüner und als Umweltrefe­rent für die Abholzung plädiert, kann keiner mehr Vertrauen in diese Partei haben.

Was halten Sie von der Arbeit des Oberbürger­meisters?

Schafitel: Herr Gribl ist ein souveräner Vorsitzend­er im Stadtrat, aber er ist zu sehr Verwaltung­sjurist. Er hinterfrag­t nicht, sondern holt sich lieber Gutachten ein. Er ist zu weit weg vom Bürger. Im Fall Herrenbach hat er nur seinen Sprecher geschickt. Das ist kein Stil. Er hätte sich selbst hinstellen und den Menschen zuhören müssen.

Sie sind seit 2014 im Stadtrat. Mag man Sie dort überhaupt?

Schafitel: Anfangs spürte ich viel Ablehnung. Das lag vielleicht daran, dass ich mich erst einfinden musste – und weil ich aus der CSU ausgetrete­n war. Möglicherw­eise trat ich anfangs auch zu aggressiv auf und driftete zu sehr in Sarkasmus ab. Schafitel: Ich bin souveräner geworden, finde mich mit Mehrheitse­ntscheidun­gen ab. Mit Streiterei­en kann man eben nichts erreichen. Inzwischen erfahre ich mehr Respekt. Ich begründe meine Einwände schließlic­h immer. Ich stelle mich nur gegen etwas, wenn ich einen wollen nicht in eine Partei. Deshalb fände ich es toll, wenn Bürger einen eigenen Bürgerbloc­k für den Stadtrat aufbauen würden. Und zwar so, dass sie sich verpflicht­en, keine Koalition einzugehen. Denn Koalitione­n sind tödlich.

Spüren Sie bei Augsburger­n dafür eine Bereitscha­ft?

Schafitel: Momentan hat sich durch die Fällungen im Herrenbach ein Netzwerk entwickelt. Auch im Thelottvie­rtel regen sich viele wegen der Linie 5 auf. Bei der Stempflese­e-Sanierung vor ein paar Jahren sind auch Bürger auf die Barrikaden gegangen. Ich sehe Potenzial, dass die sich zusammensc­hließen. Schafitel: ... und der Erfolg engagierte­r Bürger. Auch damals sah man mich als ein Widersache­r, wie jetzt im Herrenbach. Dabei hatte ich nur einen anderen Vorschlag gemacht. Und es zeigte sich, dass es ging.

Volker Schafitel, 65, ist gebürtiger Augsburger und Architekt. Seit 2014 sitzt er für die Freien Wähler im Stadtrat. Neben Arbeit und Politik fährt er gerne auf seiner Harley Da vidson oder spielt Saxofon.

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? „Es ist ja nicht so, dass ich mich immer vordränge“: Volker Schafitel ist Stadtrat für die Freien Wähler. Opposition­spolitik bedeu tet für ihn, Entscheidu­ngen anzuzweife­ln, wenn er selbst bessere Möglichkei­ten sieht.
Foto: Bernd Hohlen „Es ist ja nicht so, dass ich mich immer vordränge“: Volker Schafitel ist Stadtrat für die Freien Wähler. Opposition­spolitik bedeu tet für ihn, Entscheidu­ngen anzuzweife­ln, wenn er selbst bessere Möglichkei­ten sieht.

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