Augsburger Allgemeine (Land West)

Durch die Blume

Mit Rosen, Tulpen, Nelken lassen sich Gefühle ohne Worte ausdrücken. Aber welche Blume passt zu welchem Anlass? Dieter Scheffler, der Chef der Blumenhall­e auf der Landesgart­enschau in Würzburg, weiß das genau

- Fotos: fotolia Herr. Interview: Alice Natter

In Lilien, Veilchen und Nelken stecken Botschafte­n. Wie in vielen anderen Blumen auch. Herr Scheffler, als Chef der Blumenhall­e auf der Würzburger Landesgart­enschau (noch bis 7. Oktober) lassen Sie Blumen sprechen. Was lässt sich denn alles blumig sagen? Dieter Scheffler: Eigentlich alle Seelenzust­ände. Heiße Emotionen, beglückend­e Sachen: Ich freue mich, dich kennengele­rnt zu haben. Ich liebe dich. Die rote Rose ist da ja das bekanntest­e Sinnbild und spricht von der großen Liebe. Eigentlich kann man aber alle Momente des Lebens durch Blumen übersetzen, auch Trauriges, bis hin zur Begleitung im Todesfall. Was man mitunter gar nicht in Worte fassen kann, kann man vielleicht mit Blumen viel stärker ausdrücken.

Die man aber richtig verstehen muss. Scheffler: Sicher, es gab ja früher richtige Chiffren und da spielte nicht nur die Farbe eine Rolle. In Kombinatio­n von Blume und Farbe hat man bestimmte Dinge mitteilen können, ohne dass man sie aussprach. Das ist verloren gegangen.

Weiße Rose. Und jeder wusste, was gemeint war?

Scheffler: In den gebildeten Schichten sicher schon. Wenn man in der Öffentlich­keit war und irgendeine­r Dame zeigen wollte, ich finde dich toll, ohne dass man es ausspreche­n durfte – dann überreicht­e man eben eine bestimmte Blume als Zeichen.

Kann man durch Blumen um etwas bitten? Sich über etwas beschweren? Scheffler: Ich weiß es nicht. Da wäre ein klares Ja oder Nein jetzt vermessen. Ich weiß nur, dass Farben ganz bestimmte Symbole haben. Wenn man zarte Gefühle hegt, könnte man es mal mit Rosa versuchen. Oder erst mit Weiß. Weiß ist die Farbe der Unschuld, das Reine, Jungfräuli­che. Dann langsam Zartrosa, dann kommt vielleicht das Gelb dazu.

Gelb?

Scheffler: Ja, mehr Energie als Rosa! Da steckt Freude und Leidenscha­ft drin. Und die große, ausbrechen­de Liebe, das Begehren ist dann Rot.

Wer gelbe Blumen schenkt, muss also aufpassen?

Scheffler: Ich glaube, heute können Sie alles schenken. Keiner kennt’s mehr, keiner weiß es mehr. Sie bekommen einen Strauß roter Rosen: toll! Aber wenn nur eine weiße Rose drin steckt: Rosenkrieg! Ein riesengroß­er Strauß roter Rosen mit einer weißen drin – da hat man sich nicht vertan, da ist die Liebe vorbei.

Das heißt, es sprechen vor allem die Farben? Scheffler: Die Farben sind das Ausschlagg­ebende, aber oft schon in Kombinatio­n. Die rote Nelke ist wirklich festgelegt für die Revolution. Sie ist besetzt bei den Kommuniste­n. Oder denken Sie an die portugiesi­sche Nelkenrevo­lution in den 1960er Jahren. Da sind Farbe und Blume besetzt, die lassen sich nicht austausche­n. Da kann man keine rote Tulpe nehmen.

Dann gehen wir die Blumen mal durch. Sonnenblum­e?

Scheffler: Gelb, rund, geschlosse­ne, ruhige Form. Die steht für das Heitere.

Lilie?

Scheffler: Bei weißen Lilien denken ja viele an Totenblume­n oder an Beerdigung­sblumen. Ja, bei uns im westlichen Kulturkrei­s hat die Lilie schon die Bedeutung einer Verabschie­dungsblume. Die weiße Calla ist genauso besetzt – und die weiße Chrysanthe­me. Bei uns! Im östlichen Kulturkrei­s ist das wieder anders. Man muss immer bedenken, wo man ist. Das habe ich zum ersten Mal festgestel­lt, als ich ein halbes Jahr in Dubai war. Im arabischen Raum gibt es ein komplett anderes Farbsystem, Farbverstä­ndnis. Da kam ich mit meinen Farben überhaupt nicht an.

Klingt, als könnten da Blumen für einen bösen Fauxpas sorgen.

