Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie auf Schienen lief es hier schon immer
Das Tramdepot am Roten Tor hat eine lange Tradition. Die Halle war Augsburgs erster Bahnhof / Serie (10, Ende)
Augsburg 1838 begannen die Arbeiten an beiden Endpunkten der Bahnverbindung zwischen München und Augsburg. In Augsburg entstand ein Kopfbahnhof vor dem
Roten Tor. Dieser erste Augsburger Bahnhof stellt den Vorgängerbau des heutigen Hauptbahnhofs dar.
Das Gebäude an der Baumgartnerstraße steht noch immer. Allerdings erfüllt es einen neuen Zweck. Dieser ist allerdings gar nicht weit entfernt von der ursprünglichen Funktion, denn noch immer geht es um Verkehr auf Schienen: Das Gebäude wird heute von den Stadtwerken als Herzstück des Straßenbahnbetriebshofes genutzt. Die Halle mit basilikalem Querschnitt steht unter Denkmalschutz. Wo heute moderne urbane Schienenfahrzeuge parken, rangierten seinerzeit die ersten Dampflokomotiven der Stadt. Das Gebäude wurde für die Zwecke der Stadtwerke saniert. Gut erhalten ist die Tragwerkkonstruktion von Johann Georg Gollwitzer, dem Vater des berühmteren Karl Albert Gollwitzer. Beim Blick auf den imposanten hölzernen Dachstuhl braucht es wenig Fantasie, um sich vorstellen zu können, wie die offene Bahnhofshalle bei der Einweihungsfeier am 4. Oktober 1840 auf die begeisterten Gäste gewirkt haben mag. Weniger begeistert waren sie allerdings vom Reisen in der 4. Klasse. Während die 1. Klasse bereits den Luxus von Glasfenstern bot, waren die 2. und 3. Klasse immerhin überdacht. Die Passagiere der 4. Klasse allerdings waren wenig erfreut über das „Cabriolet“-Feeling, denn das bedeutete damals keinen erfrischenden Fahrtwind, sondern umnebelt von Rauch und Ruß zu reisen. Kein Wunder also, dass diese Open-AirPlätze so wenig Anklang fanden, dass sie bereits ein Jahr später ausgemustert wurden.
An der Stirnseite der 60 Meter langen Halle mündeten die drei Gleispaare in Drehscheiben, auf denen die Loks umgesetzt wurden. „Die ungeahnt stürmische Entwicklung im Eisenbahnwesen überrollte die Planer“, berichtet Franz Häußler, Autor und Experte für die Augsburger Stadtgeschichte. „Allein im Eröffnungsmonat Oktober 1840 erprobten 20225 Personen das neue Verkehrsmittel“, so Häußler. Neben der Neugier auf die neue Technik gab es einen weiteren Grund für diese Reiselust: Am 11. Oktober eröffnete in München das Oktoberfest. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 23,7 km/h hatte man reichlich Zeit für die Vorfreude. Zweieinhalb Stunden, um genau zu sein.
Der Fall des Augsburger Bahnhofs beim Roten Tor kam so rasch wie sein Aufstieg: Nach kaum sechs Jahren Betriebszeit schickte man das Gebäude in Rente. Als Tor zur Welt der Überlandstrecken errichtete man in günstigerer Lage am Rosenauberg den im Juli 1846 eingeweihten Hauptbahnhof. Der ausgediente Ur-Bahnhof wurde noch eine Weile als Güterverladestation genutzt. Danach wurden die schweren Stahlrösser von den Pferden der leichten Reiter ersetzt: Der ehemalige Bahnhof diente als militärische Reitschule der Chevaulegers. Seit 1920 erfüllt die Halle ihren heutigen Zweck als Straßenbahn-Depot. Die historische Bedeutung des Gebäudes ist wenig bekannt. Doch auch der Nachfolger ist geschichtsträchtig: Den heutigen Augsburger Hauptbahnhof schmückt das älteste noch im Betrieb befindliche Empfangsgebäude in einer deutschen Großstadt. Serie Mit diesem Beitrag endet unsere Serie der „Bahnhofsgeschichten“. Viele Fotos finden Sie in unserer Bildergalerie unter www.augsburger allgemeine.de