Augsburger Allgemeine (Land West)
Seleção souverän
Gegen Mexiko lassen Brasilianer keine Zweifel an ihrer Favoritenrolle aufkommen. Superstar Neymar trifft, steht für sein theatralisches Verhalten aber erneut in der Kritik
Samara Neymar, Neymar, Neymar – nach dem brasilianischen 2:0 (0:0) im WM-Achtelfinale gegen Mexiko drehte sich wieder einmal alles nur um den Superstar von Paris SaintGermain. Und erneut ging es nicht um die sportliche Leistung des Angreifers, die mit einem Tor und einem Assist auf den Ex-Hoffenheimer Roberto Firmino wieder einmal über jeden Zweifel erhaben war. Aber leider redete am Montag in Samara zunächst niemand darüber, dass Neymar wieder auf dem Weg zur Bestform ist. Alles drehte sich um Neymars Schauspielerei, mit der sich der 26-Jährige mal wieder selbst in die Schusslinie der Kritik befördert hatte.
Mexikos Trainer griff den Ausnahmefußballer nach der Partie heftig an. Seine Mannschaft habe lange Zeit sehr gut gespielt. „Aber leider haben wir viel Zeit verschwendet wegen eines Spielers. Es ist eine Schande für den Fußball“, sagte Osorio, ohne Neymar beim Namen nennen. „Dadurch haben wir unseren Rhythmus verloren. Das ist ein schlechtes Beispiel für die ganze Welt und all die Kinder vor dem Fernseher. Es sollte nicht so viel Schauspielerei geben“, klagte der mexikanische Coach. „Es gab eine Phase, in der das Spiel vier Minuten unterbrochen war. So etwas darf es nicht geben“, echauffierte sich Osorio über jene Szene, die nach der Begegnung die Gemüter erregte.
Der Mexikaner Miguel Layun war Neymar unmittelbar vor der brasilianischen Bank auf den Knöchel getreten, als er sich den Ball schnappen wollte, damit das Spiel fortgesetzt werden konnte. Der Mexikaner hatte Glück, dass er für dieses Vergehen nicht vom Platz flog.
Was Layun rettete: Die Theatralik, mit der sich Neymar in der Situation auf dem Boden krümmte, als habe er sich so schwer verletzt, dass er in diesem Turnier mit Sicherheit nicht mehr mitwirken könnte. Doch wenige Minuten später lief Neymar wieder über den Rasen, als sei nichts gewesen. Schiedsrichter Gianluca Rocchi aus Italien verzichtete daher auf einen Platzverweis für den Mexikaner. Angesprochen auf diese Szene und die scharfe Kritik von Osorio verhinderte Brasiliens Coach Tite eine Antwort Neymars in der Pressekonferenz. „Trainer sprechen mit und über Trainer, Spieler mit und über Spieler“, sagte Tite.
Kurze Zeit später äußerte sich Neymar aber doch noch über die Gesamtsituation. „Ich denke, es ist mehr ein Versuch, mich zu beschädigen“, sagte er zu den Diskussionen über sein umstrittenes Verhalten. „Ich mache mir nicht viel aus Kritik und Lob. Das kann einen beeinflussen. Ich weiß, dass es noch ein bisschen braucht bis zu meiner alten Form, aber ich bin sehr zufrieden mit dem Spiel und dem Einzug ins Viertelfinale“, sagte Neymar.
Tite wollte die Attacke seines Kollegens nicht überbewerten. „Das passiert in der Hitze des Gezu fechtes“, sagte der Coach, der mit dem Rekordweltmeister auf dem besten Weg zum sechsten Titel ist. Denn Brasilien hat sich in Russland von Spiel zu Spiel gesteigert. Gegen Mexiko tat sich die Seleção in der ersten halben Stunde zwar sehr schwer. Spätestens in der zweiten Halbzeit hatten die Südamerikaner gegen den Deutschland-Bezwinger aber alles im Griff.
Auch weil Mexiko sich die Kräfte bei Temperaturen von rund 35 Grad in Samara falsch eingeteilt hatte und nach dem Seitenwechsel ziemlich platt wirkte. Die Tore von Neymar und Roberto Firmino (88.) waren vor 41970 Zuschauern die logische Folge. „Ich bin sehr zufrieden, schaue aber nicht über die nächste Runde hinaus“, sagte Tite auf die Frage, ob Brasilien jetzt der Topfavorit auf den Titel sei. Im Viertelfinale trifft Brasilien auf Belgien. Eine machbare Aufgabe. (dpa)
Tore 1:0 Neymar (51.), 2:0 Roberto Firmi no (88.) Zuschauer 41970