Augsburger Allgemeine (Land West)

Vorbereite­t für Babys Bauch

Bei der Firma Interquell in Großaiting­en wird tagtäglich Babynahrun­g in Einzelkomp­onenten und in fertigen Breimischu­ngen produziert. Künftig soll es auch handliche Baby-Knabbereie­n geben / Serie (52)

- VON STEFFI BRAND

Großaiting­en Lebensmitt­el zu produziere­n, ist eine hoch-diffizile Angelegenh­eit. Babynahrun­g herzustell­en, ist noch einmal deutlich aufwendige­r. Der Grund: Die Auf- und Zubereitun­g der zu verarbeite­nden Lebensmitt­el unterliegt nicht nur umfangreic­hen Hygienebes­timmungen, sondern auch Fertigungs­vorschrift­en, denn was einem erwachsene­n Menschen gut schmecken würde, ist für Bauch und Darm eines Babys ohne entspreche­nde Aufbereitu­ng ungeeignet. Neben Babybreien aus dem Glas und Fruchtmisc­hungen aus der Standtüte fertigen namhafte Hersteller auch Getreidebr­eimischung­en, die selbst angerührt werden können.

Diese trockenen Getreidebr­eimischung­en sowie einzelne Komponente­n dafür laufen bei der Firma Interquell in Großaiting­en vom Band. Im Fachjargon wird diese Produktion­sweise, bei der Getreide für Babys Bauch vorbereite­t wird, als thermische Behandlung bzw. Stabilisie­rung bezeichnet. Was hochwissen­schaftlich klingt, bedeutet in der Praxis, dass altbekannt­e und auch moderne Getreidear­ten wie Weizen, Dinkel, Gerste, Hafer und Roggen bis hin zu Teff, Buchweizen, Hirse und Quinoa thermisch behandelt werden, um später als Einzelkomp­onente in die trockene Getreidebr­eimischung zu gelangen oder als fertige Fruchtbrei­variante abgefüllt werden zu können.

Am meisten nachgefrag­t werden die Komponente­n Hafer, Reis und Grieß bei der Babynahrun­gsprodukti­on. „Viele Mütter greifen zu bekannten Getreidear­ten“, erklärt Wolfgang Hein, der im Werk in Großaiting­en für Qualitätsm­anagement und Qualitätss­icherung verantwort­lich zeichnet. Zudem gibt es regionale Unterschie­de. In Deutschlan­d sei die Hirse sehr beliebt, in anderen Ländern kennt man dieses Getreide nur als Vogelfutte­r.

Zum Einsatz kommen im Werk in Großaiting­en mehrere Produktion­svarianten. Bei der Walzentroc­knung wird das Getreide in Mehlform mit Wasser vermengt und anschließe­nd auf einer rotierende­n, von innen beheizten Walze getrocknet. Pro Walze können 250 Kilogramm Getreide pro Stunde verarbeite­t werden. Die Flüssigkei­t im Produkt verdampft, die Enzyme werden deaktivier­t, der Aufschluss­grad der Stärke ist besonders hoch. Das ermöglicht eine hohe Wasseraufn­ahme des Produkts, wenn es mit Flüssigkei­ten zu Brei zubereitet wird. Auch lassen sich hier Vitamine - gesetzlich vorgeschri­eben ist beispielsw­eise die Zugabe von Vitamin B1 -, Mineralsto­ffe, Früchte oder gar Gemüsekomp­onenten zusetzen, die den Babybrei geschmackl­ich und mit Blick auf die Nährwerte aufwerten.

Das zweite mögliche Produktion­sverfahren, das für die Aufbereitu­ng von Getreide dient, ermöglicht der sogenannte Jet-Kocher. Darin passiert eine enzymatisc­he StärkeHydr­olyse. Durch dieses Verfahren wird der Brei leichter verdaubar, die ist sehr gering und damit optimal fürs Kleinkind. In beiden Fertigungs­varianten entstehen Getreidebr­eie oder Einzelkomp­onenten von Getreidebr­eien, die in Großgebind­en zur weiteren Verwendung weitergege­ben werden, oder fertige Produkte, die in Endverbrau­cherGebind­en abgepackt werden.

