Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Ansturm beginnt
Neulich mal wieder an einem Flughafen gewesen. Abendflug von Frankfurt nach München. Vor dem Gate warten gut 150 Menschen auf einen Flug, der schon vor einer Stunde hätte starten sollen. In der ersten Reihe der Wartenden: Männer in Anzügen. Die Aktentaschen in ihren Händen, das großspurige Auftreten und die Armbanduhren in Mittelklassewagen-Wert legen die Vermutung nahe, dass es sich um wichtige Menschen der Bankenbranche handelt. Vor dem noch geschlossenen Schalter drängen sie sich in dichter Formation. Aus irgendeinem Grund scheint es ihnen wichtig, den Flieger in Pole-Position zu betreten – vielleicht aus Angst, dass er abhebt, während sie gerade den ersten Fuß durch die Tür gesetzt haben.
Als sich der Schalter öffnet, stürmen sie konsequenterweise durch das Drehkreuz, die Aktentaschen baumeln wie hektisch eingestellte Metronome in ihren Händen. Nach nur 50 Metern wird die Stampede gebremst. Sie stehen im Flughafen-Bus, der die Passagiere zur Maschine bringt. Ihren Kampfgeist dämpft das nur bedingt, zum Ärgernis der restlichen Fluggäste, denn die Anzugträger bleiben direkt an den Türen in Lauerposition und verengen den Weg für den Rest. Zwangsläufig nahe an die Alphamännchen herangerückt schnappt man Wortfetzen von ihnen auf. Wichtige Termine sind das vorherrschende Thema, gepaart mit einer Masse an Städtenamen. In einem Gespräch fallen innerhalb einer Minute: Toronto, Brüssel, London, Shanghai.
Nach einer kurzen Fahrt und einem finalen Ansturm sitzen die Männer auf ihren Plätzen, die restlichen Passagiere trudeln in der Maschine ein. Man fragt sich: Hat man etwas falsch gemacht? Birgt es einen geheimen Vorteil, früh in der Maschine zu sein? Das Flugzeug startet. Alle Passagiere haben es rechtzeitig an Bord geschafft.