Augsburger Allgemeine (Land West)
Vorbereitet für Babys Bauch
Bei der Firma Interquell in Großaitingen wird tagtäglich Babynahrung in Einzelkomponenten und in fertigen Breimischungen produziert. Künftig soll es auch handliche Baby-Knabbereien geben / Serie (52)
Großaitingen Lebensmittel zu produzieren, ist eine hoch-diffizile Angelegenheit. Babynahrung herzustellen, ist noch einmal deutlich aufwendiger. Der Grund: Die Auf- und Zubereitung der zu verarbeitenden Lebensmittel unterliegt nicht nur umfangreichen Hygienebestimmungen, sondern auch Fertigungsvorschriften, denn was einem erwachsenen Menschen gut schmecken würde, ist für Bauch und Darm eines Babys ohne entsprechende Aufbereitung ungeeignet. Neben Babybreien aus dem Glas und Fruchtmischungen aus der Standtüte fertigen namhafte Hersteller auch Getreidebreimischungen, die selbst angerührt werden können.
Diese trockenen Getreidebreimischungen sowie einzelne Komponenten dafür laufen bei der Firma Interquell in Großaitingen vom Band. Im Fachjargon wird diese Produktionsweise, bei der Getreide für Babys Bauch vorbereitet wird, als thermische Behandlung bzw. Stabilisierung bezeichnet. Was hochwissenschaftlich klingt, bedeutet in der Praxis, dass altbekannte und auch moderne Getreidearten wie Weizen, Dinkel, Gerste, Hafer und Roggen bis hin zu Teff, Buchweizen, Hirse und Quinoa thermisch behandelt werden, um später als Einzelkomponente in die trockene Getreidebreimischung zu gelangen oder als fertige Fruchtbreivariante abgefüllt werden zu können.
Am meisten nachgefragt werden die Komponenten Hafer, Reis und Grieß bei der Babynahrungsproduktion. „Viele Mütter greifen zu bekannten Getreidearten“, erklärt Wolfgang Hein, der im Werk in Großaitingen für Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung verantwortlich zeichnet. Zudem gibt es regionale Unterschiede. In Deutschland sei die Hirse sehr beliebt, in anderen Ländern kennt man dieses Getreide nur als Vogelfutter.
Zum Einsatz kommen im Werk in Großaitingen mehrere Produktionsvarianten. Bei der Walzentrocknung wird das Getreide in Mehlform mit Wasser vermengt und anschließend auf einer rotierenden, von innen beheizten Walze getrocknet. Pro Walze können 250 Kilogramm Getreide pro Stunde verarbeitet werden. Die Flüssigkeit im Produkt verdampft, die Enzyme werden deaktiviert, der Aufschlussgrad der Stärke ist besonders hoch. Das ermöglicht eine hohe Wasseraufnahme des Produkts, wenn es mit Flüssigkeiten zu Brei zubereitet wird. Auch lassen sich hier Vitamine - gesetzlich vorgeschrieben ist beispielsweise die Zugabe von Vitamin B1 -, Mineralstoffe, Früchte oder gar Gemüsekomponenten zusetzen, die den Babybrei geschmacklich und mit Blick auf die Nährwerte aufwerten.
Das zweite mögliche Produktionsverfahren, das für die Aufbereitung von Getreide dient, ermöglicht der sogenannte Jet-Kocher. Darin passiert eine enzymatische StärkeHydrolyse. Durch dieses Verfahren wird der Brei leichter verdaubar, die ist sehr gering und damit optimal fürs Kleinkind. In beiden Fertigungsvarianten entstehen Getreidebreie oder Einzelkomponenten von Getreidebreien, die in Großgebinden zur weiteren Verwendung weitergegeben werden, oder fertige Produkte, die in EndverbraucherGebinden abgepackt werden.
Der Ausbau ebendieser Produktionslinie, bei der Getreidebreie in Innenbeutel abgefüllt und anschließend in Faltschachteln namhafter Babynahrungsmarken verpackt werden, soll künftig stärker ausgebaut werden, verrät der Qualitätsmanager. Auch gibt es bereits Pläne, gesunde Babysnacks anzubieten.
Dabei sind die Herausforderungen in der Produktion noch einmal ganz anders. Zum Einsatz werden dann Extruder kommen. So werden die Maschinen bezeichnet, die einen Teig aus Wasser und Mehl mittels einer Schnecke kneten und unter hohem Druck durch eine Form pressen, die die Masse zu Kringeln und anderen handlichen KleinkindKnabbereien werden lässt. Noch läuft der Extruder in Großaitingen hauptsächlich, um Quellmehle für Backwaren herzustellen.
Doch Monika Berkmiller, die kaufmännische Leiterin, hat bereits Ideen, wie die Interquell-BabyKnabbereien später aussehen könnten. Mit Blick auf das gesamte Produktportfolio entfallen etwa 35 bis 40 Prozent der Waren auf Babynahrung sowie auf einzelne Komponenten, die andernorts zu Babynahrung verarbeitet werden. Auch glutenfreie Komponenten, Bio-Produkte, koscheres Essen für Menschen des jüdischen Glaubens und Produkte, die nach den Speisegesetzen des Islams gefertigt werden, laufen in Großaitingen vom Band. Das größere Werk der Firma befindet sich ebenfalls im Landkreis. In Wehringen wird jedoch in erster Linie Heimtiernahrung produziert.
Die Herausforderungen, die mit der Produktion von Babynahrung zusammenhängen, zeigen sich im Großaitinger Werk in vielen Details. Siebe, Magnete und Metalldetektoren sorgen dafür, dass das behandelte Getreide ununterbrochen auf Fremdkörper geprüft wird. ReViskosität gelmäßige Tests zeigen, was passieren würde, wenn ein Metallteil mit dem Produkt zur Abfüllstation gelangt: „Es wird direkt pneumatisch ausgeworfen“, erklärt Qualitätsmanager Hein. Die Sicherheit des Produkts steht an erster Stelle, deswegen fällt zuweilen auch der Umstieg auf nachhaltigere Verpackungsmaterialien schwer. Die Abfüllung in Papiertüten könne beispielsweise nur ohne Schutzgas erfolgen, erklärt Hein. Unter Schutzgas werden bei Interquell derzeit nur mit Aluminium beschichtete Beutel verpackt.
Ein eigener Luftfilterraum sowie Hygienestandards, durch die so mancher Mitarbeiter rein optisch betrachtet einem Arzt in OP-Kluft nahekommt, sorgen für die Einhaltung der hohen Qualitätsstandards. Im hauseigenen Labor werden die produzierten Waren geprüft. Erst wenn die Damen, die hier arbeiten, grünes Licht geben – sei es für die Charge an Babykost oder für ein anderes Produkt – durchläuft die Ware die Logistikroute weiter bis zur industriellen Weiterverarbeitung oder zum Endverbraucher.