Augsburger Allgemeine (Land West)

Der kleine Dienstag und Gassi im Weltall

Daniela Kammerer stellt in der Schwäbisch­en Galerie in Oberschöne­nfeld aus

- VON STEPHANIE KNAUER

Oberschöne­nfeld Wort, Bild, Klang, „Haut um’s Hirn“und „Kopfkino“– all das verbindet sich in Daniela Kammerers neuer Ausstellun­g „Blütenknal­l“, die jetzt bis zum 23. September in der Schwäbisch­en Galerie im Volkskunde­museum Oberschöne­nfeld zu sehen ist. Genau genommen sind es zwei Ausstellun­gen, die hier auf zwei Etagen präsentier­t werden.

Im Erdgeschos­s dominiert die kreative, potenziere­nde Paarung von Lyrik und Malerei, die der Werkschau ihren Namen gibt. So gesellte Daniele Kammerer einigen ihrer in den letzten Jahren entstanden­e Bildschöpf­ungen Gedichte der Augsburger Lyrikerin Eva Sattler zu, und diese gelungene Kombinati- ist in dem Lyrik-Kunst-Band „Blütenknal­l“festgehalt­en und wird in der Ausstellun­g „Blütenknal­l“noch einmal aufgerollt: Denn ähnlich wie die Sprache Sattlers, halb unbewusst, metaphoris­ch und transzende­nt, ist auch die bildende Kunst Daniela Kammerers. Ihr „Twilight“zeigt in blauschwär­zlicher Abenddämme­rung, verstreute­n Lichtpunkt­en noch Raum gebend, die verschwomm­enen Umrisse von Herrchen und Hund, und auch das dazu passende Poem „Hör auf … Dein Herz und Meines“von Eva Sattler verspricht Licht im Dunkel. Das Gedicht „Der kleine Dienstag“und das großformat­ige Bild „Gassi im Weltraum“, das ihm zugeordnet ist, widmen sich der Unendlichk­eit, die letztlich flächig wirkt, und der Schwerelos­igkeit, die statisch werden kann. Unendliche Möglichkei­ten müssen ertragen werden können oder sie schaffen Enge.

Um Potenzial und Begrenzthe­it dreht sich Kammerers jüngste Serie „Haut um’s Hirn“im Obergescho­ß, von Fritz Effenberge­r im Vorwort zum Katalog passend „Neurobiolo­gie in frontaler Perspektiv­e“genannt. Denn die dargestell­ten Gesichter sind keine Porträts, sondern geben Kunde von Charakter, Anlagen und dem Resultat des bisherigen Lebens der Person, so weit das in einem Gespräch erfahrbar ist. Ein Jahr lang reiste Daniela Kammerer durch mehrere europäisch­e Orte und lud die Bewohner ein zu Gespräch und Porträt. Meist haarlos und männlich bis androgyn sind die porträtier­ten Gesichter, eher silhouon ettierend, umrissen und dennoch charakteri­stisch.

Aussagend sind vor allem aber die farblichen, ornamental­en, grafischli­nearen Ergänzunge­n: Gefangen in sich selbst, die eigene Buntheit lebend, ablehnend-punkig und dennoch kommunikat­iv, verkopft, ängstlich-stumm oder nur zur Hälfte klar wirken die Individuen, die Daniela Kammerer hier in mehreren Schichten und Techniken bildnerisc­h beschreibt.

Ein Novum in ihrem Schaffen sind ihre Keramiken, bestehend aus einer Gruppe von Köpfen, die an antike Sagenwesen wie Polyphem oder Medusa erinnern. Wie in den Gemälden Kammerers, in denen Farbe auch mal verlaufen darf, wird hier im Brennvorga­ng dem Aleatorisc­hen Platz gewährt. Mit Bemaletztl­ich lung, gezielter Glasur und dem Wechselspi­el von rauer und glatter, von farbiger und dunkler Oberfläche schafft Kammerer eine Plastizitä­t über das Plastische hinaus. Auch in der Abteilung „Blütenknal­l“gibt es Keramiken, eine Sammlung von rundlichen Fantasiege­stalten zwischen Fauna und Flora, Nachtmahre, übersät mit Ausstülpun­gen, Andockunge­n des Innen mit dem Außen. Traumhaft, traumwandl­erisch wirken auch einige der „Bildschöpf­ungen“, die stilistisc­h vielseitig, von illustrier­end bis hieroglyph­isch nach außen anmuten. Ergänzend zur Ausstellun­g läuft in einem Nebenraum in Dauerschle­ife der Film „Haut um’s Hirn, 199 Köpfe – 199 Geschichte­n“von Anna Ludwig über die Arbeitswei­se Daniela Kammerers.

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Foto: Marcus Merk Daniela Kammerer präsentier­t ihre Werke in der Ausstellun­g „Blütenknal­l“in der Schwäbisch­en Galerie Oberschöne­nfeld.

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