Augsburger Allgemeine (Land West)

So lief der Großeinsat­z der Polizei

Im Vorfeld des AfD-Parteitags herrschte Sorge vor Krawallen, 2300 Beamte wurden zusammenge­zogen. Nun loben die Polizisten den friedliche­n Verlauf der Demonstrat­ionen. Wie kam es dazu?

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Wie ist der Polizeiein­satz rund um den AfD-Bundespart­eitag gelaufen – auch im Vergleich zu vergangene­n Parteitage­n der „Alternativ­e für Deutschlan­d“?

Die Polizei zieht eine sehr positive Bilanz. Das kann sie auch objektiv tun: So friedlich, wie am Wochenende in Augsburg, war es im Umfeld der vergangene­n Parteitage nie. Im Dezember in Hannover musste die Polizei Wasserwerf­er einsetzen, um eine Blockade von AfD-Gegnern aufzulösen. Es gab verletzte Demonstran­ten und Polizisten. In Köln im Frühjahr 2017 wurden zwei Beamte verletzt. Zudem gab es Versuche, Autos anzuzünden. Und einige Schaufenst­er wurden eingeworfe­n. 2016 in Stuttgart versuchten Demonstran­ten, brennende Barrikaden aus Autoreifen zu errichten. Die Polizei musste rund 400 AfD-Gegner festnehmen und in einer Gefangenen-Sammelstel­le unterbring­en. Und in Augsburg? Während des gesamten Parteitags-Einsatzes gab es keine Festnahme. Die vorsorglic­h eingericht­ete Gefangenen-Sammelstel­le in einer Messehalle wurde gar nicht gebraucht. Von Donnerstag­abend bis zum Sonntagnac­hmittag zählte die Polizei genau 24 Straftaten – überwiegen­d Sachbeschä­digungen und Beleidigun­gen. Salopp formuliert: Viele Zweitliga-Fußballspi­ele lösen mehr Ärger aus.

Bei den Demonstrat­ionen vor der Messe wirkte die Stimmung zeitweise etwas aufgeheizt. Gab es gewalttäti­ge Zwischenfä­lle?

Es gab kleinere Zwischenfä­lle. Leicht verletzt wurden nach Polizeiang­aben letztlich aber nur zwei Gegendemon­stranten, die nahe der Messe versuchten, über ein Absperrgit­ter zu klettern. Sie wollten den Anfahrtswe­g zum AfD-Parteitag auf dem Messegelän­de blockieren. Die Polizisten setzten Pfefferspr­ay ein, um sie zurückzudr­ängen. Rund 40 weitere AfD-Gegner wurden ebenfalls von Polizisten zurückgedr­ängt und daran gehindert, die Messe-Zufahrt zu besetzen. Der zweite Zwischenfa­ll spielte sich am Rathauspla­tz ab. Dort versuchten einige Linksauton­ome, Eier, Tomaten und Plastikfla­schen auf OB Kurt Gribl (CSU) zu werfen. In Richtung von Beamten flog ein Böller. Es wurde niemand getroffen.

Woran lag es, dass es in Augsburg so friedlich geblieben ist?

Es gibt mehrere Faktoren, die zusammenge­wirkt haben. Der Kurs der Polizei hat sicher stark dazu beigetrage­n. Einsatzlei­ter Norbert Zink hatte die Strategie ausgegeben, dass sich die Polizei neutral verhalten und sowohl den AfD-Parteitag auch friedliche Demonstrat­ionen schützen wird. Gleichzeit­ig hatte er unmissvers­tändlich angekündig­t, gegen Gewalttäte­r konsequent vorzugehen. Das zeigte auch die Polizeiprä­senz. Die Zahl der Beamten und Fahrzeuge, die am Samstagmor­gen im Umfeld eingesetzt war, war enorm. Die Botschaft war klar: Hier kommt keiner durch. Vielleicht hat das bereits im Vorfeld den ein oder anderen auf Krawall gebürstete­n AfD-Gegner abgehalten, nach Augsburg zu kommen. Dazu kam: Die Polizisten gingen zwar bestimmt vor, aber freundlich und ohne unnötige Härte. Speziell geschulte Kommunikat­ionsbeamte erklärten das Vorgehen der Polizei. Norbert Zink sagt: „Mein ausdrückli­cher Dank gilt allen Augsburger Bürgerinne­n und Bürgern, die friedlich und kreativ ihre Meinung artikulier­t haben, Provokatio­nen aus dem Weg gegangen sind und dabei einmal mehr gezeigt haben, dass Augsburg zu Recht als Friedensst­adt wahrgenomm­en wird.“

Welchen Anteil hatten die Organisato­ren des Protests am positiven Verlauf?

Einen großen Anteil. Das sieht auch die Polizei so. Die Zusammenar­beit mit den Organisato­ren des Protests lobt ein Polizeispr­echer als „sehr positiv“. Das Bündnis für Menschenwü­rde hatte die Federführu­ng übernommen. Mit im Boot waren Gewerkscha­ften und ein Bündnis von gewerkscha­ftlichen, politische­n und kirchliche­n Jugend- und Studenteng­ruppen. Auch die Polizei schätzt es so ein, dass die große Mehrheit der bis zu 6000 Demonstran­ten friedlich eingestell­t war. Eine Gruppe von Linksauton­omen schloss sich zwar dem Demozug von der Messe zur Innenstadt an und bildete eine Art Block – durch Transparen­te auf allen Seiten und Regenschir­me. Allerdings öffnete sich dieser Block im Lauf des Zuges. Die Polizei musste nicht eingreifen. Polizeispr­echer Thomas Rieger sagt: „Nach unserem Eindruck war die soziale Kontrolle innerhalb des Dewie monstratio­nszuges gut.“Nach Informatio­nen unserer Redaktion hatten die Organisato­ren deutlich mehr Ordner eingesetzt, als es ihnen die Stadt in den Auflagen vorgeschri­eben hatte. Einsatzlei­ter Norbert Zink erwähnt in seiner Bilanz auch das Verhalten der Linksauton­omen: „Respekt zolle ich auch denjenigen, die zur Kundgebung nach Augsburg angereist sind und sich trotz erkennbar anderer Ausrichtun­g weitestgeh­end an die Weisungen der Polizei gehalten und nicht zur Eskalation beigetrage­n haben.“

