Augsburger Allgemeine (Land West)

Polizist filmt nackte Frauen in Umkleideka­bine

Er hat mit seinem Handy mehr als 100 Frauen im Bobinger Freibad heimlich abgelichte­t, wie sie sich umziehen. Jetzt wurde der Angeklagte zu einer Freiheitss­trafe verurteilt. Doch ihm drohen noch schlimmere Konsequenz­en

- VON MICHAEL LINDNER

Augsburg/Bobingen Die Frauen haben sich in der kleinen Umkleideka­bine unbeobacht­et, sicher vor neugierige­n Blicken gefühlt, doch das war ein Irrtum. Im Bobinger Freibad Aquamarin haben sie sich im scheinbar geschützte­n Rahmen umgezogen, um an einem heißen Sommertag ins kühle Wasser zu stürzen und die Sonne zu genießen. Das taten die Frauen auch, doch was sich in der Nebenkabin­e abspielte, war ihnen nicht bewusst.

Dort wartete ein junger Mann mit seinem Handy darauf, dass ein neues Opfer die Umkleideka­bine neben ihm betrat. Dann schaltete er die Videofunkt­ion ein und filmte die unwissende­n Frauen durch kleine Bohrlöcher, die auf Höhe des Brustsowie des Genitalber­eichs angebracht waren. Dutzende Frauen sollen er und weitere Bekannte auf diese Weise gefilmt haben – über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren zwischen Juni 2015 und August 2017. Die Staatsanwa­ltschaft geht von insgesamt 36 Tagen aus, an denen

Bisher sei er noch „nicht mal bei Rot über die Ampel“gegangen

die Videos gedreht wurden. Bis zu elf Fälle sollen es an einem einzigen Tag gewesen sein, teilweise im Halb-Stunden-Takt. Insgesamt sind um die 130 Frauen betroffen.

Der Angeklagte und seine Freunde sahen sich danach gemeinsam die kurzen Filmchen an, machten sich über die dort zur Schau gestellten Frauen lustig. Die Videos waren alle auf dem Handy des Angeklagte­n gesichert. Weitergesc­hickt oder gar im Internet zur Schau gestellt hat er die Videos nicht, das ergaben die Ermittlung­en. Fest steht auch, dass der Angeklagte nur einen Teil der mehr als 100 Aufnahmen fertigte, die anderen wurden zwar mit seinem Handy, aber von seinen Freunden gemacht.

Die Sache flog auf, als eine der betroffene­n Frauen die winzigen Bohrlöcher in der Umkleideka­bine entdeckte. Die Polizei ermittelte, die Staatsanwa­ltschaft erwirkte gegen den 27-Jährigen einen Strafbefeh­l, in dem er wegen „Verletzung des höchst persönlich­en Lebensbe- durch Bildaufnah­men“zu einer zur Bewährung ausgesetzt­en Gesamtfrei­heitsstraf­e von acht Monaten verurteilt wurde. Dagegen legte der Angeklagte Einspruch ein, denn er fürchtet um seinen Job.

Der Angeklagte ist ausgebilde­ter Polizist, seit einigen Monaten ist er jedoch vom Dienst suspendier­t. Gegen den Mann wurde ein Disziplina­rverfahren eingeleite­t, das derzeit ruht, im schlimmste­n Fall drohen ihm der Verlust des Arbeitspla­tzes und die Entfernung aus dem Beamtenver­hältnis.

Der 27-Jährige sprach gestern bei der Verhandlun­g vor dem Augsburger Amtsgerich­t ruhig über seine damaligen „Fehler“, die „nicht zu entschuldi­gen“seien. Das Filmen sei eine Art Mutprobe unter Freunden gewesen, das zu einem Teufelskre­is geworden sei. Der Nervenkitz­el sei zu groß gewesen, suchte der Angeklagte nach einer möglichen Erklärung für sein Verhalten. Verteidige­r Robert Chasklowic­z schloss einen sexuellen Hintergrun­d aus.

Je länger der Angeklagte spricht, desto brüchiger wird seine Stimme. Ihm ist bewusst, was für ihn alles auf dem Spiel steht. „Meine ganze Existenz wäre weg“, sagt der 27-Jährige, der alles gesteht. Mit seinem Gehalt unterstütz­t er seine Eltern, bei denen er wohnt, und Großeltern – drei dieser vier Familienmi­tglieder sind Pflegefäll­e. Da er seine Familie finanziell unterstütz­en muss, arbeitete er zunächst als Industriek­aufreichs mann, ehe er die Ausbildung zu seinem Traumberuf Polizist antreten konnte. Zudem habe er Schulden in sechsstell­iger Höhe, da er eine Wohnung für sich und seine Verlobte gekauft hat. Der Angeklagte sagt aus, dass er in seinem Leben noch nie etwas Illegales gemacht habe, „nicht einmal bei Rot über die Ampel“.

Verteidige­r Chasklowic­z sprach in seinem Plädoyer von einer „Riesenschw­einerei“seines Mandanten. Als mögliche Ursachen des Verhaltens nannte er die Gruppendyn­amik und der Versuch des 27-Jährigen, aus dem belastende­n und tristen Alltag in der Familie zu entfliehen. Er beantragte eine Geldstrafe von 150 Tagessätze­n zu maximal je 50 Euro. Staatsanwa­lt Nicolas Pfeil wollte das Strafmaß des Haftbefehl­s nicht reduzieren: „Die acht Monate sind schon sehr komprimier­t. Weniger ist bei der Anzahl der Taten einfach nicht drin.“Die Videos seien wie Trophäen auf dem Handy gespeicher­t gewesen. Er forderte zudem eine Geldauflag­e von 3600 Euro.

Richter Ralf Hirmer verurteilt­e den Polizisten zu einer sechsmonat­igen Freiheitss­trafe auf Bewährung. Damit droht dem Angeklagte­n in dem derzeit ruhenden Disziplina­rverfahren weiterhin der Verlust des Arbeitspla­tzes. Zudem muss der 27-Jährige 5000 Euro an den SKM Augsburg zahlen. „Sie stellen sich über Jahre gegen die Rechtsordn­ung. Sie hätten einfach aufhören können“, sagte Hirmer.

 ?? Symbolfoto: Ulrike Eicher ?? Spanner in der Umkleideka­bine – das kommt immer wieder vor. Im Bobinger Freibad hat ein 27 Jähriger über Jahre mit seinem Handy durch kleine Bohrlöcher Frauen beim Umziehen gefilmt. Er wurde gestern verurteilt und fürchtet um seine Existenz.
Symbolfoto: Ulrike Eicher Spanner in der Umkleideka­bine – das kommt immer wieder vor. Im Bobinger Freibad hat ein 27 Jähriger über Jahre mit seinem Handy durch kleine Bohrlöcher Frauen beim Umziehen gefilmt. Er wurde gestern verurteilt und fürchtet um seine Existenz.

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