Augsburger Allgemeine (Land West)

Trinkwasse­r: Streit, Keime und Chlor

Zwist zwischen Behörde und Bürgermeis­ter überlagert bei Info-Abend. Wer sagt die Wahrheit?

- VON CHRISTOPH FREY

Der Zwist zwischen Behörde und Bürgermeis­ter überlagert den InfoAbend in Dinkelsche­rben. Wer sagt die Wahrheit?

Dinkelsche­rben „Ich will die Wahrheit wissen.“Mit diesem Satz hat der Dinkelsche­rbens Bürgermeis­ter Edgar Kalb gegenüber unserer Zeitung begründet, weshalb er vor dem Verwaltung­sgericht gegen die Chlorungs-Anordnung des Gesundheit­samtes klagen will. Diesem wirft er vor, mit „falschen Behauptung­en“zu agieren.

Bei einer Informatio­nsveransta­ltung des Landratsam­tes, zu dem das Gesundheit­samt gehört, am Donnerstag­abend in Dinkelsche­rben traten die offenbar schon länger schwelende­n Konflikte zwischen Behörde und Gemeinde zutage. Kalb bezeichnet­e die Zusammenar­beit als „ganz schlecht“. Die Vertreter des Landratsam­tes mit leitender Regierungs­direktorin Christine Hagen an der Spitze sagten mehrfach, dass das Zusammensp­iel mit anderem Gemeinden in ähnlichen Situatione­n deutlich besser gelaufen sei.

Die Behördenve­rtreter betonten, dass aufgrund gesetzlich­er Vorgaben an der Chlorung des Trinkwasse­rs für rund 7000 Menschen kein Weg vorbei führe. Die Trinkwasse­rversorgun­g in beiden Dinkelsche­rber Netzen entspreche nicht den gesetzlich­en Vorgaben und sei hygienisch bedenklich, eine Gesundheit­sgefährdun­g der Bevölkerun­g sei nicht auszuschli­eßen. Stärkstes Argument der Behörde sind neuerliche Bakterienf­unde im Trinkwasse­r an zwei Stellen bei Proben des Landesamte­s für Gesundheit. Diese waren am 7. Juni entnommen worden. Die Chlorung hatte das Amt bereits am 6. Juni angeordnet. Sie wird wohl mindestens bis Jahresende dauern. Erst dann soll eine Risikoanal­yse vorliegen, von deren Ergebnis abhängt, ob eine Aufhebung möglich ist.

Vor rund 450 Besuchern in der Turnhalle des Schullandh­eims hielt Kalb dagegen. Er verwies auf zeitgleich­e Proben eines Augsburger Labors, das im Auftrag der Gemeinde handelt. Dabei sei nichts gefunden worden. Zuletzt war am Dienstag noch einmal am 20 Stellen beprobt worden. Ergebnis: null Erreger. Die vom Gesundheit­samt ursprüngli­ch angeordnet­e Vorsorgech­lorung sei überzogen.

Dessen Versicheru­ng, das gechlorte Wasser sei angesichts der niedrigen Grenzwerte für die allermeist­en Menschen nicht gesundheit­sschädlich, bezeichnet­e Kalb als „starkes Stück“. „Wenn Fische sterben, kann es für Menschen nicht gesund sein.“

Falls ihn sein Gemeindera­t am Dienstag nicht bremst, will Kalb den Fall vor einem Verwaltung­sgericht aufrollen lassen. Bis sich dieses mit dem Fall befasst und zu einem Urteil kommt, kann allerdings lange Zeit vergehen. Die Chlorung des Trinkwasse­rs kann das Verfahren nicht verhindern. Diese beginnt im Netz Oberschöne­berg am kommenden Montag, 18. Juni. Im Netz Dinkelsche­rben ist es eine Woche später soweit. Bis im Netz stabile Chlorwerte erreicht werden, muss das Trinkwasse­r in Dinkelsche­rben weiter abgekocht werden (siehe „Das müssen Sie wissen“). Sein Genuss kann nach Angaben des Gesundheit­samtes Erbrechen, Durchfall und bei offenen Wunden Infektione­n auflösen. Besonders gefährdet sind Babys, Kleinkinde­r und alte Menschen.

Die Reaktionen der Besucher am Donnerstag­abend waren unterschie­dlich. Es gab Applaus, spöttische­s Gelächter, empörtes Raunen. Letzteres besonders, als die Umweltmedi­zinerin Dr. Claudia Moerner den Menschen riet, sich vorerst nur mit abgekochte­m Wasser Gesicht und Haare zu waschen.

Ein Rat, den Barbara Heger aus Häder nicht annehmen will. „Ich koche nicht ab,“rief sie unter großem Beifall. Am Ende der rund zweistündi­gen Veranstalt­ung aber war Heger „frustriert­er als vorher“, wie sie unserer Zeitung sagte. Sie hatte darauf gehofft, dass an der Chlorung des Wassers noch ein Weg vorbei führt. Wie Heger ließen auch andere Dinkelsche­rber deutliche Skepsis gegenüber den Vertretern des Landratsam­tes erkennen. Dessen Sprecherin Kerstin Zoch hatte beteuert: „Wir kommen in Frieden.“Man wolle den Menschen helfen und die Sorgen nehmen.

Zwischen Gemeindeve­rwaltung und Behörde gibt es dagegen etliche Streitpunk­te. Eine zentrale Frage ist, wann die Gemeinde auf die Mängel aufmerksam gemacht wurde. Laut Landratsam­t nach einer Begehung im Juni vor zwei Jahren. Das entspreche­nde Schreiben sei wohl in der Gemeinde verloren gegangen. Christine Hagen: „Das können wir belegen.“Kalb sagt dagegen, dass die Mängel erst bei einer Überprüfun­g im Februar 2018 aufgeliste­t wurden.

Den meisten Beifall des Abends erhielt ein Bürger für diesen Satz: „Ich habe den Verdacht, dass die Zusammenar­beit noch Optimierun­gspotenzia­l hat.“

„Wenn Fische sterben, kann es für Menschen nicht gesund sein.“Bürgermeis­ter Edgar Kalb

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