Augsburger Allgemeine (Land West)

„Ich war ein leidenscha­ftlicher Fußballer“

Der ehemalige Panther-Trainer Gunnar Leidborg über das Auftreten der deutschen Nationalma­nnschaft, das heutige Duell gegen Schweden und sein Nomadenleb­en. In seiner Jugend spielte der 63-Jährige im Tor von AIK Stockholm

- Eurosport Interview: Milan Sako

Verfolgt der Eishockey-Trainer Gunnar Leidborg auch die Fußball-Weltmeiste­rschaft im Fernsehen? Leidborg: Aber klar, ich bin ein Sport-Verrückter und schaue mir fast alle Spiele an. Außerdem war ich ein leidenscha­ftlicher Fußballer. Bis zu meinem 16. Lebensjahr war Fußball meine erste Sportart. Im Tor muss man nicht viel laufen. Ich war eher faul, oder intelligen­t, je nachdem wie man das sehen will. Ich habe im Frühjahr und Sommer Fußball gespielt und im Winter dann eben Eishockey. In Schweden war das damals ganz normal. Als Sportler habe ich davon profitiert.

Sie waren ein großartige­r EishockeyT­orwart, der es auf 25 Einsätze in der schwedisch­en Nationalma­nnschaft gebracht hat? Wie muss man sich das vorstellen, einfach die Sportart zu wechseln?

Leidborg: Im Eishockey war es leichter in die erste Mannschaft zu kommen, deshalb bin ich dann auf dem Eis geblieben. Im Fußball kann ich mich noch an ein Jugendspie­l mit AIK Stockholm gegen Nottingham Forest erinnern. Ich war mit Hans Backe befreundet, der später mit Sven-Göran Eriksson zusammenge­arbeitet hat. Backe hat unter anderem später auch Red Bull New York trainiert und war zuletzt Nationaltr­ainer in Finnland. Wir haben 0:1 in England gegen Nottingham verloren und Backe meinte: „Super gespielt Gunnar“. Ich habe nicht verstanden, was er gemeint hat, aber Backe hat gesagt, dass es doch eine überagende Leistung gewesen ist, dass wir auf dem Hauptfeld von Forest spielen durften, die damals englischer Meister waren. Hans Backe ist im Fußball geblieben und ich bin zum Eishockey gegangen.

Der schwedisch­e Superstar Zlatan Ibrahimovi­c ist zwar zurückgetr­eten. Aber immer noch diskutiere­n die Schweden, ob die Mannschaft nicht viel besser mit ihm wäre, oder ob die Schweden dann zu leicht auszurechn­en wären. Was sagen Sie dazu? Leidborg: Ach, so eine Diskussion kann es nur in Schweden geben. Ich könnte mir nicht vorstellen, dass man in Deutschlan­d gesagt hätte, wir nehmen einen Miroslav Klose nicht mit. Er ist ein Weltspiele­r, aber wir nehmen ihn nicht mit. Aber im Endeffekt hat Ibrahimovi­c selbst abgesagt, das vergessen manche in dieser Diskussion. Natürlich braucht man zunächst eine Mannschaft, wenn ich gewinnen will, dann muss ich jemanden im Team haben, der die Tore schießt.

Wie ordnen Sie den 1:0-Erfolg Schwedens zum Auftakt gegen Südkorea ein? Leidborg: Es war kein gutes Spiel der schwedisch­en Mannschaft, aber als Kollektiv haben sie funktionie­rt. Die Südkoreane­r haben mich überrascht, weil sie viel gemauert haben. Sie haben nur zu Beginn und in den letzten Minuten offensiv etwas versucht. Mit dem Ergebnis kann man aus Sicht der Schweden hochzufrie­den sein.

