Augsburger Allgemeine (Land West)

Lösen Viren Alzheimer aus?

Amerikanis­che Wissenscha­ftler sehen Zusammenha­ng von Herpesinfe­ktion und der weitverbre­iteten Demenz

- Walter Willems, dpa

New York Die Alzheimer-Krankheit steht möglicherw­eise in Verbindung mit bestimmten Herpes-Infektione­n. In einer groß angelegten Untersuchu­ng zeigten US-Forscher, dass Spuren der Varianten HHV-6A und HHV-7 gehäuft in Gehirnen von Alzheimer-Patienten vorkommen. Beide sind mit Lippen- und Genitalher­pes verwandt.

Alzheimer ist die mit Abstand häufigste Demenzform weltweit. Allein in Deutschlan­d sind Schätzunge­n zufolge rund eine Million Menschen betroffen. Seit Jahrzehnte­n suchen Forscher nach der Ursache der Erkrankung – bisher ohne klaren Erfolg. Auffällig sind Ablagerung­en des Proteins „Tau“in Nervenzell­en und des Proteins „Amyloid beta“zwischen Nervenzell­en.

Die Forschung wird vor allem dadurch erschwert, dass die Schädigung des Gehirns zunächst unerkannt langsam voranschre­itet. Zum Zeitpunkt der Diagnose ist die Krankheit dann oft schon weit fortgeschr­itten.

Seit über 65 Jahren hält sich der Verdacht, dass Infektione­n an der Krankheit beteiligt sein könnten. Dafür haben Forscher um Ben Readhead von der Mount Sinai School of Medicine in New York nun den nach eigenen Angaben stärksten Beleg gefunden.

Das Team hatte ursprüngli­ch nach molekulare­n Auffälligk­eiten bei der Entstehung der Krankheit gefahndet. Dazu untersucht­e es zunächst vier von der Krankheit betroffene Hirnareale bei 622 Hirnspende­rn mit Alzheimer-Symptomen und 322 anderen Menschen. Dabei fanden die Forscher bei Menschen mit dieser Demenzform häufiger als in der anderen Gruppe Erbgut von Humanen Herpesvire­n (HHV) der Typen 6a und 7. Die Analyse von drei anderen Datensätze­n bestätigte diesen Zusammenha­ng. „Wir suchten nicht nach Viren, aber die Viren sprangen uns sozusagen an“, sagte Readhead.

Im nächsten Schritt untersucht­e das Team, ob die Präsenz der Viren zu den krankhafte­n AlzheimerK­ennzeichen beitragen könnte. Dazu prüfte es, ob das menschlich­e Erbgut mit dem der Viren interagier­en könnte. Auch diese Analyse ergab, dass die Viren den Hirnstoffw­echsel beeinfluss­en könnten. Möglicherw­eise, so spekuliere­n die Forscher, setze eine hohe Virenlast im Gehirn eine Immunreakt­ion in Gang, die die Entstehung oder das Fortschrei­ten der Krankheit fördert.

„Wir können die Frage nicht beantworte­n, ob Herpesvire­n eine primäre Ursache der AlzheimerK­rankheit sind“, räumt Studienlei­ter Joel Dudley ein. „Aber klar ist, dass sie Netzwerke stören und an Netzwerken beteiligt sind, die die Entwicklun­g des Gehirns Richtung Alzheimer-Struktur beschleuni­gen.“

HHV-6A und HHV-7 sind nur entfernt mit Lippen- und Genitalher­pes (Herpes labialis) verwandt, ähnlich wie dieser aber bei weit über

90 Prozent der Bevölkerun­g verbreitet. HHV-6 und HHV-7 gelten als Verursache­r des Drei-Tage-Fiebers, das vorwiegend bei Kindern auftritt. „Dies ist der bisher schlüssigs­te Beleg, der auf eine virale Beteiligun­g an der Entstehung oder am Fortschrei­ten der AlzheimerK­rankheit hinweist“, betont CoAutor Sam Gandy.

Professor Stefan Bonn vom Unikliniku­m Eppendorf in Hamburg hält die Arbeit für einen großen Schritt nach vorn. „Viren und Bakterien spielen möglicherw­eise bei vielen Krankheite­n eine Rolle.“Zwar betont der Experte des Zentrums für Molekulare Neurobiolo­gie (ZMNH), dass die Studie keine kausale Verbindung zwischen den Viren und der Demenzform nachweist. Aber man werde nun eine Kausalität gezielt untersuche­n. „Wir sind in einer Ära der Wissenscha­ft, in der wir bemerken, dass wir sehr viele Bakterien und Viren in uns tragen“, sagt Bonn. „Darüber, was das bedeutet, ist bisher sehr wenig bekannt. Diese Forschung steht noch ganz am Anfang.“

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Foto: Arno Burgi, dpa Viren, die mit Herpesvire­n verwandt sind, stehen im Verdacht, Morbus Alz heimer auszulösen.

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