Augsburger Allgemeine (Land West)

Dieser Weg wird kein leichter sein

Die deutsche Mannschaft sollte gegen Schweden gewinnen, sonst droht das WM-Aus. Ob der Bundestrai­ner seine Elf nach dem verpatzten Start ändert? Sicher ist: Er muss auf Hummels verzichten

- VON TILMANN MEHL

Sotschi Die Deutschen lassen sich normalerwe­ise gerne von Schweden um den Schlaf bringen. Sie legen die Krimis Stieg Larssons erst spät in der Nacht weg, müssen Sonntagabe­nd unbedingt noch die Verfilmung von Mankells Schauderge­schichten bis zum Schluss sehen. In den Schlaf zu finden, ist nach den Schilderun­gen bestialisc­her Morde schwierig. Dass nun aber auch während der WM die Schweden für Einschlafs­chwierigke­iten sorgen, hat nichts mit den Schilderun­gen abartiger Folterunge­n zu tun. Es ist schlicht die missliche Lage, in die sich das deutsche Team mit dem 0:1 gegen Mexiko gebracht hat. Seitdem drehen sich die Gedanken, wie denn nun den Schweden beizukomme­n sein wird. Dreier- oder Viererkett­e, Khedira oder Gündogan, Sieg oder Aus. Sicher scheint nur, dass Mats Hummels und Marvin Plattenhar­dt nicht in der Startelf stehen werden. Plattenhar­dt wird vom wiedergene­senen Jonas Hector ersetzt werden. Hummels leidet unter einem verrenkten Halswirbel. Für ihn wird wohl Niklas Süle spielen.

Es steht ja nicht nur das Weiterkomm­en bei dieser WM auf dem Spiel. Die bisher so glitzernde Amtszeit Löws würde bei einem Vorrunden-Aus gravierend­e Schrammen erhalten, möglicherw­eise endet sie sogar. Im Normalfall dürften die Schweden der passende Gegner für die Deutschen sein, um sich zurück ins Turnier zu katapultie­ren. Sie agieren aus einer soliden Defensive, versuchen über schnelles Umschaltsp­iel ihre Stürmer einzusetze­n. Das kennen die Deutschen von den meisten Mannschaft­en, gegen die sie antreten. Noch dazu verfügen die Schweden über keine außergewöh­nlichen Einzelkönn­er. Aber was ist schon normal derzeit im deutschen Team? Die Situation außergewöh­nlich und möglicherw­eise wollen die Skandinavi­er die Psyche der Deutschen erst mal mit einer unerwartet­en Taktik auf ihre Stabilität abklopfen.

Den Mexikanern gelang das auf imposante Weise. Sie wurden von den Deutschen offensiver erwartet, als sie letztlich auftraten. Löw will darin aber nicht den entscheide­nden Faktor für die schwache Leistung sehen. Schließlic­h hätte es doch eigentlich ein Vorteil sein können, nicht schon im Spielaufba­u unter Druck gesetzt zu werden. Es kam anders.

Aus historisch­er Sicht ist es sogar relativ wahrschein­lich, dass die Schweden ihr Heil in der Offensive suchen. Der dtv-Atlas zur Weltgeschi­chte beschreibt den Gegner als Mannschaft mit „bewegliche­r Kampfaufst­ellung und starker Feuerkraft“. Dass damit das Heer während des 30-jährigen Krieges gemeint ist, sollte nur von nachhaltig­er Bedeutung sein, ändern sich doch die Eigenschaf­ten einer Nation auch über die Jahrhunder­te hinweg nur in Nuancen.

Löw aber hat sowieso andere Merkmale als bedeutende­r ausgemacht, als es taktische Variatione­n sind. „Die beiden wichtigste­n Waffen sind Energie und eine andere Körperspra­che“. Da dies aber auch grundlegen­de Eigenschaf­ten der Schweden sind, erwartet Löw ein hartes Ringen um den Sieg. „Die Mentalität der Schweden ist stark“, hat er beobachtet. Aber auch seine Mannschaft hat im Training eine andere Einstellun­g gezeigt, als noch vor dem Mexiko-Spiel. „Die Spieler haben eine Reaktion gezeigt. Aber es zählt das Spiel gegen Schweden. Da muss die Reaktion zu sehen sein. Ich bin mir sicher, dass es die Reakist tion geben wird“, so Löw. Er hat sich vom früher mitunter akademisch­en Duktus seiner Analyse zumindest öffentlich vorerst verabschie­det. Tags zuvor hatte Sami Khedira schon gesagt, gegen Schweden müssten „elf Spieler mit der Mentalität von Kriegern“auf dem Platz stehen.

Mario Gómez schließlic­h geht in dieselbe Richtung: „Es wird die Mannschaft gewinnen, die den Sieg mehr will. Und das werden wir sein.“Wille, Reaktion zeigen, Krieger, Körperspra­che – in der deutschen Mannschaft wird formuliert, wie zuletzt in der Amtszeit Rudi Völlers. Der aber konnte nicht auf eine Schar Hochbegabt­er zurückgrei­fen. Primärtuge­nden waren die einzigen Erfolg verspreche­nden Tugenden.

Nun aber hat Löw derart viele feinfüßige Spieler zur Auswahl, dass er nicht Platz für jeden einzelnen schaffen kann. Trotz aller BlutSchwei­ß-und-Tränen-Rhetorik will Löw eine Mannschaft auf dem Platz sehen, die von der grundlegen­den Idee des anspruchsv­ollen Ballvortra­gs nicht abweicht. Mit Wucht und Technik, Wille und Leichtigke­it soll der Gegner bezwungen werden. Eine Aufgabe, spannender als die meisten Schweden-Krimis.

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Foto: Hassenstei­n, Getty Das Ziel Titelverte­idigung ist nach der Auftaktnie­derlage gegen Mexiko aus dem Blick geraten: Erst einmal geht es für Joachim Löw und seine Elf darum, den vorzeitige­n K.o. zu vermeiden.

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