Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Jahr danach

Am 3. Juli 2017 brannte ein Reisebus auf der A9 völlig aus. Nur das Gerippe blieb übrig. Die Tragödie warf Fragen nach der Sicherheit von Bussen auf. Hat sich seitdem etwas getan?

- Kathrin Zeilmann, dpa

Münchberg Ein Jahr ist die Katastroph­e her. Trotz der Zeit, die vergangen ist – die Bilder bleiben. Die Bilder eines Reisebusse­s, ausgebrann­t, nur mehr ein verkohltes Gerippe. Und ein Grab. 18 Menschen starben an jenem 3. Juli 2017 auf der A9 in Oberfranke­n. Die Tragödie hat Fragen nach der Sicherheit von Bussen aufgeworfe­n. Welche Antworten gibt es nun, ein Jahr später?

Die Ermittlung­en gingen damals schnell. Gut vier Wochen nach dem Busunfall von Münchberg (Landkreis Hof) waren sich Staatsanwa­ltschaft und Polizei sicher, warum die 18 Menschen sterben mussten. Der Fahrer war unachtsam – warum auch immer. Er sah zu spät, dass ein Sattelzug vor ihm wegen einer Baustelle abgebremst hatte. Ein System, das automatisc­h eine Notbremsun­g einleitet, musste der Bus noch nicht haben – das ist erst für neuere Modelle Pflicht. In dem Unglücksbu­s waren Batterie samt Elektrik, Druckluftt­ank sowie Zusatztank weit vorne und nahe beisammen verbaut. Eine gängige, völlig legale Bauweise. Die am Tag des Unfalls aber binnen Sekunden eine verheerend­e Kettenreak­tion auslöste. Es kam zu Kurzschlüs­sen bei Batterie und Elektrik. Ein Kraftstoff­tank wurde zusammenge­staucht und platzte. Der Kraftstoff entzündete sich, befeuert von austretend­er Druckluft.

„Natürlich ist das in dieser Konstellat­ion eine sehr tragische Verkettung gewesen“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallfors­chung des Gesamtverb­andes der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft. „Aber die dabei erkennbare­n Defizite müssen gleichwohl behoben werden. Es kann einfach nicht sein, dass ein Aufprall mit einer Geschwindi­gkeit von 30 km/h zu solchen Folgen führt. Wenn ein Tank, wie in diesem Fall, vor der Vorderachs­e eingebaut wird, muss entweder der Tank selbst crashsiche­r sein oder es muss ein kraftablei­tende Crashstruk­tur des Busvorderb­aus konstruier­t werden.“Dazu brauche man aber verbindlic­he EU-Vorgaben. „Ich erkenne aber nicht, dass sich jemand darum kümmert.“

Es sei ein Einsatz gewesen, den man sein ganzes Leben nicht vergesse, sagt Andreas Hentschel von der Feuerwehr Münchberg. Schon als er und seine Kollegen nach der Alarmierun­g auf die Autobahn fuhren und eine dichte schwarze Rauch- wolke sahen, war klar: Das würde kein alltäglich­er Einsatz.

Das Reisebüro Reimann in Löbau, in dessen Auftrag der mit Gästen aus Sachsen besetzte Unglücksbu­s unterwegs war, gibt es noch in der Fußgängerz­one. Der Familienbe­trieb kämpft nach wie vor mit den Folgen der Katastroph­e. Im Portfolio finden sich nur noch Busfahrten in die näheren und angrenzend­en Regionen. Die Eigentümer äußern sich nicht zum Jahrestag. Der damalige Beifahrer und Juniorchef soll wieder hinter dem Steuer sitzen – und nach wie vor in psychologi­scher Behandlung sein.

Gleich nach dem verheerend­en Brand begann eine Debatte um die Sicherheit in Reisebusse­n – obwohl dieses Verkehrsmi­ttel laut Statistike­n als sehr sicher gilt. Der Bundesverb­and Deutscher Omnibusunt­ernehmer (bdo) lud deshalb zu einer Expertenru­nde in Sachen Sicherheit in Omnibussen. „Hierbei zeigte sich, dass seit 2008 auf deutsche Initiative hin in mitunter langwierig­en Verhandlun­gen zahlreiche Verbesseru­ngen bei den internatio­nal gülti- gen Standards erreicht werden konnten“, sagt bdo-Sprecher Christian Wahl. „Viele von diesen Neuerungen – etwa in Hinblick auf den Einsatz von Rauch- und Brandmelde­rn – haben bereits Gültigkeit.“Weitere Schritte würden in den kommenden Jahren greifen.

Als problemati­sch sahen vielen Experten auch die Innenausst­attung von Bussen – viel zu leicht brennbar sei das Material, im Gegensatz zum Beispiel zur Bahn. Man habe entspreche­nde Versuche durchgefüh­rt, sagt Unfallfors­cher Brockmann. Eine Evakuierun­g durch die hintere Bustür würde drei Minuten dauern – ohne dass gehbehinde­rte Menschen dabei waren. Nach Einschätzu­ng der Feuerwehr könnten aber bereits nach der Hälfte der Zeit so viele giftige Rauchgase im Bus sein, dass die Menschen sich nicht mehr selbst helfen könnten. „Würde man die Vorschrift­en für Bahnmateri­alien auf den Bus übertragen, würde die Zeit auf jeden Fall ausreichen.“

Der Unglücksbu­s von Münchberg musste noch über kein System verfügen, das bei einem Hindernis eine Notbremsun­g automatisc­h einleitet – erst neuere Busse müssen damit ausgestatt­et sein. Und nachrüsten lässt sich solch eine Technik nicht. Trotzdem gab es eine Diskussion um die Bremsassis­tenten, denn oft kann sie der Fahrer manuell abschalten. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) hat inzwischen angekündig­t, dies für Deutschlan­d ändern zu wollen. Ab einer Geschwindi­gkeit von 30 km/h soll der Assistent bei Bus oder Lkw nicht mehr abschaltba­r sein. Leicht nachrüstba­r dagegen sind nach Einschätzu­ng des Verbandes der TÜVOrganis­ationen (VdTÜV) Brandmelde­anlagen in Bussen.

Die Diskussion­en um mehr Sicherheit in Reisebusse­n dürften durch ein weiteres schweres Unglück neue Nahrung erhalten. Am Mittwoch war ein Reisebus auf der A5 in Baden-Württember­g auf einen Mülltransp­orter aufgefahre­n. Dabei starb die 30-jährige Reiseleite­rin einer Seniorengr­uppe aus Bayern. Zudem wurden 31 Menschen verletzt – zwei von ihnen lebensgefä­hrlich.

EU Vorgaben wären wichtig, aber keiner kümmert sich

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Archivfoto: Nicolas Armer, dpa Ein Einsatz, den Feuerwehrl­eute ihr ganzes Leben lang nicht vergessen: Vor einem Jahr brannte ein Reisebus auf der A9 in Ober franken komplett aus. 18 Menschen starben.

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