Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Fugger lernen ihren Urahn kennen

Zur Premiere des Musicals „Herz aus Gold“kamen zahlreiche Nachfahren des berühmten Kaufmanns. Wie Jakob Fugger wirklich war, weiß niemand mehr. Die Familie sah das Theaterpro­jekt anfangs skeptisch

- VON NICOLE PRESTLE

Er wird viel geschriebe­n haben in seinem Leben, dieser Jakob Fugger. Aber eines hat er nicht gemacht: Tagebuch geführt. Wie er dachte, was ihn umtrieb, das alles ist bis heute unbekannt. Auch seine Nachfahren können da wenig Licht ins Dunkel bringen. „Er ist eine fasziniere­nde Persönlich­keit“, sagt Maria Elisabeth Gräfin Thun-Fugger. „Aber wie er wirklich war, wissen wir nicht, weil er keine Memoiren geschriebe­n hat und weil es damals keine Regenbogen­presse gab.“

Eigentlich ein Glücksfall für Andreas Hillger: Als er den Text für das Fugger-Musical „Herz aus Gold“schrieb, konnte er „seinen“Jakob somit (fast) völlig frei entwickeln. Entstanden ist ein ehrgeizige­r Mensch, der nach oben möchte; einer, der wenig auf sein Privatlebe­n achtet, weil er die eine, die er gerne hätte, ohnehin nicht haben kann.

Es ist also eine Liebesgesc­hichte, die seit Samstag auf der Augsburger Freilichtb­ühne gezeigt wird, eine doppelt unglücklic­he noch dazu. Kann man damit als Fugger’sches Familienmi­tglied zufrieden sein? Ja, findet Maria Elisabeth Gräfin ThunFugger. „Natürlich ist die Handlung rein fiktiv, aber sie hat ja auch nicht den Anspruch, eine historisch­e Abhandlung zu sein.“Ganz abgesehen davon, dass das Publikum eine Erzählung über die doppelte Buchführun­g vielleicht auch nicht so gut gefunden hätte, schiebt die Gräfin schmunzeln­d hinterher.

Zwei Jahre lang hat Augsburgs Theaterint­endant André Bücker mit Komponist Stephan Kanyar und Autor Andreas Hillger an der Entwicklun­g dieses Augsburg-Musicals gearbeitet. Was dabei herauskomm­en würde, wussten auch die Mitglieder der heutigen Fugger-Familie nicht: „Wir waren in die Gestaltung nicht eingebunde­n, insofern war es für uns eine Überraschu­ng, was daraus gemacht wird“, sagt Maria Theresia Gräfin Fugger von Glött. Nach der Premiere am Samstag zeigt sie sich zufrieden: „Mir hat das sehr gefallen. Ich finde das Musical mitreißend und ein schönes Erlebnis, weil man spürt, dass die Künstler sich darauf eingestell­t haben.“

Gemeinsam mit Alexander Graf Fugger-Babenhause­n leiten Maria Elisabeth Gräfin Thun-Fugger und Maria Theresia Fugger von Glött das Fugger’sche Familiense­niorat. Alle drei noch existieren­den Linien der Familie sind damit im Gremium vertreten, das die Entscheidu­ngen für alle Fugger’schen Stiftungen trifft. Die bekanntest­e ist die Fuggerei, die Jakob Fugger 1521 ins Leben rief. 2021 wird sie 500 Jahre alt.

Rund 200000 Besucher kommen jedes Jahr, um sich die Stadt in der Stadt anzusehen. Das Fugger-Musical könnte das Interesse weiter beflügeln, glaubt die Familie. Wer nach dem Besuch der Freilichtb­ühne mehr wissen will, könne sich vor Ort informiere­n oder auf die Internetse­ite gehen, die viel Wissenswer­tes über Fugger und seine Stiftungen verrät.

Die Familie legt seit einiger Zeit mehr Wert darauf, die Idee des Stifters in die Öffentlich­keit zu bringen. Dennoch wird penibel darauf geachtet, auf welchen „Produkten“der Name Fugger steht. Tatsächlic­h habe sich das Seniorat überlegt, ob man einem Fugger-Musical zustimmen wolle: „Wir waren zunächst skeptisch“, gibt Maria Elisabeth Gräfin Thun-Fugger zu. „Aber dann waren wir irgendwann überzeugt, dass es eine gute Werbung für Augsburg wäre und Menschen dazu bringen kann, die Stadt und die Fuggerei zu besuchen.“

Alexander Graf Fugger-Babenhause­n war am Ende überrascht, wie groß die Produktion geworden ist: „Ich finde es toll, dass das Musical eine eigene Kreation aus Augsburg ist.“Dass nicht alle historisch­en Fakten stimmen, stört ihn nicht: „Es ist erkennbar, dass da auch Fantasie mitspielt. Das Musical ist augenzwink­ernd und unterhalts­am.“

Die Generalpro­be am Freitag war übrigens für alle Akteure noch einmal besonders aufregend: Hauptdarst­ellerin Roberta Valentini, die Fuggers Jugendlieb­e Sibylla spielt, konnte aus gesundheit­lichen Gründen nicht singen. Am Nachmittag klingelte deshalb das Telefon bei Regieassis­tentin Aileen Schneider. „Man hat mich gefragt, ob ich mich in der Lage sähe, bei der Generalpro­be die Sibylla zu spielen, eventuell auch zu singen – im Kostüm“, sagt Schneider. Die 25-Jährige, die seit dieser Spielzeit am Theater engagiert ist, zögerte nicht. „Klar habe ich das gemacht, auch wenn es ein seltsames Gefühl war, plötzlich auf der Bühne zu stehen.“Der Applaus, den das Team ihr danach gegeben habe, habe sie aber auch ein bisschen stolz gemacht. Bei der Premiere am Samstag stand dann aber wieder Roberta Valentini auf der Bühne.

Bis 28. Juli wird „Herz aus Gold“auf der Freilichtb­ühne zu sehen sein. Danach wird die Augsburger Uraufführu­ng abgesetzt. Nächstes Jahr ist am Roten Tor das Musical „Jesus Christ Superstar“dran. Intendant André Bücker sagte vor wenigen Wochen im Kulturauss­chuss, dass es ein Wagnis sei, ein völlig neues Stück auf der Freilichtb­ühne zu zeigen. In der nächsten Spielzeit wolle man deshalb wieder auf ein bekanntere­s Musical setzen. Bücker will „Herz aus Gold“irgendwann aber wieder auf die Bühne bringen. Vielleicht könnte es eine Marke für die Stadt werden. »

Zwei Jahre Vorbereitu­ng für Intendant André Bücker

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Fotos: Jan Pieter Fuhr, Michael Hochgemuth (2) Chris Murray (Bild oben) spielt im Fugger Musical „Herz aus Gold“einen Jakob Fugger, der nach oben will – und am Ende doch weit unten ist. Die Uraufführu­ng am Samstag sahen sich viele Nachfahren des berühmtest­en Sprosses im Haus Fugger an. Auf un serem...

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