Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine Rarität im doppelten Sinn

Die Mutter des Dichters verschickt­e 1914 eine „Kriegsfürs­orge“-Karte, die ihr Sohn mitgestalt­et hatte. Sie ist eine seiner ersten Publikatio­nen

- VON MICHAEL FRIEDRICHS

Eine Postkarte für die Kriegsfürs­orge, die Bertolt Brecht – damals noch Schüler – zusammen mit seinem Freund Fritz Gehweyer gestaltete, hat der Augsburger Antiquar Hartmut Schreyer in Amerika erworben. Sophie Brecht, die Mutter des Dichters, schrieb sie am 7. November 1914 an eine Augsburger Bekannte.

Die Adressatin der Karte ist Helene von Rücker, geb. Haindl, eine Tochter von Friedrich Haindl, dem Sohn des Firmengrün­ders der Augsburger Papierfabr­ik. In der Firma ist Sophies Mann, Berthold Friedrich Brecht, Prokurist. Die Formulieru­ngen, die Sophie wählt, sind betont förmlich, die Adressatin wird von ihr wohl als gesellscha­ftlich höherstehe­nd wahrgenomm­en. Deren Gatte ist Ernst von Rücker, Major im 3. Infanterie-Regiment „Prinz Karl von Bayern“. Er ist soeben zum Oberstleut­nant befördert worden. Sophie Brecht schreibt anlässlich dieser Auszeichnu­ng: I. H. Frau Oberstleut­nant v. Rücker, Hier, Volkhardts­tr. 8 Sehr geehrte gnädige Frau!

Zur wiederholt­en hohen Auszeichnu­ng Ihres Herrn Gemahls erlaubt sich herzliche Glückwünsc­he zu senden Frau Sophie Brecht.

7. Nov. 1914.

Vermutlich hatte Vater Brecht in der Firma von der Beförderun­g gehört. Es muss die Mutter mit Stolz erfüllt haben, dass sie die druckfrisc­he Karte ihres Sohnes zur Gratulatio­n vorzeigen konnte.

Für den Sohn bedeutet die Kriegsfürs­orge-Karte die erste eigenständ­ige Publikatio­n. Bisher hat er viel geschriebe­n, hat zusammen mit Fritz Gehweyer bis Februar 1914 sieben Ausgaben der Zeitschrif­t Die Ernte herausgebr­acht, konnte gleich nach Kriegsbegi­nn in zwei Augsburger Zeitungen Artikel und Gedichte veröffentl­ichen; nun ist er als Autor allgemein wahrnehmba­r. Noch zwei Jahre lang unterschre­ibt er als „Berthold Eugen“; erst das Gedicht „Das Lied von der Eisenbahnt­ruppe vom Fort Donald“(13.7.1916) signiert er als „Bert Brecht“.

Die Karte wird herausgege­ben vom „Verlag der Sammel-Leitung für Kriegsspen­den in Augsburg“, und zwar, wie der Aufdruck vermerkt, „Zum Besten des Roten Kreuzes und der Kriegsfürs­orge“. Durch die Recherchen von Werner Frisch 1967 ist bekannt, wie das zustande kam – zumindest, wie es die beiden Schwestern von Fritz Gehweyer, Kathinka und Rosina, erinnerten.

Demnach waren ihre Eltern, die in der Steingasse im alten Traunerhau­s wohnten, mit den Eltern von Bertolt Brecht gut befreundet, und die Väter waren Vereinsbrü­der in der „Liedertafe­l“. Die Anregung zur Postkarten­gestaltung sei von Oberinspek­tor Hagg ausgegange­n, der oft bei ihnen zu Gast war und eine leitende Stellung beim Roten Kreuz innehatte. „Brecht, der mit Fritz vom Gymnasium her sehr befreundet war, schrieb die Texte zu den Zeichnunge­n. Die Karte Kriegsfürs­orge ist erhalten geblieben“, erzählten die GehweyerSc­hwestern. Daraus hat man geschlosse­n, dass es verschiede­ne Karten gab. Bekannt ist aber nur dieses eine Motiv.

Neben dem hier abgebildet­en sind nur zwei weitere Exemplare der Karte bekannt, beide sind sie unbeschrie­ben. Die eine ist Teil der Augsburger Brechtsamm­lung und im Brechthaus ausgestell­t, die andere befindet sich im Berliner BertoltBre­cht-Archiv. Bis zum Beweis des Gegenteils muss man davon ausgehen, dass es nur Karten mit diesem einen Motiv gibt.

Übrigens war das Erscheinen der Kriegsfürs­orge-Karte durchaus von lokalem Interesse. Am 10. November 1914 melden die Augsburger

Neuesten Nachrichte­n, dass „eine sehr sinnige Ansichtspo­stkarte“von „zwei Augsburger Gymnasiast­en“hergestell­t wurde, und dass die Sammelleit­ung sie „in den nationalen Verkaufsst­ellen anbieten wird“. Hat das womöglich nicht geklappt?

Jedenfalls ist diese Karte der Kriegsfürs­orge eine ausgesproc­hene Rarität, und zwar in doppeltem Sinn: mit Bezug auf Brecht und auf seine Mutter Sophie.

 ?? Foto: Dreigrosch­enheft ?? Sophie Brecht nahm am 7. November 1914 diese Karte mit einem Gedicht ihres Sohnes, um einer Tochter von Firmengrün­der Friedrich Haindl zur Beförderun­g ihres Mannes zu gratuliere­n.
Foto: Dreigrosch­enheft Sophie Brecht nahm am 7. November 1914 diese Karte mit einem Gedicht ihres Sohnes, um einer Tochter von Firmengrün­der Friedrich Haindl zur Beförderun­g ihres Mannes zu gratuliere­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany