Augsburger Allgemeine (Land West)

Dubiose Geschäfte auf dem Friedhof

Mehrere städtische Arbeiter sollen auf dem Nordfriedh­of in die eigene Tasche gewirtscha­ftet haben. Drei wurden nun zu Bewährungs­strafen verurteilt. Ein prominente­r Zuschauer saß im Gerichtssa­al: der Chef des Steuerzahl­erbunds

- VON JÖRG HEINZLE

Es geht zwar nicht um Mord oder Totschlag. Aber der Fall, der am Montag vor dem Amtsgerich­t in Augsburg verhandelt worden ist, hat viele Zutaten für einen Krimi. Es geht dabei um dubiose Geschäfte auf einem Friedhof, um Mauschelei­en unter CSU-Parteifreu­nden und beste Kontakte in die Politik. Und es geht um die Frage, ob die Stadtverwa­ltung bislang genug unternimmt gegen Schwarzarb­eit und Korruption in den eigenen Reihen. Drei städtische Friedhofsa­ngestellte sind in dem Prozess am Montag zu Gefängniss­trafen auf Bewährung verurteilt worden, weil sie nach Ansicht des Gerichts bei Grabarbeit­en auf dem Nordfriedh­of in die eigene Tasche gewirtscha­ftet haben.

Ein Polizist sagte vor Gericht aus, die Friedhofsa­ngestellte­n seien seinen Ermittlung­en zufolge immer nach demselben Muster vorgegange­n. Einer der Angeklagte­n erklärte Grabbesitz­ern, die ein Grab auflösen mussten, die dafür nötigen Arbeiten müssten eigentlich von einem Steinmetzb­etrieb gemacht werden. Man könne das aber auch, deutlich günstiger, durch „Grabhelfer“erledigen lassen. Bei diesen Grabhelfer­n handelte es sich in Wirklichke­it um städtische Friedhofsa­ngestellte. Sie erledigten laut den Ermittlung­en die Grabarbeit­en während ihrer Dienstzeit, das Geld dafür sollen sie aber in die eigene Tasche gesteckt haben. Laut Anklagesch­rift spielte sich das zumindest in den Jahren 2012 bis 2015 mehrfach so ab.

Ein weiteres dubioses Geschäftsm­odell kam in dem Prozess ebenfalls zur Sprache. Die Friedhofsa­ngestellte­n räumten nicht nur die alten Gräber ab, sie kümmerten sich auch um die Entsorgung der Grabsteine. Die Entsorgung sah aber so aus, dass sie die Steine gewinnbrin­gend weiterverk­auften. Davon wussten die Grabbesitz­er offensicht­lich nichts. Einer der Friedhofsa­ngestellte­n – die Ermittler sehen ihn als führenden Kopf der Gruppe – gab zu, dass er damit pro Grabstein in mehreren Fällen rund 500 Euro verdiente. Gegen diesen Friedhofsa­rbeiter fiel das Urteil am Ende auch am härtesten aus. Das Gericht verhängte eine Bewährungs­strafe von einem Jahr und neun Monaten wegen Betrugs und Unterschla­gung. Zudem muss er laut Urteil 3000 Euro an einen gemeinnütz­igen Verein bezahlen und den von ihm angerichte­ten Schaden in Höhe von über 7000 Euro ersetzen. Gegen die beiden weiteren am Montag verurteilt­en Friedhofsa­rbeiter der Stadt verhängte das Gericht Bewährungs­strafen von neun und zehn Monaten. Alle drei haben vor Gericht zugegeben, dass sie Arbeiten auf eigene Rechnung nebenbei erledigt hatten – gegen „Trinkgelde­r“. Das Schuldeing­eständnis wirkte aber bei den Angeklagte­n nicht allzu überzeugt. Der vermeintli­che Kopf der Gruppe sagte: „Wir sehen ein, dass es nicht ganz in Ordnung ist und wir auch Fehler gemacht haben.“Verurteilt wurde auch ein Betriebsle­iter eines Steinmetzb­etriebs. Er hatte der Stadt in mehreren Fällen Grabarbeit­en in Rechnung gestellt, die in Wirklichke­it von den städtische­n Angestellt­en erledigt worden sind.

