Augsburger Allgemeine (Land West)
Asyltourismus
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Ein Volk aus Reise-Tanten, wie die Deutschen es sind, ist nicht vor böse verzerrten SommerfrischePerspektiven gefeit. Jüngst griff Markus Söder das Wort „Asyltourismus“auf, womit er sich freiwillig-unfreiwillig in die vorderste Front der Stichwortgeber für das Unwort des Jahres 2018 katapultierte.
Diese Behauptung sei überzogen? Nein, ganz und gar nicht – und zwar aus dreierlei Gründen. Ein Bruder des „Asyltourismus“hatte es schon 2013 zum Unwort des Jahres gebracht: der „Sozialtourismus“– als gezielte Stimmungsmache gegen Einwanderung, die angeblich nur dazu diene, Sozialleistungen zu schnorren. Quasi „im Urlaub“abkassieren.
Aber unabhängig davon fällt auf, wie oft schon die Flüchtlingsdebatte mit aufrüstender Wortwahl in die Entscheidung für das Unwort des Jahres einfloss: „Gutmensch“(als Synonym für Flüchtlingshelfer, 2015), „freiwillige Ausreise“
(2006), „national befreite Zone“
(2000), „Überfremdung“(1993) und „ausländerfrei“(1991) schafften es alle auf den ersten Platz. Und knapp scheiterten: „Integrationsverweigerer“(2010), „Flüchtlingsbekämpfung“(2009), „Begrüßungszentren“(2004), „Ausreisezentrum“(2002), „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“(1992). Was für eine deutsche Tradition über zweieinhalb Jahrzehnte hinweg.
Der dritte Grund aber, warum Söders „Asyltourismus“in den Kandidatentopf 2018 kommen dürfte, das ist das zynisch-infame Muster, nach dem hier sprachgeschöpft wird: In demagogischer Weise werden zwei Vokabeln verknüpft, die eine positiv besetzt, die andere negativ besetzt. Wie bei den Unwörtern „Rentnerschwemme“, „betriebsratverseucht“, „Entlassungsproduktivität“, „sozialverträgliches Frühableben“. So diskreditiert man Menschen, Institutionen, Sachverhalte. Mit angemessener Sprache und sachlicher Debatte hat das nichts zu tun, aber viel mit Anheizen und Aufstacheln.