Vor dem Parteitag hat ein im Internet kursierend­er „Krawall-Reiseführe­r“die Augsburger verunsiche­rt. Darin wurden mögliche Ziele für Attacken benannt, etwa Hotels, Behörden und Parteibüro­s. Ist dort etwas passiert?

Im Wesentlich­en blieb es auch hier ruhig. Das Hotel in Gersthofen, in dem die AfD-Führungsri­ege abgestiege­n ist, wurde rund um die Uhr von Polizisten bewacht. Andere In- stitutione­n hatten teils private Sicherheit­sdienste beauftragt. Auch Augsburgs AfD-Vorsitzend­er Markus Bayerbach ließ am Wochenende sein Wohnhaus bewachen. Vor dem Wohnhaus eines Vorstandsm­itglieds wurde am Samstag eine Pflasterfl­äche mit dem Spruch „Keine Ruhe den rechten Hetzern“beschmiert. Außerdem wurden im Umfeld Flugblätte­r verteilt, die den Namen und ein Foto des AfD-Funktionär­s zeigten. Vor der CSU-Zentrale wurden nach Polizeiang­aben Böller gezündet. Passiert ist dabei aber nichts.

Bereits am Dienstag hatte die Polizei vorsorglic­h einen 23-jährigen Augsburger aus der linken Szene eingesperr­t. Ein Richter bestätigte die Sicht der Polizei, dass er Straftaten begehen könnte. Was wurde aus ihm?

Theoretisc­h hätten die Beamten den Mann noch bis Sonntagnac­ht, 24 Uhr, festhalten können. Angesichts der ruhigen Situation in der Stadt sei er aber bereits am Sonntagmit­tag wieder aus dem Polizeigew­ahrsam entlassen worden, teilt Polizeispr­echer Thomas Rieger mit.

Es waren am Wochenende an die 2300 Beamte im Einsatz. Verstärkun­g kam aus acht Bundesländ­ern. Wo kamen die Beamten unter und wie wurden sie versorgt?

Die Polizisten nutzten Unterkünft­e der Bereitscha­ftspolizei in Dachau und Königsbrun­n. Dort schlafen sonst Polizeisch­üler. Zudem wurden sie in Hotels untergebra­cht. Für die Einsätze bekamen sie Essenspake­te. An drei Orten gab es zudem warmes Essen – an der Messe, bei der Bereitscha­ftspolizei in Königsbrun­n und im Polizeiprä­sidium. Neben Köchen der Polizei wurden auch Cateringfi­rmen engagiert.

Die Polizei spricht von bis zu 6000 Teilnehmer­n an den Anti-AfD-Demonstrat­ionen und Kundgebung­en. Wie kommt diese Zahl zustande?

Zu Spitzenzei­ten am frühen Nachmittag waren es bis zu 6000, sagt Polizeispr­echer Thomas Rieger. Die Zahl setzt sich so zusammen: Rund

5000 Menschen beteiligte­n sich nach Schätzunge­n der Polizei am großen Demozug von der Messe in die Innenstadt. Am einer zweiten Demonstrat­ion vom Gewerkscha­ftshaus in die Innenstadt nahmen rund

400 Menschen teil. Zudem gingen weitere Teilnehmer direkt zur zentralen Kundgebung auf den Rathauspla­tz. Zunächst war die Polizei am Vormittag noch von rund 2000 Demonstran­ten an der Messe ausgegange­n. Später, als weitere Teilnehmer hinzukamen, änderte die Polizei ihre Schätzung nach oben ab.

 ??  ?? Abkühlung von der Berufsfeue­rwehr: In der Konrad Adenauer Allee gab es Wasser für die Demonstran­ten. Die Polizei hatte die Feuerwehr um diesen Einsatz gebeten.
Abkühlung von der Berufsfeue­rwehr: In der Konrad Adenauer Allee gab es Wasser für die Demonstran­ten. Die Polizei hatte die Feuerwehr um diesen Einsatz gebeten.
 ??  ?? Bis zu 2300 Beamte waren am Wochenende im Einsatz. Die Sonne und die warmen Temperatur­en waren auch für sie eine Herausford­erung.
Bis zu 2300 Beamte waren am Wochenende im Einsatz. Die Sonne und die warmen Temperatur­en waren auch für sie eine Herausford­erung.
 ??  ?? Rund um die Messe waren auch Polizei pferde auf Streife.
Rund um die Messe waren auch Polizei pferde auf Streife.
 ??  ?? Am Sonntagvor­mittag baute die Polizei erste Absperrung­en ab.
Am Sonntagvor­mittag baute die Polizei erste Absperrung­en ab.
 ??  ?? Rund um die Messe war die Polizei mas siv präsent.
Rund um die Messe war die Polizei mas siv präsent.

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