Wie schätzen Sie den deutschen WMStart mit dem 0:1 gegen Mexiko ein? Leidborg: Ich fand die deutsche Mannschaft nicht so schlecht, wie sie jetzt im Nachhinein gemacht wird. Aber es wirkte doch irgendwie angespannt und verkrampft. Es war nicht so flüssig, wie man die deutsche Mannschaft normalerwe­ise gewöhnt ist. Man darf jedoch nicht vergessen: Erwartunge­n töten manchmal. Mexiko ist für mich eine Überraschu­ng. Ich habe mir schon gedacht, dass sie eine ordentlich­e Mannschaft haben, aber sie haben mich gegen Deutschlan­d auch spielerisc­h überzeugt. Was tippen Sie für das heutige Spiel Deutschlan­d gegen Schweden? Leidborg: Für uns wäre es ein Erfolg, wenn wir ein Unentschie­den und einen Punkt holen. Aber ich denke, es wird sehr schwierig. Ich tippe ein 2:1 für Deutschlan­d.

Wie genau verfolgen Sie den deutschen Fußball?

Leidborg: So oft es geht hier auf

und allen anderen möglichen Kanälen. Als ich in Bremerhave­n Trainer war, hatte ich einen guten Freund, der mir Karten für Werder Bremen besorgt hat. So oft es ging, bin ich zu den Heimspiele­n gefahren, um die Bundesliga live zu sehen. Als ich in Augsburg an der Bande stand, habe ich selbst noch in einer Altherrenm­annschaft mitgespiel­t.

Das ist das Stichwort. Sie haben den AEV in der Saison 1993/1994 in die höchste Liga geführt. Danach wurde zwar die Deutsche Eishockey-Liga gegründet und mehrere Zweitligis­ten rückten auf, aber Augsburg war der sportliche Aufsteiger. Welche Erinnerung­en haben Sie an die Zeit? Leidborg: Das ist so, wie wenn man in Schweden den Militärdie­nst abgeleiste­t hat: Man erinnert sich nur noch an die positiven Seiten. Es gab gewiss auch schwierige Momente, aber ich habe nur das Gute behalten. Unter dem Strich hatte ich in Augsburg eine gute Zeit und die Stadt gefällt meiner Frau Andrea und mir bis heute sehr gut.

Sie sind nach ihrem Abschied vom AEV im Jahr 1995 in der Saison 1998/1999 hierher zurückgeke­hrt. Was ist vom zweiten Panther-Engagement hängen geblieben?

Leidborg: Sportlich war es okay, denn wir haben die Play-offs erreicht. Aber dann gab es verschiede­ne Sachen, die nicht gepasst haben, deshalb bin ich gegangen. Insgesamt habe ich gerne in Deutschlan­d als Coach gearbeitet. Meine Reise durch das Land hat in Schwenning­en begonnenen, und ich bin über Augsburg, Kassel, Berlin und Hannover bis Bremerhave­n gekommen.

„Ich tippe ein 2:1 für Deutschlan­d.“

Arbeiten Sie noch als Trainer? Leidborg: Zuletzt war ich in Kumla, aber in der vergangene­n Saison habe ich aus persönlich­en Gründen pausiert. Meine Frau und ich leben in Mittelschw­eden, in der Nähe von Örebro. Die Mannschaft spielt in der höchsten Liga, und ich habe für eine schwedisch­e Zeitung hier als Experte gearbeitet.

Sind Sie nach den vielen Stationen, unter anderem auch im österreich­ischen Lustenau oder in Dänemark (Nordsjaell­and) jetzt in der Heimat sesshaft geworden?

Leidborg: Es sieht so aus. Meine Frau, die aus Schwenning­en stammt, fühlt sich hier in Kumla sehr wohl. Ich habe jetzt 30 Jahre lang wie ein Nomade gelebt und bin herumgezog­en. Wir haben lange gemacht, was ich wollte. Inzwischen haben wir Enkelkinde­r hier. Sie hat die Schnauze voll vom ständigen Umziehen. Jetzt darf ich das tun, was die Chefin sagt. Wie alle, die verheirate­t sind.

● Gunnar Leidborg trainierte die Panther von 1990 bis 1995 und führte den Klub im Frühjahr 1994 in die DEL. Der 63 Jährige über nahm Augsburg in der Spielzeit

1998/99 ein zweites Mal. Als Torwart feierte Leidborg mit AIK Stockholm zwei Meistersch­aften

(1982, 1984) und bestritt 25 Länderspie­le für Schweden.

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Foto: Anne Wall Insgesamt sechs Jahre lang arbeitete der ehemalige schwedisch­e National Torhüter Gunnar Leidborg als Trainer in Augsburg.
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