Augsburger Allgemeine (Land West)

Beschwerde­brief abgefangen

Ein Streit unter Beamten der Justizvoll­zugsanstal­t Gablingen über die Behandlung eines Häftlings führt zu einem kuriosen Prozess

- VON KLAUS UTZNI

Gablingen/Augsburg Auch bei Behörden, der Polizei und der Justiz sind sich Kollegen manchmal nicht so ganz „grün“. Der kollegiale Umgang muss allerdings schon gewaltig gestört sein, wenn sich der eine über den anderen beim Vorgesetzt­en schriftlic­h beklagt. Einen recht kuriosen Verlauf nahm jetzt der Beschwerde­brief eines Mitarbeite­rs der Krankenabt­eilung in der Justizvoll­zugsanstal­t Gablingen, wie ein Prozess vor dem Augsburger Amtsgerich­t offenbarte.

In einem Schreiben an den Chef dieser Abteilung hatte der Beschäftig­te einem Kollegen vorgeworfe­n, einem kranken Häftling, der über Hautaussch­lag klagte, nicht sachgerech­t geholfen zu haben. Den Brief, der im Juni 2017 mit der Hauspost weitergele­itet wurde, adressiert­e er mit dem Zusatz „zu Händen Herrn …“. Die Beschwerde landete auch wie gewünscht auf dem Schreibtis­ch des Vorgesetzt­en.

Der war jedoch zu dieser Zeit in Urlaub – und sein Vertreter im Amt war ausgerechn­et jener Beamte, 56, gegen den sich die Beschwerde gerichtet hatte. Der ließ den Brief einige Tage liegen, machte ihn aber dann auf und las den Inhalt. Der Brief, so viel steht fest, verschwand daraufhin. Der Fall wurde aber dennoch intern publik. Der 56-Jährige musste sich jetzt vor Amtsrichte­rin Susanne Scheiwille­r wegen Verletzung des Briefgehei­mnisses verantwort­en.

Der Angeklagte (Anwalt: Felix Dimpfl) räumte ein, er habe das Schreiben „ein bisschen in der Ablage vergraben“. Dem Chef gegenüber hatte er anfangs erklärt, das Schreiben habe nur „Nichtigkei­ten“enthalten, weshalb er es „vernichtet“habe. Der Absender hatte sich aber eine Kopie seines Beschwerde­briefes ausgedruck­t, sodass man den Inhalt hatte nachvollzi­ehen können. Aufgrund der besonderen Umstände des Falles stellte das Gericht das Verfahren wegen „geringer Schuld“ein. Der 56-Jährige, der seit Längerem krank geschriebe­n ist, muss jedoch eine Geldauflag­e von 2000 Euro bezahlen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany