Augsburger Allgemeine (Land West)

Heimat entsteht nicht irgendwie und sowieso

In Horgau gibt es konkrete Pläne für Dorfladen mit Kaffeewirt­schaft: Wie Ortskerne wieder fit werden sollen erklärt Johann Huber

- VON MAXIMILIAN CZYSZ Das Amt fördert insbesonde­re auch Projekte, bei denen sich Menschen an der Gestaltung ihres Lebensraum­s beteiligen.

Horgau In Horgau plant die Genossensc­haft Herzstück einen Dorfladen mit Kaffeewirt­schaft: Sie sollen Plattform für viele Angebote sein. Das Projekt erhält Unterstütz­ung von Amt für Ländliche Entwicklun­g, weil es einer besorgnise­rregenden Entwicklun­g in Bayern entgegenst­euert. Darüber spricht Behördenle­iter Johann Huber im Interview.

In vielen ländlichen Gemeinde herrscht Disharmoni­e: Der Dreiklang aus BMW – das sind Bäcker, Metzger und Wirtschaft – bleibt aus. Viele Gastwirte geben auf, Bäckereien werden durch Filialen ersetzt und die Wurst gibt es nur noch im Discounter. Wie sehen Sie diese Entwicklun­g?

Johann Huber: Die Menschen im ländlichen Raum erwarten gleichwert­ige Lebensbedi­ngungen und eine hohe Lebensqual­ität mit einer funktionie­renden Grundverso­rgung in ihrem Lebensumfe­ld. Darauf sind besonders ältere Menschen und Menschen ohne eigenes Auto, aber auch Familien dringend angewiesen. Hier bietet die Ländliche Entwicklun­g Hilfe zur Selbsthilf­e.

In Horgau soll ein Dorfladen mit Kaffeewirt­schaft entstehen. Dahinter steht eine Genossensc­haft. Welche Chancen geben Sie dem Projekt?

Huber: Wenn hinsichtli­ch dieses Projektes der dörfliche Zusammenha­lt gegeben ist und die Gemeinde Horgau dahinterst­eht, dann wird es aus unserer Erfahrung heraus zu einer positiven Umsetzung kommen. An die heute schon 100 Mitglieder der Genossensc­haft sprechen dafür.

Wie kann das Amt für Ländliche Entwicklun­g Schwaben unterstütz­en? Und wie kann das Amt den Prozess der Umsetzung begleiten?

Huber: Die Unterstütz­ung ist vielfältig. In der Dorferneue­rung können unter anderem Machbarkei­tsstudien und Konzepte gefördert werden, um zu klären, ob das geplante Projekt sinnvoll und wirtschaft­lich ist. In der Dorferneue­rung können aber auch Kleinstunt­ernehmen gefördert werden, wenn sie in die Grundverso­rgung der ländlichen Bevölkerun­g investiere­n. Dazu zählen etwa Bäckereien, Metzgereie­n, Gastwirtsc­haften oder Dorfläden. Voraussetz­ung für eine Förderung ist, dass diese zu keiner Wettbewerb­sverzerrun­g vor Ort führt.

Eigentlich sollte es doch ganz normal sein, dass sich Menschen um ihr Umfeld kümmern. Haben Sie eine Erklärung, warum das heutzutage keine Selbstvers­tändlichke­it mehr ist?

Huber: Dies ist ein gesamtgese­llschaftli­ches Problem. Leider geht die Bereitscha­ft, sich ehrenamtli­ch zu engagieren, in vielen Bereichen zurück. Hierfür gibt es viele Gründe. Hohe Arbeitsbel­astung im Berufslebe­n oder andere Formen der Freizeitge­staltung außerhalb des dörflichen Angebots, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Welche Bedeutung haben Initiative­n wie das „Herzstück“generell für den ländlichen Raum?

Huber: Wohnen und Arbeiten sowie ein örtlich verfügbare­s Angebot mit Waren und Dienstleis­tungen gehören für einen attraktive­n Standort zusammen. Aus diesem Grunde hat auch die für die Ländliche Entwicklun­g in Bayern zuständige Ministerin, Michaela Kaniber, die Initiative „Heimat-Unternehme­n“ins Leben gerufen. Mit dieser Initiative soll die Nahversorg­ung in den ländlichen Regionen gestärkt und unternehme­rische Menschen unterstütz­t werden. Ziel ist es, aus Ideen gute Projekte zu machen. Wichtig dabei ist, eine gezielte Vernetzung der richtigen Leute und die passenden Finanzieru­ngsmöglich­keiten zu finden. Um es auf den Punkt zu bringen: Solche Initiative­n fördern den ländlichen Raum und machen seine Dörfer zukunftsfä­hig und lebenswert. Heimatgefü­hl entsteht nicht irgendwie und sowieso, sondern dafür muss etwas getan werden.

Kennen Sie ein Beispiel, das zeigt, wie ein Dorfladen zur Bereicheru­ng für eine Gemeinde wurde und das Gemeindele­ben noch weiter bereichert hat?

Huber: Die Dorfladenp­rojekte in Rögling und Tagmershei­m im Landkreis Donau-Ries haben Vorbildcha­rakter.

Warum brauchen wir wieder mehr Leben in den Dorfkernen?

Huber: Die Revitalisi­erung von Ortskernen ist ein wichtiges Ziel in jeder Dorferneue­rung. Unser Grundsatz lautet stets „Innen- vor Außenentwi­cklung“. Dorfkerne müssen wieder zu ihrer früheren Funktion zurückgefü­hrt werden und zu Orten der Begegnung werden. Geben wir die Ortskerne auf, verkommen Dörfer zu reinen „Schlaf- und Wohnstätte­n“. Mit einer erhöhten Förderung werden Initiative­n belohnt, wenn sie leer stehende Bausubstan­z in Ortskernen zeitgemäß und effizient nutzbar machen. Dies steigert auch die Attraktivi­tät jeden Dorfes, dient dem Erhalt der innerörtli­chen Infrastruk­tur, wie Ver-und Entsorgung­sleitungen, und hilft Flächen sparen.

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Johann Huber

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