Augsburger Allgemeine (Land West)
Trinkwasser: Streit, Keime und Chlor
Zwist zwischen Behörde und Bürgermeister überlagert bei Info-Abend. Wer sagt die Wahrheit?
Der Zwist zwischen Behörde und Bürgermeister überlagert den InfoAbend in Dinkelscherben. Wer sagt die Wahrheit?
Dinkelscherben „Ich will die Wahrheit wissen.“Mit diesem Satz hat der Dinkelscherbens Bürgermeister Edgar Kalb gegenüber unserer Zeitung begründet, weshalb er vor dem Verwaltungsgericht gegen die Chlorungs-Anordnung des Gesundheitsamtes klagen will. Diesem wirft er vor, mit „falschen Behauptungen“zu agieren.
Bei einer Informationsveranstaltung des Landratsamtes, zu dem das Gesundheitsamt gehört, am Donnerstagabend in Dinkelscherben traten die offenbar schon länger schwelenden Konflikte zwischen Behörde und Gemeinde zutage. Kalb bezeichnete die Zusammenarbeit als „ganz schlecht“. Die Vertreter des Landratsamtes mit leitender Regierungsdirektorin Christine Hagen an der Spitze sagten mehrfach, dass das Zusammenspiel mit anderem Gemeinden in ähnlichen Situationen deutlich besser gelaufen sei.
Die Behördenvertreter betonten, dass aufgrund gesetzlicher Vorgaben an der Chlorung des Trinkwassers für rund 7000 Menschen kein Weg vorbei führe. Die Trinkwasserversorgung in beiden Dinkelscherber Netzen entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben und sei hygienisch bedenklich, eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung sei nicht auszuschließen. Stärkstes Argument der Behörde sind neuerliche Bakterienfunde im Trinkwasser an zwei Stellen bei Proben des Landesamtes für Gesundheit. Diese waren am 7. Juni entnommen worden. Die Chlorung hatte das Amt bereits am 6. Juni angeordnet. Sie wird wohl mindestens bis Jahresende dauern. Erst dann soll eine Risikoanalyse vorliegen, von deren Ergebnis abhängt, ob eine Aufhebung möglich ist.
Vor rund 450 Besuchern in der Turnhalle des Schullandheims hielt Kalb dagegen. Er verwies auf zeitgleiche Proben eines Augsburger Labors, das im Auftrag der Gemeinde handelt. Dabei sei nichts gefunden worden. Zuletzt war am Dienstag noch einmal am 20 Stellen beprobt worden. Ergebnis: null Erreger. Die vom Gesundheitsamt ursprünglich angeordnete Vorsorgechlorung sei überzogen.
Dessen Versicherung, das gechlorte Wasser sei angesichts der niedrigen Grenzwerte für die allermeisten Menschen nicht gesundheitsschädlich, bezeichnete Kalb als „starkes Stück“. „Wenn Fische sterben, kann es für Menschen nicht gesund sein.“
Falls ihn sein Gemeinderat am Dienstag nicht bremst, will Kalb den Fall vor einem Verwaltungsgericht aufrollen lassen. Bis sich dieses mit dem Fall befasst und zu einem Urteil kommt, kann allerdings lange Zeit vergehen. Die Chlorung des Trinkwassers kann das Verfahren nicht verhindern. Diese beginnt im Netz Oberschöneberg am kommenden Montag, 18. Juni. Im Netz Dinkelscherben ist es eine Woche später soweit. Bis im Netz stabile Chlorwerte erreicht werden, muss das Trinkwasser in Dinkelscherben weiter abgekocht werden (siehe „Das müssen Sie wissen“). Sein Genuss kann nach Angaben des Gesundheitsamtes Erbrechen, Durchfall und bei offenen Wunden Infektionen auflösen. Besonders gefährdet sind Babys, Kleinkinder und alte Menschen.
Die Reaktionen der Besucher am Donnerstagabend waren unterschiedlich. Es gab Applaus, spöttisches Gelächter, empörtes Raunen. Letzteres besonders, als die Umweltmedizinerin Dr. Claudia Moerner den Menschen riet, sich vorerst nur mit abgekochtem Wasser Gesicht und Haare zu waschen.
Ein Rat, den Barbara Heger aus Häder nicht annehmen will. „Ich koche nicht ab,“rief sie unter großem Beifall. Am Ende der rund zweistündigen Veranstaltung aber war Heger „frustrierter als vorher“, wie sie unserer Zeitung sagte. Sie hatte darauf gehofft, dass an der Chlorung des Wassers noch ein Weg vorbei führt. Wie Heger ließen auch andere Dinkelscherber deutliche Skepsis gegenüber den Vertretern des Landratsamtes erkennen. Dessen Sprecherin Kerstin Zoch hatte beteuert: „Wir kommen in Frieden.“Man wolle den Menschen helfen und die Sorgen nehmen.
Zwischen Gemeindeverwaltung und Behörde gibt es dagegen etliche Streitpunkte. Eine zentrale Frage ist, wann die Gemeinde auf die Mängel aufmerksam gemacht wurde. Laut Landratsamt nach einer Begehung im Juni vor zwei Jahren. Das entsprechende Schreiben sei wohl in der Gemeinde verloren gegangen. Christine Hagen: „Das können wir belegen.“Kalb sagt dagegen, dass die Mängel erst bei einer Überprüfung im Februar 2018 aufgelistet wurden.
Den meisten Beifall des Abends erhielt ein Bürger für diesen Satz: „Ich habe den Verdacht, dass die Zusammenarbeit noch Optimierungspotenzial hat.“
„Wenn Fische sterben, kann es für Menschen nicht gesund sein.“Bürgermeister Edgar Kalb