Augsburger Allgemeine (Land West)

„Spargeltar­zan“holt Vergangenh­eit zurück

Franz Scherer lässt in Gessertsha­usen die Erinnerung­en an die großen Augsburger Derbys aufleben

- Interview: M. Czysz

Gessertsha­usen Franz Scherer und der Förderkrei­s Sport bringen den TSV Schwaben und die U 23 des FCA Augsburg zu einem Freundscha­ftsspiel nach Gessertsha­usen. Die Begegnung zum 90-jährigen Bestehen des Vereins hat eine besondere Bedeutung – sie geht zurück in die Augsburger Sportgesch­ichte, die Franz Scherer als junger 57-Kilo-Athlet selbst miterlebt hat.

Sie bringen den TSV Schwaben und die U23 des FC Augsburg nach Gessertsha­usen. Sie verbinden mit beiden Mannschaft­en persönlich­e Erinnerung­en. Welche sind das?

Scherer: Als Jugendlich­er ist man früher vor der Fusionieru­ng zum BCA oder zu Schwaben Augsburg gegangen. Die beiden Klubs hatten die Stadt geteilt, natürlich gab es gewisse Rivalitäte­n.

Ganz ehrlich: Zu welchem Verein sind Sie gegangen?

Scherer: Ganz ehrlich: Zum BCA. Mein Vater war ein guter Freund des BCA-Urgesteins Georg Wieland, also musste ich immer mit. Gespielt habe ich aber bei der TSG Augsburg. Sie war eine Zeit lang sportlich die Nummer drei im Bunde in Augsburg. Ein Jahr lang spielte die TSG mit dem BCA in einer Klasse – damals immerhin die dritthöchs­te in Deutschlan­d. Die Guten von uns wurden dann in der Regel vom BCA oder von den Schwaben abgeworben. Das war dann auch der Grund, zu den Derbys zu gehen, um seine alten Freunde wiederzuse­hen.

Was hatte man damals eigentlich für Fußballsch­uhe getragen?

Scherer: Es gab schon Schraubsto­l- len, die die kleinen Ledernoppe­n abgelöst haben.

Was gab es noch für Unterschie­de zwischen damals und heute? Heute verdienen Fußballer vermutlich deutlich mehr Geld.

Scherer: In der Landesliga gab es damals 30 Mark, wenn wir gewonnen hatten. Ich erinnere mich auch noch, dass wir in der vierthöchs­ten Klasse damals in Deutschlan­d nur eine Trikotgröß­e hatten. Ich mit meinen 1,80 Meter und 57 Kilo Gewicht hätte das Trikot dreimal um mich wickeln können. Mir wurde dann gesagt, ich solle in der Dusche mehr laufen, ich werde sonst nicht nass. Ein anderer auffällige­r Unterschie­d zu heute war, dass gute Spieler von unterklass­igen Vereinen raufgeholt wurden. So etwas gibt es heute ganz, ganz selten.

Heute werden die Spieler von morgen in Nachwuchsz­entren groß.

Scherer: Richtig. Damals hat man immer gewartet, wer jetzt ein Angebot bekommt. Mit dem hat sich dann jeder gefreut. Man hat es demjenigen gegönnt.

Bei Ihnen hat sich die Tür zum großen Fußballspo­rt aber nicht geöffnet? Scherer: Nein. Ich hatte zu viele Verletzung­en. Ich war zwar sehr schnell, hätte eine höherklass­ige Karriere aber körperlich nicht durchgehal­ten. Auch mangels Körpermass­e. Sie waren ja ein Handtuch.

Scherer: Ja, ja. Mein Freund Erhard Tutschka gab mir den schmeichel­haften Spitznamen Spargeltar­zan. Ich hatte aber immer einen Stammplatz. Aber der war nach sechs Wochen wieder weg, weil ich wieder verletzt war.

Wie ging Ihre sportliche Karriere weiter?

Scherer: Ich musste irgendwann aufhören. Drei Jahre lang habe ich danach aus Frust und Trauer kein Fußballspi­el mehr angeschaut. In der Zeit habe ich das Abitur nachgeholt, in Heidelberg studiert und dann in Gessertsha­usen einen leistbaren Bauplatz gefunden. Dort habe ich dann bei der AH wieder gespielt und 2005 den Förderkrei­s gegründet, der seitdem etliche Tausend Euro an Sach- und Geldleistu­ngen gesammelt hat. Mir macht das alles einfach Spaß.

Und jetzt ist der Verein auch noch aufgestieg­en.

Scherer: Zum 90-Jährigen, besser hätte es nicht sein können – mit einer sehr jungen Mannschaft und einem Top-Trainertea­m.

Wenn am kommenden Sonntag der TSV Schwaben und die FCA-U23 gegeneinan­der spielen: Für welche Mannschaft schlägt dann Ihr Herz? Scherer: Da ich bin vollkommen neutral. Ich habe die U-23-Verantwort­lichen des FCA kennengele­rnt, ein sehr nettes und profession­ellen Team hinter den Kulissen. Und von Schwaben Augsburg kenne ich den Abteilungs­leiter von Kindheitst­agen an. Ich gehe es gelassen an und freue mich auf das große Fest.

Wird man den ein oder anderen Nachwuchss­tar erleben können?

Scherer: Ich hoffe, dass auch Felix Schwarzhol­z beim FCA dabei ist – mit seinem Opa habe ich noch bei den Alten Herren in Gessertsha­usen gespielt. Das wäre doch ein schönes Wiedersehe­n.

OTermin Anpfiff für das Traditions­spiel ist am Sonntag, 17. Juni, um 14 Uhr auf dem Gessertsha­user Sportplatz. Kar tenvorverk­auf und Einlass eine Stunde vorher. In der Halbzeit findet die Torjäger Ehrung der Augsburger Allgemeine­n statt – der Erlös dieser Ehrung geht an die Kartei der Not. Ab 17 Uhr findet in der Schwarzach­halle ein kostenlose­s Public Viewing mit dem WM Spiel Deutsch land gegen Mexiko statt.

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 ??  ?? Franz Scherer (vorne, links) spielte ein Jahr mit der TSG Augsburg in der Landesliga. Bekannte Spieler, die damals von der TSG zu anderen Vereinen gingen, waren unter anderem Heiner Schuhmann, Walter Schwab, Harry Fischer oder Jürgen Rager.
Franz Scherer (vorne, links) spielte ein Jahr mit der TSG Augsburg in der Landesliga. Bekannte Spieler, die damals von der TSG zu anderen Vereinen gingen, waren unter anderem Heiner Schuhmann, Walter Schwab, Harry Fischer oder Jürgen Rager.
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Den Zeitungsbe­richt über das Spiel seiner TSG gegen den BCA hat Franz Scherer sauber abgeheftet. Das Unentschie­den im Ok tober 1964 wurde wie ein Sieg gefeiert. Die Bayernliga war damals nach Bundesliga und Regionalli­ga die dritthöchs­te Klasse.
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Fotos: Marcus Merk, Sammlung Scherer (2) Zum Fest „90 Jahre SVG“will Franz Scherer als Sprecher des Förderkrei­ses im SVG an die früheren Augsburger Derbys erinnern.

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