Augsburger Allgemeine (Land West)
Ist Jogis Zeit abgelaufen?
Deutschland enttäuscht auf ganzer Linie. Wir haben mit Trainern und Funktionären über die Gründe gesprochen – und gefragt, wem sie nun die Daumen halten
Landkreis Wohin man auch blickte, man sah enttäuschte Gesichter. Das vorzeitige Aus der Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Russland ist eine Watschn für alle deutschen Fußball-Fans. Aber woran lag es, dass Jogis Jungs auf ganzer Linie enttäuschten und schon nach der Gruppenphase die Koffer packen mussten? Wie geht es jetzt weiter? Und wem soll man jetzt die Daumen drücken? Darüber haben wir mit Trainern und Funktionären aus dem Landkreis gesprochen.
● Marco Löring (Trainer SV Cosmos Aystetten): „Ich habe die Aufstellung gesehen und mir schon gedacht, dass das nichts wird. Wie sollen Özil und Khedira, die man zuvor an den Pranger gestellt hat, plötzlich die Welt retten? Es ist doch normal, dass nach einem Scheitern Trainer ihren Hut nehmen. Auch Jogi Löw, der einige Fehler gemacht hat, wird sich Gedanken machen und die richtigen Schlüsse ziehen. In der zweiten Halbzeit gegen Schweden hatte man ja gesehen, wie man hätte spielen können. Das im letzten halben Jahr mehr über Probleme wie das Foto von Özil und Gündogan mit Erdogan oder die Verletzung von Neuer gesprochen wurde, hat vielleicht dazu beigetragen, dass die Mannschaft vom Kopf her nicht frei war. Wir hatten auch keinen richtigen Leader. Ich bin auch der Meinung, dass unsere Gruppe die unangenehmste von allen war. Da war kein Kleiner wie Panama oder Costa Rica drin. Aber das darf alles keine Ausrede sein. Unser Anspruch ist ein anderer. Als Gruppenletzter bist du verdient ausgeschieden. Bei Südkorea hat man gesehen, was man mit Kampf und Leidenschaft bewirken kann. In der deutschen Mannschaft muss nun ein Umbruch erfolgen. Özil, Khedira, Müller, Boateng und Gomez sollten aufhören, junge Spieler dafür hochkommen.
Ehrlich gesagt hat mich diese WM bisher überhaupt nicht interessiert. Mannschaften, die nicht Ballbesitz haben wollen, haben sich leichtgetan. Es haben doch lediglich Belgien und Kroatien guten Fußball gezeigt. Und auch Senegal hat mir gefallen. Vielleicht ist ja diesmal ein Afrikaner dran?
● Florian Fischer (Trainer TSV Gersthofen): „Mit solch einer Leistung hat man es nicht verdient, weiterzukommen. Das war nicht unglücklich, sondern wir haben einfach ein sehr schwaches Turnier gespielt. Woran es lag, kann ich als Außenstehender nur schwer beurteilen. Aber mit Sicherheit war die Sattheit der Spieler ein Faktor. Nach außen hin hat es auch den Anschein gehabt, als wären sich die Spieler – insbesondere die Führungsspieler – nicht ganz grün. Auch die Körpersprache der gesamten Mannschaft hat nicht gepasst. Da war einfach eine negative Stimmung auf dem Platz, das hat sicher auch zum WMAus beigetragen. Ob Jogi Löw jetzt seinen Hut nehmen soll, ist sehr schwer zu sagen. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber ich bin der Meinung, dass jeder Trainer nur eine begrenzte Zeit hat. Nach drei bis vier Jahren sollte man sich schon Gedanken machen, spätestens nach fünf Jahren ist einfach die Luft raus. Deshalb haben Mario (Anm. d. Red. Mario Schmidt, Trainerkollege von Fischer) und ich uns ja auch entschieden, Ecknach nach vier Jahren zu verlassen. Löw ist schon deutlich länger Bundestrainer. Es kann schon sein, dass die etablierten Spieler jetzt einfach wieder etwas Neues brauchen, eine frische Motivation. Letztlich muss Löw das aber selbst entscheiden.
Wer sich nun den WM-Titel holt, weiß ich nicht. Mich hat bisher niemand überzeugt. Belgien gefällt mir in der Offensive ganz gut, die spielen einen modernen Fußball, haben aber in der Defensive Schwächen. Einen konkreten Weltmeister-Tipp wage ich nicht abzugeben.“ ● Oliver Haberkorn (Trainer SpVgg Westheim): Die deutsche Mannschaft war einfach bodenlos. Aber es ist insgesamt keine WM. Das hat mit Fußball der Besten nichts zu tun. Die meisten Mannschaften stellen sich mit acht Mann hinten rein. Ich befürchte, dass es in acht Jahren noch schlimmer wird, wenn noch mehr Mannschaften mitspielen.
● Martin Brunner (Abteilungsleiter BC Aichach): „Meine Enttäuschung ist nicht sehr groß. Mit den gezeigten Leistungen wären wir im Achtelfinale sowieso ausgeschieden. Man hatte während des gesamten Turniers den Eindruck, die Spieler haben den Kopf nicht frei und irgendwie auch keine Lust. Es hat so ausgesehen, als spielen sie nur mit
60 Prozent Engagement. Jogi Löw ist einfach schon zu lange Bundestrainer, da gehört frisches Blut rein. Auch in die Mannschaft. Die Spieler haben schon zu viel erreicht, da fehlt dann einfach der nötige Erfolgshunger. Da gehört ausgemistet und umstrukturiert. Das Team muss mit jungen Spielern und einem neuen Trainer neu aufgebaut werden. Mein Favorit für den Titel in diesem Jahr ist ganz klar Brasilien.“ ● Frank Mazur (Trainer SSV Alsmoos-Petersdorf): „Ich war natürlich schon sehr enttäuscht. Aber ehrlich gesagt war das Ausscheiden schon vom ersten Spiel an abzusehen. Ich habe zwar nach dem Lastminute-Sieg gegen Schweden gehofft, dass ein Ruck durch die Mannschaft geht, aber der blieb aus. Was mich gestört hat, war, dass wir die berühmten Grundtugenden allesamt haben vermissen lassen. Wir haben uns insgesamt einfach enttäuschend präsentiert, das macht das Ausscheiden umso bitterer. Denn wenn wir gut gespielt hätten, aber das Glück gefehlt hätte, würde das Ausscheiden in einem anderen Licht stehen. Unter Umständen ist ein Neuanfang schon sinnvoll. Für das Ausscheiden trägt Jogi Löw natürlich die Hauptverantwortung. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass auch Löw die Mannschaft wieder richten würde – ein neuer Trainer ist in meinen Augen also nicht zwingend nötig. Wer sich nun den Titel holt, ist schwer zu sagen. Die großen Fußball-Nationen haben bisher durchweg enttäuscht. Mein Geheimfavorit ist Kroatien. Die spielen einen tollen Fußball und sind absolut heiß.“
● Klaus Mayr (Sportlicher Leiter SSV Margertshausen): „Ich drücke jetzt Belgien die Daumen. Da muss man sich farblich nicht viel Gedanken machen.“