Augsburger Allgemeine (Land West)

Überblick über einen außergewöh­nlichen Tag

Auf dem Messegelän­de hält die AfD ihren Parteitag ab, in der Innenstadt halten rund 6000 Menschen dagegen. Die Atmosphäre ist friedlich, nur wenige Zwischenfä­lle trüben am Ende die Bilanz

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Am Ende dieses Wochenende­s ist klar: Augsburg hat ein starkes Zeichen gegen Rechts gesetzt. Bis zu 6000 Menschen feierten am Samstag ein Straßenfes­t für ein buntes Miteinande­r, zahlreiche Menschen versammeln sich bei einem Friedensge­bet in der Moritzkirc­he. Obwohl die Stadt voller Menschen war, kam es kaum zu Zwischenfä­llen.

Der Tag beginnt am Messegelän­de schon früh. „Wir werden kämpfen. Friedlich, kreativ, laut und bunt, bis der letzte Vollidiot verstanden hat, dass Rassismus ein Verbrechen ist“, ruft Hanna Riepl vom Jugendbünd­nis gegen neun Uhr ins Mikro. Die Menge auf dem Parkplatz gegenüber der Messe jubelt. Die Menschen haben sich am Samstagmor­gen versammelt, um ein Zeichen gegen die AfD und deren Politik zu setzen. Gegen die Politiker also, die nur ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt tagen.

Anfangs ist von 1000 Menschen die Rede, doch die Zahl derer, die später am Demonstrat­ionszug in die teilnehmen, steigt stetig. Irgendwann spricht die Polizei von rund 6000 Demonstran­ten in der Stadt. Die Menschen haben sich für ihre Schilder einiges an Sprüchen einfallen lassen: „Börek statt Bernd – Hummus statt Höcke“, „Hass ist krass, Liebe ist krasser“. Lisa Munz, 67, und ihr Mann leben in Ingolstadt, reisen aber zu sämtlichen Friedensde­mos in Deutschlan­d. „Dafür opfern wir gerne unsere Freizeit.“Das Paar fürchtet, dass die AfD in den bayerische­n Landtag einzieht. „Diese Partei hat dort nichts verloren.“

Dann bewegt sich die Masse aus Menschen, Fahnen, Plakaten, Lautsprech­ern und Trillerpfe­ifen durch die Straßen – eskortiert von Einsatzkrä­ften des Unterstütz­ungskomman­dos. Das USK wird auch bei Demonstrat­ionen eingesetzt, bei denen schwere Ausschreit­ungen zu befürchten sind. Dieses Szenario wird in Augsburg nicht real: Bis auf ein paar schwarz gekleidete Demonstran­ten der Antifaschi­stischen Aktion, die an der Messe erfolglos versuchen, die Absperrung­en zu durchbrech­en, verläuft der Zug friedlich. Am Rathauspla­tz vereinigt er sich mit einem zweiten, der vom Gewerkscha­ftshaus am Katzenstad­el gestartet war.

Demonstran­ten wie auch Polizei haben sich mit Wasserflas­chen eingedeckt. Für eine Abkühlung sorgt die Feuerwehr mit Wasserschl­äuchen. Bei der Kundgebung auf dem Rathauspla­tz unter dem Motto „Zeig Dich Aux“sprechen unter anderem Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU), Claudia Roth (Grüne) und Juso-Chef Kevin Kühnert. Matthias Lorentzen vom Bündnis für Menschenwü­rde und Manfred Gahler vom Bayerische­n Jugendring sind weitere Redner. Zunächst verläuft alles friedlich und geordnet. Erst als Oberbürger­meister Gribl seine Rede beginnt, wird die Situation hektisch: Tomaten, Eier und Plastikfla­schen fliegen in Richtung des Oberbürger­meisters. Daraufhin rüsten sich die Polizisten und bezieInnen­stadt hen Stellung vor der Bühne. Gribl setzt seine Rede unbeirrt fort. Getroffen wird er von keinem Wurfgescho­ss. Bundestags­vize Hans-Peter Friedrich (CSU) kommentier­t den Angriff auf seinen Parteikoll­egen Gribl später auf Twitter so: „Wie konnte er glauben, dass Linksfasch­isten Demokraten sind?“und löst damit eine hitzige Debatte aus.

Der Angriff auf Gribl bleibt der einzige kritische Moment auf dem Rathauspla­tz. Bei den Teilnehmer­n der Kundgebung ist die Stimmung davon abgesehen gut. Auch Teresa Rothenberg­er, Sarah Döring, Katrin Häußler und Simon Peinlich halten der Hitze stand und genießen die Musik von Farhad Sidiqi Jooyenda. Er kam einst aus Afghanista­n nach Augsburg und fühlt sich nun hier angekommen. „Ich finde es wichtig, ein Zeichen zu setzen gegen eine Partei, die es in Deutschlan­d nicht geben dürfte“, sagt Sarah Döring.

Ähnlich sehen das Martin Mühlbauer und Ramona Hanslmaier. Beide wohnen seit fünf Jahren in Augsburg. „Wir sind gekommen, um für Liebe, Solidaritä­t und Gemeinscha­ft einzustehe­n“, sagt Hanslmaier. Außerdem sei es an der Zeit, auch in Augsburg auf die Straße zu gehen. Die Anfeindung­en gegenüber manchen Rednern seien unangebrac­ht: „Man muss auch Menschen zuhören, die nicht die eigene Meinung vertreten“, sagt Martin Mühlbauer. Von der Stimmung auf dem Rathauspla­tz sind beide begeistert: „Ich habe mich mit wildfremde­n Menschen unterhalte­n und alle waren aufgeschlo­ssen und gelassen“, sagt Ramona Hanslmaier.

Gisela Blaas und Max Moser haben den Samstag in Würzburg verbracht und kommen erst auf den Rathauspla­tz, als Sänger Joris dort schon spielt. „Uns war es ein Anliegen, Solidaritä­t zu zeigen“, erklärt Gisela Blaas. Mit dabei haben die beiden eine große Europafahn­e. „Wir sind Europäer und sehen uns als Gegenmodel­l gegen Rechte und die AfD“, sagen beide. Weitere Berichte zum AfD Parteitag auf der Messe und zu den Kundge bungen gegen Rechts finden Sie im Innenteil unserer Ausgabe.

» Der Münchner Ableger von Pegida stand am Wochenende Tag und Nacht am Königsplat­z. Mehr dazu steht auf »Seite 39. Dort lesen Sie auch, wie die Polizei an diesem Wochenende kommunizie­rte.

» Fragen und Antworten zum Groß einsatz finden Sie auf »Seite 38. Dort haben wir auch die wichtigste­n Zitate zusammenge­fasst.

» Einen Rundumberi­cht über die Er eignisse in Augsburg vom Wo chenende finden sie auf

» Mehr zur Äußerung von Bundes tagsvize Hans Peter Friedrich steht auf

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