Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie der Arzt zum Patienten steht
Die Moraltheologin und die Medizin-Gründungsdekanin bedenken ihr Miteinander
Der neuen Medizinischen Fakultät bieten die katholischen Theologen an der Uni Augsburg an, als „Weggefährten“zusammenzuarbeiten. Überschneidungen gibt es allemal, wann immer es um die Haltung des Arztes zum Patienten und dessen Angehörigen geht. Denn nicht nur die Gesundheit des Patienten soll dem Arzt ein Anliegen sein, sondern auch dessen Wohlergehen. Außerdem verpflichtet ihn das neu gefasste „Genfer Gelöbnis“, die Autonomie und die Würde seines Patienten zu respektieren. Für die Moraltheologin Prof. Kerstin Schlögl-Flierl stehen dahinter gewichtige ethische Herausforderungen, betonte sie bei einem gemeinsamen Forum mit der Medizin-Gründungsdekanin Prof. Martina Kadmon an der KatholischTheologischen Fakultät.
„Hier liegt eine spannungsvolle Kombination von Werten vor, die es im Einzelfall jeweils auszutarieren gilt“, sagte Schlögl-Flierl. Menschliche Beziehungen spielen da hinein, aber auch die ärztliche Professionalität, die Therapien nahelegt, von denen der skeptische Patient mitunter erst zu überzeugen ist. Manchmal wird auch der Arzt vor dessen ablehnendem Willen zurückstehen müssen. Schon jetzt leistet die Kirche bei den medizinischen Fallbesprechungen ethische Entscheidungshilfe für die Ärzte in schwierigen Situationen eines Patienten.
So, wie sich Gründungsdekanin Kadmon die medizinische Ausbildung in Augsburg vorstellt, wird es die Chance geben, sie in zahlreichen Kooperationen mit anderen Disziplinen und Institutionen zu verflechten. Ihr schwebt ein Studium vor, das von Anfang an das große Ganze in den Blick nimmt und die einzelnen Fächer in ihrem Zusammenspiel darstellt. So werde es in den Anatomiekursen, wenn die Studierenden erstmals mit einer Leiche zu tun haben, auch um die Frage von Leben und Sterben gehen, erläuterte Kadmon.
Der Augsburger Schwerpunkt auf der Medizininformatik werde auch das systematische Wissensmanagement umfassen als eine Hilfestellung bei klinischen Entscheidungsprozessen. Neben der gediegenen theoretischen Lehre sollte frühzeitig der Kontakt zum klinisch-therapeutischen Alltag, zum Patienten und zum praktizierenden Arzt treten.
Eine Fülle drängender Zeitfragen wird dabei zu beantworten sein: Was bedeutet die Digitalisierung in der Medizin, die eine Unmenge an intimsten Daten über den Menschen zur Verfügung stellt? Wie gelingt es, Empathie gegenüber dem Patienten zu fördern? Was stärkt dessen Resilienz, auch mit Defiziten gut (weiter-)leben zu können? Die Ärzteschaft des Klinikums, die erst noch mit dem universitären Betrieb zusammenwachsen wird, nehme hier durchaus Einfluss auf die Ausbildung, erklärte Kadmon. Auch mit den Dilemmata des Berufs sollen die Medizinstudenten vertraut werden – dass etwa der klinische Alltag mit knappen Budgets und Personal eine andere Realität darstellt, als man sich die Ausübung des ärztlichen Berufs wünscht.
Die Moraltheologin SchlöglFlierl schlug vor, Verletzlichkeit als ethischen Leitbegriff des medizinischen Tuns einzuführen. Das schließe sowohl die eigene Verletzlichkeit als auch die Achtsamkeit für die Ganzheit des Patienten ein.