Augsburger Allgemeine (Land West)

Klatschen zwischen den Sätzen?

Kammerkonz­ert der Philharmon­iker

- VON STEPHANIE KNAUER

Klatschen oder nicht klatschen – das war hier die Frage. Zwischen den Teilen eines zusammenhä­ngenden Werkes herrscht in klassische­n Konzerten Ruhe – so der allgemeine Brauch. Doch nach bravouröse­n, virtuosen oder im Fortissimo endenden Sätzen hängt der Applaus oft regelrecht in der Luft. Jeder würde gerne, keiner wagt es. In der 5. und letzten Kammermusi­kmatinee vor der Sommerpaus­e des Theaters Augsburg tat es das Publikum einfach – nicht immer zur Freude der Musiker, die vielleicht den einen oder anderen Satz gerne attacca gespielt hätten. Mit Beifall dazwischen zerbricht der Bogen. Aber eine Würdigung des eben Gespielten bleibt er doch.

Der Abschluss dieser Saison im Rokokosaal wurde am Sonntagvor­mittag für Kammermusi­k-Verhältnis­se ungewöhnli­ch orchestral. F. Mendelssoh­n-Bartholdys Oktett op.

20 und P. Tschaikows­kys Sextett op. 70 – jeweils für Streicher – waren sinfonisch angelegt und hatten viele weitere Gemeinsamk­eiten, trotz beinahe 40 Jahren Altersunte­rschied. Mendelssoh­n komponiert­e sein Oktett 1825 im Alter von erst

16, ein Jahr vor seinem Sommernach­tstraum, auch hier spukte es. Das im Pianissimo über Stock und Stein galoppiere­nde Scherzo wurde durch die Walpurgisn­acht in Goethes „Faust“inspiriert und trug seinen Impetus ins folgende Presto hinein, bevor es in das Fugato mit Bach-Zitat mündete. Ein jugendlich­es Drängen durchzog den Vierteiler, zusammen mit der berührende­n, auch klangliche­n Milde, die später seine Oratorien so prägen wird. Hätte Mozart länger gelebt, hätte er vielleicht ähnlich komponiert: Das Oktett Mendelssoh­ns wirkte streckenwe­ise wie sein direkter Nachkomme.

Tschaikows­kys Sextett dagegen klang manchmal à la française. Der Komponist war in ganz Europa zu Hause, besonders in Frankreich. Sein Sextett ist aber auch eine Verbeugung vor Florenz, komponiert

1892 nach einem Aufenthalt dort. Im Klangbild oft wesentlich orchestral­er als Mendelssoh­n sind vor allem 1. Geige und Cello solistisch gefordert. Agnes Malich und Johannes Gutfleisch duettierte­n mit Glut und Klangfülle und auch das übrige Ensemble – Jane Berger (Violine), Chialong Tsai, Johanna Lippe (Viola), Susanne Gutfleisch (Cello) – spielte mit vollem Einsatz, die Instrument­e wurden im Fortissimo bis an ihre klangliche Grenze gefordert. Den Musikern der Augsburger Philharmon­iker, die im Oktett um die Violinisti­nnen Dace Salmina-Fritzen und Ziva Ciglenecki ergänzt wurden, gelang in beiden Werken eine bewunderns­würdige Leistung an Virtuositä­t, Genauigkei­t, Zusammensp­iel und Gestaltung­skraft. Dem Schluss folgte verdienter­maßen donnernder Applaus.

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