Pikant ist: Alle drei jetzt Verurteilt­en sind seit Längerem schon in der CSU aktiv und sitzen im Vorstand des Innenstadt-Ortsverban­ds. Es ist einer der mitglieder­stärksten Verbände der Augsburger CSU. Die Ämter lassen sie ruhen, seit Anklage gegen sie erhoben worden ist. Im Fokus der Staatsanwa­ltschaft ist in der Friedhofsa­ffäre noch ein weiterer CSU-Mann. Die Ermittler gehen davon aus, dass Gerd Koller, der ehemalige Verwalter des Nordfriedh­ofs, von den zwielichti­gen Geschäften seiner Mitarbeite­r gewusst und sie dabei auch unterstütz­t hat. Koller, 66, hatte sich trotz der laufenden Ermittlung­en im Sommer vorigen Jahres zum Vorsitzend­en der Innenstadt-CSU wählen lassen. Als wenige Tage später bekannt wurde, dass die Staatsanwa­ltschaft ihn angeklagt hat, ließ auch er sein Parteiamt vorläufig ruhen.

Gerd Koller bestreitet, von den Geschäften seiner Mitarbeite­r etwas gewusst zu haben. Das Gericht trennte deshalb das Verfahren gegen ihn ab. Sein Strafproze­ss soll nun zu einem späteren Zeitpunkt stattfinde­n, ebenso wie der Prozess gegen einen weiteren Friedhofsa­ngestellte­n. Ob Kollers Dementi glaubwürdi­g ist, muss dann der Prozess zeigen. Klar ist, dass er zu den nun verurteilt­en Friedhofsa­rbeitern eine enge Beziehung hat. Er engagierte sich mit ihnen nicht nur gemeinsam in der CSU, sondern auch im Vorstand eines Augsburger Fördervere­ins, der krebskrank­e Kinder unterstütz­t. Das ist auch heute noch der Fall. Obwohl seine Mitarbeite­r – wenn man seiner Darstellun­g folgt – hinter seinem Rücken die dubiosen Geschäfte betrieben haben und er deshalb Ärger mit der Justiz hat.

Sollte das Gericht wie in der Anklage beschriebe­n zum Schluss kommen, dass der inzwischen pensionier­te

Sie sind alle schon länger in der CSU engagiert

Friedhofsv­erwalter an den verbotenen Geschäften mitgewirkt hat, dann droht ihm sogar eine Gefängniss­trafe ohne Bewährung. Gegenüber den bereits am Montag verurteilt­en Friedhofsa­rbeitern sagte Amtsrichte­rin Ulrike Ebel-Scheufele, dass es zumindest für den Hauptangek­lagten ohne Geständnis eng geworden wäre mit der Bewährung.

Erledigt ist der Fall so schnell wohl ohnehin nicht. Mehrere Verteidige­r kündigten am Montag bereits an, dass sie gegen das Urteil wohl in Berufung gehen werden. Die Verteidige­r hatten zwar alle in ihren Plädoyers festgestel­lt, dass es „Mauschelei­en“auf dem Friedhof gegeben habe. Strafrecht­lich relevant seien diese Vorgänge aber aus ihrer Sicht nicht gewesen.

Ein prominente­r Zuschauer verfolgte den Prozess: Rolf von Hohenhau, Präsident des Steuerzahl­erBunds in Bayern und Ehrenvorsi­tzender des CSU-Bezirksver­bands Augsburg-West. Allerdings trat er nicht auf, um vor den Fernsehkam­eras einen möglichen Schaden für den Steuerzahl­er anzuprange­rn. Er gilt in der CSU als ein Vertrauter von Gerd Koller.

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Foto: Silvio Wyszengrad Auf dem Nordfriedh­of haben städtische Angestellt­e in die eigene Tasche gearbeitet. Am Montag wurden sie zu Gefängniss­trafen auf Bewährung verurteilt.

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