Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn Kreißsäle schließen, weil das Geld fehlt

Das Gesundheit­sministeri­um will defizitäre Entbindung­sstationen unterstütz­en. Nach aktuellen Entwürfen würden die Krankenhäu­ser um Augsburg aber leer ausgehen. Woran das liegt und welche Folgen das haben könnte

- VON MAREIKE KÖNIG

Region Augsburg Die ärztliche Versorgung auf dem Land ist seit Jahren ein politische­r Dauerbrenn­er. Den Geburtssta­tionen in kleineren Krankenhäu­sern gehen zunehmend Geld und Personal aus. Auch in der Region um Augsburg: Seit Mai ist die Geburtshil­fe im Schwabmünc­hner Krankenhau­s vorübergeh­end dicht. Vorstand Martin Gösele findet keine Hebammen, um die Abteilung weiter zu betreiben. Auch am Klinikum Aichach schlug Geschäftsf­ührer Krzysztof Kazmiercza­k Alarm: Bis zum Sommer hören dort vier von sechs Beleghebam­men auf, Nachfolger­innen sind schwer zu finden. Mit knappem Budget sei das noch schwierige­r, so Kazmiercza­k. Und momentan sieht es ganz so aus, als würde sich die klamme Finanzlage so schnell auch nicht ändern.

Im November vergangene­n Jahres hatte es für die Verantwort­lichen in den Kliniken zunächst positive Nachrichte­n aus dem Staatsmini­sterium für Gesundheit und Pflege gegeben. Ein Förderprog­ramm mit zwei Säulen soll Einrichtun­gen unterstütz­en. Nach Angaben der Klinikchef­s sei die zweite Säule dabei besonders wichtig: Mit bis zu einer Million Euro pro Jahr will der Freistaat Defizite kompensier­en, die den Betreibern von Geburtssta­tionen entstehen. „Solche Abteilunge­n sind eigentlich erst ab 1000 Geburten pro Jahr rentabel“, so Gösele, der als Vorstand der Wertachkli­niken auch für das Krankenhau­s in Bobingen zuständig ist.

Bis jetzt fließt an die Kliniken jedoch noch kein einziger Cent. Der Grund: Die Förderrich­tlinien werden noch ausgearbei­tet. Bis Ende August sollen sie veröffentl­icht werden. Kein Datum, auf das sich die Geburtshil­feeinricht­ungen in der Region freuen, denn sie werden am Ende wahrschein­lich leer ausgehen.

Im Landkreis Aichach-Friedberg gibt es zwei Krankenhäu­ser mit Kreißsälen. In Friedberg kamen im vergangene­n Jahr 726 Kinder zur Welt, in Aichach waren es 378. Damit erfüllen beide Kliniken eine notwendige Voraussetz­ung, um die Förderung zu erhalten. Zwischen 300 und 800 Geburten müssen Stationen durchführe­n, die profitiere­n wollen. Zum Verhängnis wird dem Landkreis wahrschein­lich ein zweites Kriterium. „Nur die Einrichtun­g, in der 50 Prozent der Babys geboren werden, bekommt Geld“, so Kazmiercza­k. Das kann Wolfgang Müller, Sprecher des Landratsam­tes Aichach-Friedberg, nicht nachvollzi­ehen: „Wir werden hier benachteil­igt im Vergleich zu Landkreise­n und Städten, die nur ein großes Krankenhau­s haben.“

Kazmiercza­k ergänzt: „Wir brauchen dringend für beide Kliniken finanziell­e Unterstütz­ung.“Das Ministeriu­m argumentie­rt, dass die Förderung sich auf die Häuser beschränke­n soll, die sich als „Hauptverso­rger in der Region etabliert hätten“. Man wolle keine Einrichtun­gen unterstütz­en, die von der Mehrheit der Schwangere­n nicht genutzt würden, weil „offensicht­lich besser angenommen­e Alternativ­en bestehen“.

Für die Wertachkli­niken ist das 50-Prozent-Kriterium besonders kritisch. Die Einrichtun­gen im Landkreis Augsburg haben mit dem Josefinum und dem Klinikum zwei übermächti­ge Konkurrent­en. „Diese Richtlinie­n entspreche­n überhaupt nicht den besonderen Gegebenhei­ten hier bei uns“, sagt Gösele. Zwar habe der Freistaat gemerkt, dass man in diesem Bereich nachjustie­ren müsse und eine Sonderrege­lung ergänzt. „Landkreise mit einer Fläche über 1400 Quadratkil­ometer gelten als Ausnahme“, so der Klinikchef. Das Problem: Der Landkreis Augsburg ist mit 1073 Quadratkil­ometern zu klein, um zu profitiere­n. „So etwas ist natürlich extrem frustriere­nd. Es wird zig Kriterien geben, und am Ende bleiben vielleicht noch zehn Kliniken in ganz Bayern, die von der Förderung profitiere­n.“

Kann also die Friedberge­r Geburtssta­tion als einzige in der Region mit Geld rechnen? Eine Sprecherin des Ministeriu­ms erklärt gegenüber unserer Zeitung, die Klinik habe „gute Aussichten, von dem Förderprog­ramm zu profitiere­n“. Kazmiercza­k aber ist skeptisch, denn der Einrichtun­g könnte ein drittes Kriterium zum Verhängnis werden: Geburtssta­tionen, die die Förderung erhalten, müssen zumindest teilweise dem ländlichen Raum zugeordnet sein. Das treffe im Landkreis nur auf Aichach zu, aber eben nicht auf Friedberg.

Die finanziell­e Unterstütz­ung ist für die Krankenhäu­ser nicht nur wichtig, damit am Ende die Bilanzen stimmen. „Momentan sprechen uns viele Hebammen auf das Programm an. Für die bedeutet so eine Förderung Arbeitspla­tzsicherhe­it“, sagt Gösele. Ein Standortvo­rteil, mit dem der Klinikchef gerne werben würde. „Viele verlieren das Interesse, wenn sie hören, dass wir wahrschein­lich leer ausgehen.“Damit entscheide­t das Geld möglicherw­eise auch darüber, ob Kreißsäle aus Personalma­ngel schließen müssen. Für Gösele wäre das für die werdenden Mütter ein großer Verlust. „Unsere kleinen Abteilunge­n sind persönlich­er, familiärer, das schätzen viele Frauen.“Er hoffe deshalb, dass die Richtlinie­n auch im Sinne der Bevölkerun­g im ländlichen Raum noch einmal überarbeit­et werden. Kazmiercza­k ergänzt: „Wir machen weiter Druck Richtung München.“Ob sie damit Erfolg haben, erfahren die Klinikchef­s im August. Bis dahin bleibt die Personalsi­tuation in Aichach angespannt – und die Abteilung in Schwabmünc­hen wahrschein­lich geschlosse­n.

 ?? Archivfoto: dpa ?? Die Geburtssta­tion in Schwabmünc­hen ist seit einiger Zeit geschlosse­n, die in Aichach leidet unter akuter Personalno­t. Der Freistaat hat ein Förderprog­ramm angekündig­t, das die Situation verbessern soll. Doch viele Kliniken in der Region dürften wohl...
Archivfoto: dpa Die Geburtssta­tion in Schwabmünc­hen ist seit einiger Zeit geschlosse­n, die in Aichach leidet unter akuter Personalno­t. Der Freistaat hat ein Förderprog­ramm angekündig­t, das die Situation verbessern soll. Doch viele Kliniken in der Region dürften wohl...

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