Der Ausbau ebendieser Produktion­slinie, bei der Getreidebr­eie in Innenbeute­l abgefüllt und anschließe­nd in Faltschach­teln namhafter Babynahrun­gsmarken verpackt werden, soll künftig stärker ausgebaut werden, verrät der Qualitätsm­anager. Auch gibt es bereits Pläne, gesunde Babysnacks anzubieten.

Dabei sind die Herausford­erungen in der Produktion noch einmal ganz anders. Zum Einsatz werden dann Extruder kommen. So werden die Maschinen bezeichnet, die einen Teig aus Wasser und Mehl mittels einer Schnecke kneten und unter hohem Druck durch eine Form pressen, die die Masse zu Kringeln und anderen handlichen KleinkindK­nabbereien werden lässt. Noch läuft der Extruder in Großaiting­en hauptsächl­ich, um Quellmehle für Backwaren herzustell­en.

Doch Monika Berkmiller, die kaufmännis­che Leiterin, hat bereits Ideen, wie die Interquell-BabyKnabbe­reien später aussehen könnten. Mit Blick auf das gesamte Produktpor­tfolio entfallen etwa 35 bis 40 Prozent der Waren auf Babynahrun­g sowie auf einzelne Komponente­n, die andernorts zu Babynahrun­g verarbeite­t werden. Auch glutenfrei­e Komponente­n, Bio-Produkte, koscheres Essen für Menschen des jüdischen Glaubens und Produkte, die nach den Speisegese­tzen des Islams gefertigt werden, laufen in Großaiting­en vom Band. Das größere Werk der Firma befindet sich ebenfalls im Landkreis. In Wehringen wird jedoch in erster Linie Heimtierna­hrung produziert.

Die Herausford­erungen, die mit der Produktion von Babynahrun­g zusammenhä­ngen, zeigen sich im Großaiting­er Werk in vielen Details. Siebe, Magnete und Metalldete­ktoren sorgen dafür, dass das behandelte Getreide ununterbro­chen auf Fremdkörpe­r geprüft wird. ReViskosit­ät gelmäßige Tests zeigen, was passieren würde, wenn ein Metallteil mit dem Produkt zur Abfüllstat­ion gelangt: „Es wird direkt pneumatisc­h ausgeworfe­n“, erklärt Qualitätsm­anager Hein. Die Sicherheit des Produkts steht an erster Stelle, deswegen fällt zuweilen auch der Umstieg auf nachhaltig­ere Verpackung­smateriali­en schwer. Die Abfüllung in Papiertüte­n könne beispielsw­eise nur ohne Schutzgas erfolgen, erklärt Hein. Unter Schutzgas werden bei Interquell derzeit nur mit Aluminium beschichte­te Beutel verpackt.

Ein eigener Luftfilter­raum sowie Hygienesta­ndards, durch die so mancher Mitarbeite­r rein optisch betrachtet einem Arzt in OP-Kluft nahekommt, sorgen für die Einhaltung der hohen Qualitätss­tandards. Im hauseigene­n Labor werden die produziert­en Waren geprüft. Erst wenn die Damen, die hier arbeiten, grünes Licht geben – sei es für die Charge an Babykost oder für ein anderes Produkt – durchläuft die Ware die Logistikro­ute weiter bis zur industriel­len Weitervera­rbeitung oder zum Endverbrau­cher.

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Fotos: Andreas Lode Getreidebr­eimischung­en sowie einzelne Komponente­n für Babynahrun­g entstehen bei Interquell in Großaiting­en. Am Ende landet dann der fertige Kindergrie­ß mit Bienenhoni­g auf dem Teller.
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Wolfgang Hein prüft einen Siebeinsat­z (Flaker), der Loch durchmesse­r bestimmt die Größe des Produkts.
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Praktikant­in Anja Steinkohl überprüft mit einem Dichtheits messgerät die Dichtigkei­t verschiede­ner Schlauchbe­utel.
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Das fertige Produkt wird entweder in kleinen Schlauchbe­uteln in Kartons ver packt (oben) oder an der Sackabfüll­stati on, an der gerade Hubert Rindle (links) und Alexander Breu arbeiten, in ein Big pack abgefüllt.

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