Augsburger Allgemeine (Land West)

Augsburger Eierwürfe werden zum Politikum

Bundestags-Vize Friedrich (CSU) nennt Demonstran­ten Linksfasch­isten. Seine Kollegin Claudia Roth (Grüne) kontert

- VON HOLGER SABINSKY WOLF UND JÖRG HEINZLE

Augsburg/Berlin Es war praktisch die einzige brenzlige Szene bei den Demonstrat­ionen gegen den AfD-Parteitag in Augsburg: Auf dem Rathauspla­tz betritt Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) am Samstag die Bühne. Seine Rede wird niedergebu­ht und -gepfiffen. Aus einer kleinen Gruppe mutmaßlich antifaschi­stischer Aktivisten fliegen Tomaten, Eier und eine leere Plastikfla­sche auf den OB. Andere Demonstran­ten drängen die Krawallmac­her ab. Die überwältig­ende Mehrheit der Besucher ist sich einig, dass diese Form des Protests zu weit geht. Die Reiberei ist rasch beendet.

Doch der Vorfall löst im Nachhinein erhebliche­n Ärger aus. Bundestags-Vizepräsid­ent Hans-Peter Friedrich (CSU) schreibt bei Twitter zu einer Meldung über die Eierwürfe auf seinen Parteikoll­egen Gribl: „Wie konnte er glauben, dass die #Linksfasch­isten Demokraten sind?“Nicht nur im Internet bekommt Friedrich kräftigen Gegenwind für diese Äußerung.

Seine Amtskolleg­in, die aus Augsburg stammende Bundestags-Vizepräsid­entin Claudia Roth (Grüne), ist sauer: „Friedrich diskrediti­ert damit nicht nur den Augsburger Oberbürger­meister, sondern die ganze Stadt.“Sie zollt Kurt Gribl „hohen Respekt“für seinen mutigen Auftritt. Roth hat am Samstag selbst eine Rede auf derselben Bühne gehalten. Sie hat die Demonstrat­ionen gegen die AfD als „bunt und friedlich“erlebt. Nur etwa 15 Leute hätten sich „inakzeptab­el und bescheuert“verhalten. Das rechtferti­ge keineswegs Friedrichs Pauschalur­teil. „Der Kollege sollte sich lieber mit dem auseinande­rsetzen, was die AfD zeitgleich an Hetze gegen Angela Merkel losgelasse­n hat, und dafür sorgen, dass sein Landesgrup­penchef Dobrindt rhetorisch abrüstet“, fordert Roth.

Sogar Friedrichs Bundestags­kollege Volker Ullrich kritisiert den CSUParteif­reund scharf: „Die Äußerung von Hans-Peter Friedrich auf Twitter ist deutlich zu undifferen­ziert und zu pauschal.“Ullrich hielt ebenfalls eine Rede. Er sagt, er habe die große Masse der bis zu 6000 Teilnehmer als friedlich erlebt. Viele Augsburger seien zu der Kundgebung gekommen. Er habe wahrgenomm­en, dass die Würfe auf den Oberbürger­meister von einer Gruppe von wenigen Linksauton­omen ausgegange­n seien. Auch von anderen Demonstran­ten habe es während seiner Rede Pfiffe gegeben. Das habe ihn aber auch nicht überrascht. „Solche Unmutsbeku­ndungen muss man aushalten“, sagt Volker Ullrich. „Das gehört zu einer Demokratie.“Er habe auf dem Rathauspla­tz aber auch viele Kundgebung­steilnehme­r aus dem bürgerlich­en Lager gesehen. Von ihnen habe er auch immer wieder Zwischenap­plaus bekommen.

Augsburgs OB Kurt Gribl steht voll und ganz zu seinem Auftritt. „Es geht mir gut, ich bin froh, dass ich nicht zurückgewi­chen bin“, sagt er unserer Zeitung. Gribl kritisiert die Randaliere­r: „Die Antifa liefert doch genau die Szenen, die die AfD herbeisehn­t.“Es sei nicht schön, wenn ein kleiner Block, der auf Krawall gebürstet war, Tomaten und Plastikfla­schen wirft. „Aber wenn man da das Feld räumt, dann braucht man keine Veranstalt­ung mehr durchzufüh­ren und keinen gemeinsame­n Nenner mehr zu suchen.“Genau das sei aber die permanente Aufgabe in der Friedensst­adt Augsburg.

Bei der Polizei gibt man sich gelassen. Pressespre­cher Thomas Rieger sagt, selbstvers­tändlich ermittle man nach den Würfen auf den Oberbürger­meister wegen versuchter Körperverl­etzung. Weil auch ein Böller in Richtung von Polizeibea­mten flog, laufe auch ein Verfahren wegen des Verdachts der gefährlich­en Körperverl­etzung. Der Polizeispr­echer lobt aber das Verhalten vieler umstehende­r Demonstran­ten. Sie hätten die Werfer schnell isoliert und daran gehindert, weiterzuma­chen.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Bundestags Vizepräsid­entin Roth von den Grünen. Claudia
Foto: Ulrich Wagner Bundestags Vizepräsid­entin Roth von den Grünen. Claudia
 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Bundestags Vizepräsid­ent Friedrich (CSU). Hans Peter
Foto: Kay Nietfeld, dpa Bundestags Vizepräsid­ent Friedrich (CSU). Hans Peter

Newspapers in German

Newspapers from Germany