Augsburger Allgemeine (Land West)
Gegen ein Wohnprojekt formiert sich Widerstand
Helga Schalk plant in Wollishausen ein Mehrgenerationenhaus, auch für Behinderte. Einige sind dagegen
Gessertshausen Wollishausen Das Prinzip der Inklusion verfolgt Helga Schalk aus Wollishausen seit der Geburt ihres inzwischen 43-jährigen, behinderten Sohnes. Ihr Vorhaben ist es deshalb, einen Platz zu schaffen, für Menschen mit Handicap und deren Familienmitglieder, für einsame Senioren oder einfach Menschen, die in einer solchen Wohnanlage leben möchten – „einfach Inklusion“, betont sie. Interesse für die Übernahme der Trägerschaft der Pflege zeigt die Lebenshilfe, die auch bei der Auswahl der richtigen Zielgruppe helfen könnte.
Seit über vier Jahren versucht Helga Schalk deshalb, auf ihrem Grundstück an der Nebelhornstraße eine kleine Wohnanlage für barrierefreies Wohnen für Behinderte und Nichtbehinderte, für Alt und Jung zu errichten. Geplant sind 13 Wohnungen, ein Gemeinschaftsraum und Parkplätze, vorwiegend unterirdisch, in fünf Gebäuden auf 855 Quadratmetern.
Die eingereichte Wohnanlage allerdings fand beim Gessertshauser Gemeinderat von Anfang an wenig Gefallen, war das Grundstück doch als Wald festgesetzt. Dabei habe sie den Antrag auf eine Umwandlung zu Bauland erst eingereicht, als das ehemals als Wald festgesetzte Grundstück mit Genehmigung des Forstamts und der Unteren Naturschutzbehörde sowie per Grundbucheintrag gerodet werden durfte und von ihr die geforderten Ausgleichsflächen geschaffen worden waren, betonte die Bauwerberin.
Aber auch das in Varianten eingereichte Konzept für die barrierefreie Wohnanlage wurde anfangs abgelehnt. Daher wandte sich Schalk schließlich an Kreisbaumeister Frank Schwindling um Unterstützung, um das geplante Projekt ideal in das über 2200 Quadratmeter große Gelände einzupassen. „Wir haben alle seine Vorschläge aufgenommen und die Pläne so lange geän- bis er zufrieden war“, erklärte Schalk. Die zweigeschossige Wohnanlage wurde aber von den Gemeinderäten nach wie vor mit Skepsis gesehen. Sie befürchteten – so die Diskussion im Gemeinderat –, dass vor allem für gehbehinderte Bewohner an diesem Standort ohne Auto kaum Möglichkeiten geboten seien, um am täglichen Leben teilhaben zu können. Sie bemängelten fehlenden Nahverkehr sowie Einkaufsmöglichkeiten im Umfeld.
Des Weiteren fürchteten sie, dass das Gebäude, das deutlich über dem am Standort zulässigen Maß der baulichen Nutzung liege, nicht in den bestehenden Bebauungsplan passe. Dennoch stimmte der Gemeinderat dem Projekt inzwischen zu, da bereits viele Leute in ähnlichen Angelegenheiten in Zeiten, in der die Gesellschaft immer älter und der Bedarf an Pflege immer höher werde, bei der Gemeinde vorgesprochen hätten. Das vorhabenbezogene Bauleitverfahren wird somit angestrengt.
Architektin Manuela Fäustlin, die erst später ins Spiel gekommen ist, räumt ein, dass das zuerst geplante Gebäude im Wohngebiet tatsächlich wuchtig gewirkt hätte. Sie plante das Projekt nun etwas aufgelöster, so verträglich wie möglich. Mit vier Einzelhäusern in der Größe von Einfamilienhäusern, die über einen Laubengang verbunden sind, sowie einem Aufzugturm füge sich der Bau bestens in das Baugebiet ein. Die Anlage ist abgestuft, der Mittelbereich, ein Tipp Schwindlings, soll als eine Art Hof, einem Platz für Treffen der Bewohner, verwirklicht werden. Dem Kreisbaumeister sei es wichtig gewesen, dass das Projekt von der Alpenstraße her nicht zu hoch erscheint.
Gegen das Vorhaben hat sich inzwischen eine Bürgerinitiative von Anwohnern ausgesprochen. Sie bemängelte nicht nur die Rodung jahrzehntealter Bäume, sondern auch, dass sie über die geplante Baumaßnahme weitgehend im Unklaren gedert, lassen worden seien. Sie wenden sich entschieden gegen das Projekt, befürchten unter anderem eine erhöhte Verkehrsbelastung. Sie fordern von der Gemeinde eine Entscheidung zum Wohle der Bürger. Es sei nicht Aufgabe der Gemeinde, den Gewinn eines Bauherrn zu maximieren, finden sie.
Zu den angeführten Problemen nimmt Schalk empört Stellung. Eine gute Verkehrsanbindung sei mit der Busverbindung Augsburg – Krumbach, durchaus mit einer Haltestelle in etwa 500 Metern Entfernung, vorhanden. Auch der Bürgerbus verbinde von Montag bis Freitag jeweils zweimal vormittags und nachmittags Wollishausen mit allen anderen Ortsteilen Gessertshausens und trage zur Mobilität der Bürger bei. Über die Klagen der Bürgerinitiative zeigte sich Schalk höchst betrübt. Sie habe mit deren Sprecher immer ein gutes Verhältnis gehabt.
Im Vergleich zu zweigeschossigen Häusern auf kleinstem Raum kann mit dieser Anlage kein wirtschaftlicher Gewinn erzielt werden, wehrte sie die Vorwürfe ab. Sie wünsche sich allein ein schönes Gebäude mit Herz und Sinn zum Wohlfühlen, bekräftigte sie ihr Ziel. Jeder soll seine eigene Türe haben und dennoch gemeinsam statt einsam leben können.