Augsburger Allgemeine (Land West)
Beschwerdebrief abgefangen
Ein Streit unter Beamten der Justizvollzugsanstalt Gablingen über die Behandlung eines Häftlings führt zu einem kuriosen Prozess
Gablingen/Augsburg Auch bei Behörden, der Polizei und der Justiz sind sich Kollegen manchmal nicht so ganz „grün“. Der kollegiale Umgang muss allerdings schon gewaltig gestört sein, wenn sich der eine über den anderen beim Vorgesetzten schriftlich beklagt. Einen recht kuriosen Verlauf nahm jetzt der Beschwerdebrief eines Mitarbeiters der Krankenabteilung in der Justizvollzugsanstalt Gablingen, wie ein Prozess vor dem Augsburger Amtsgericht offenbarte.
In einem Schreiben an den Chef dieser Abteilung hatte der Beschäftigte einem Kollegen vorgeworfen, einem kranken Häftling, der über Hautausschlag klagte, nicht sachgerecht geholfen zu haben. Den Brief, der im Juni 2017 mit der Hauspost weitergeleitet wurde, adressierte er mit dem Zusatz „zu Händen Herrn …“. Die Beschwerde landete auch wie gewünscht auf dem Schreibtisch des Vorgesetzten.
Der war jedoch zu dieser Zeit in Urlaub – und sein Vertreter im Amt war ausgerechnet jener Beamte, 56, gegen den sich die Beschwerde gerichtet hatte. Der ließ den Brief einige Tage liegen, machte ihn aber dann auf und las den Inhalt. Der Brief, so viel steht fest, verschwand daraufhin. Der Fall wurde aber dennoch intern publik. Der 56-Jährige musste sich jetzt vor Amtsrichterin Susanne Scheiwiller wegen Verletzung des Briefgeheimnisses verantworten.
Der Angeklagte (Anwalt: Felix Dimpfl) räumte ein, er habe das Schreiben „ein bisschen in der Ablage vergraben“. Dem Chef gegenüber hatte er anfangs erklärt, das Schreiben habe nur „Nichtigkeiten“enthalten, weshalb er es „vernichtet“habe. Der Absender hatte sich aber eine Kopie seines Beschwerdebriefes ausgedruckt, sodass man den Inhalt hatte nachvollziehen können. Aufgrund der besonderen Umstände des Falles stellte das Gericht das Verfahren wegen „geringer Schuld“ein. Der 56-Jährige, der seit Längerem krank geschrieben ist, muss jedoch eine Geldauflage von 2000 Euro bezahlen.