Scheffler: Unbedingt. Wenn ich in einem fremden Kulturkrei­s bin, auch in Asien, würde ich mich wirklich erst mal schlaumach­en, wenn ich jemandem Blumen schenken möchte. Ist das jetzt richtig oder begehe ich da einen Fehler? Vergissmei­nnicht und Veilchen? Scheffler: Na ja, da sagt es der Name schon: Vergiss mich nicht. Ein banales, einfaches Blümchen – aber nette Geste. Beim Veilchen ist es ähnlich. Überhaupt, diese kleinen, unscheinba­ren Blüten, Wiesenblum­en – damit kann man auch eine Haltung ausdrücken. Schenke ich jetzt einer Frau einen Wiesenstra­uß mit zarten Kornblumen oder ein prachtvoll­es Orchideeng­ebinde? Will ich nur einen Seelenzust­and rüberbring­en – oder möchte ich protzen? Es kann beides gut ankommen oder danebengeh­en. Im arabischen Raum müssen es Orchideen sein, in Folie opulent im Karton verpackt. Da käme keiner auf die Idee, Wiesenblum­en zu verschenke­n. Das wäre lächerlich.

Was sollte gar nicht in einen Strauß? Scheffler: Kommt darauf an, wem man ihn schenkt und zu welchem Anlass. Es muss ästhetisch sein.

Petersilie? Lavendel? Brennnesse­l? Scheffler: Ich kann Ihnen sagen: Den Brautstrau­ß meiner Frau habe ich natürlich selbst gemacht, das habe ich mir nicht nehmen lassen. Und der hatte nur Kräuter drin. Da bin ich am Tag zuvor zum Viktualien­markt und habe ein Sortiment Kräuter gekauft. Dann bin ich in den Garten, habe hier eine Ranke, da ein Blümel abgeschnit­ten. War schick!

Was wäre für Sie ein angemessen­er Strauß für einen 90. Geburtstag? Scheffler: Dame oder Herr?

Scheffler: 90? Da gehe ich davon aus, er ist noch gut drauf und bei guter Gesundheit, raucht vielleicht eine schöne Zigarre und trinkt Whiskey oder Rum. Also etwas in Brauntönen, Orange, warme Farben.

Für den Todesfall? Weiß?

Scheffler: Nein, gar nicht mal. Natürlich nicht laut, bunt, nicht Blau, Lila, Pink zusammen. Aber farbig in einem Spektrum darf das schon sein.

Was sind die teuersten Blumen? Scheffler: Die ich je verarbeite­t habe? Doryanthes excelsa, die Speerblume aus Australien. Da kostet eine Blüte 150 Euro im Einkauf.

Wenn man die geschenkt bekommt … Scheffler: … dann meint es jemand aber sehr gut mit Ihnen! Sie ist deshalb so teuer, weil sie in Australien wild wächst und geschützt ist. Angebaut werden Hybriden, davon gibt es pro Jahr nur so 500 oder 600 für den weltweiten Handel. Wenn man da mal neun, zehn Exemplare bekommt für eine Ausstellun­g, ist das toll. Die sind fast mannshoch, Verpackung, Luftfracht. Das kostet.

Wie viele Orchideen, Rosen, Blumen überhaupt haben Sie selbst daheim? Scheffler: Gar nicht so viele. Ich bin bekennende­r Stadtmensc­h und habe Blumen auf der kleinen Loggia. Aber meine Frau bekommt jedes Wochenende einen Strauß. Den besorge ich mit den Brötchen und der Zeitung frisch auf dem Markt.

Dieter Scheffler ist seit 30 Jahren für Landes und Bundesgart­enschauen tätig. Der gebürtige Rheinlän der hat Florist gelernt und sich dann in Weihenste phan zum Floristtec­hniker weitergebi­l det. Der 61 Jährige war Ausbilder in Berlin, unterricht­ete in Dubai und lebt heute in München.

 ??  ?? Weiße Chrysanthe­men sind in unserem Kulturkrei­s Beerdigung­sblumen.
Weiße Chrysanthe­men sind in unserem Kulturkrei­s Beerdigung­sblumen.
 ??  ?? Zarte Wiesenblum­en wie blaue Kornblu men drücken zarte Bande aus.
Zarte Wiesenblum­en wie blaue Kornblu men drücken zarte Bande aus.
 ??  ?? Das Gelb der Sonnenblum­en steht für Freude und Leidenscha­ft.
Das Gelb der Sonnenblum­en steht für Freude und Leidenscha­ft.
 ??  ?? Weiße Lilien haben bei uns die Bedeu tung einer Verabschie­dungsblume.
Weiße Lilien haben bei uns die Bedeu tung einer Verabschie­dungsblume.
 ??  ?? Prächtige Orchideen verschenkt man, wenn man protzen will.
Prächtige Orchideen verschenkt man, wenn man protzen will.
 ??  ?? Rote Nelken sind das Symbol der Revo lution.
Rote Nelken sind das Symbol der Revo lution.
 ??  ?? Weiße Calla sind ebenfalls Totenblume­n, die für den Abschied stehen.
Weiße Calla sind ebenfalls Totenblume­n, die für den Abschied stehen.
 ??  ?? Kräuter wie Lavendel werden immer häufiger in Sträuße gebunden.
Kräuter wie Lavendel werden immer häufiger in Sträuße gebunden.
 ??  ?? Rote Rosen bedeuten Liebe, Begehren, Leidenscha­ft.
Rote Rosen bedeuten Liebe, Begehren, Leidenscha­ft.
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